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Oberlausiher Vethnachtsfpiele Die Weihnachtsspiele, die noch hier und da durch unsere Obeclausitzer Dörfer gehen, oder von denen ein Kundiger noch das eine oder andere Bruchstück weiß, können nur unter gewissen Bedingungen den Hauber ihrer herzlichen Einfalt und ungekün stelten Schlichtheit entfalten: Sie fetzen voraus die Lebens gemeinschaft t>es Lausitzer Dorfes, in der sich alle kennen und in der jeder die Schicksale des Nachbars jahraus, jahrein teilnahms voll miterlebt. Sie setzen voraus die trauliche Heimlichkeit der Lausitzer Wohnstube, von deren braunen Holzwänden der enge Lichtkreis der Lampe gedämpft zurückstrahlt. Sie setzen voraus die unverbildete Empfänglichkeit der dörflichen Familie. T8ir glauben, daß diese Voraussetzungen honte und gerade heute wieder an manchen Stellen unserer Heimat vorhanden sind. An solchen Orten soll man nicht zögern: mit froher Entschlußkraft soll die Jugend unter kundiger Führung das wertvolle Volksgut dem Leben zurückerobern. Geschichtlich sind die Weihnachtsspiele als letzte Ausklänge mittelalterlicher geistlicher Spiele zu werten, die erst in der Kirche, bald aber auf den Märkten der Städte von den Häuften vorgeführt wurden. Losgelöst von der kirchlichen Führung, misch ten sich in die Spiele Gestalten des Volksglaubens ein. Eine solche Gestalt des Volksglaubens ist das Christkind. Es wird in unseren Dörfern von einem .Mädchen gespielt, das glänzend ireiß gekleidet ist und bisweilen das Gesicht mit einem weißen Tuche verhängt hat. Es ist offensichtlich, daß diese Gestalt nicht das wirkliche Christkind sein kann, das ja in der Wiege liegen muß unv in unseren Spielen auch in dieser Art vorgeführt wird. Wir erkennen ohne Schwierigkeit, daß sich hinter dem christlichen Namen die Gestalt des Volksglaubens verbirgt, die in Mittel deutschland Mau Holle, in Niederdeutschland Mau Gode und in Oberdeutschland Pcrchta heißt und die in den Wintcrnächten ihren Umzug hält. Sie gehr ourch die Häuser und sieht nach, ob die Mägde fleißig spinnen und sonst ihre Pflicht tun; sie belohnt die fleißigen und bestraft die Paulen. Die Mau Holle ist nicht ohne weiteres mit einer einstigen germanischen Göttin gleichzusetzen; ihr Name hängt mit dem althochdeutschen Wort helan zusammen, das verbergen bedeutet. 'Wir haben die !Wurzel noch in unscrm Wort verhehlen. Der Name weist darauf hin, daß die Hollen oder Holden ursprünglich Unterirdische sind. Darum wohnt die thüringische Man Holle bis heute im Hörsel- berge. Eine andere Gestalt, die aus dem Volksglauben stammt, ist der Ruprecht. Auch er ist kein unmittelbarer Nachfahre eines germanischen Gottes. Die erste Erwähnung Lausitzer Weihnachtsspiele finden wir bei dem Hittauer Rektor Christian Weise (l642—l708). Er spricht sich ziemlich abfällig über die Spiele aus, weil soviel Hirten, Bauern und Pickelheringe (.Hanswurste) darin ihre Verben Späße trieben. Auch der Chronist Menzel, Pfarrer in Schönau bei Bernstadt, weiß uns von den Spielen zu erzählen. „Sodann hat man auch bisher sowohl in Städten als auf den Dörfern zugclassen, daß das sogenannte Christkindl, andere heißen es den heiligen Christ, die 'M euren aber Boz dzieczo, das ist das Kind Gottes, von der Adventszeit an bis Weihnachten möge hernmgehen. Es sind zum wenigsten zwei Personen oder wohl mehr Knaben oder Mägdel. Die eine präsentiert den Herrn Christum, die andere einen Engel usf. Sie haben Ruten in den Händen und Semmel oder Obst in den Korben, lassen die Kinder beten, heißen sie fromm sein und teilen darauf eine Gabe ans." Den Hauptkerl der Oberlausitzer Weihnachtsspiele bilden die sogenannten Adventsspiele. Darüber liegen uns soviele Aufzeich nungen vor, wenn auch oft bruchstückhaft, so daß wir mit gutem Grunde annehmen können, daß sie einst in der ganzen Ober lausitz verbreitet waren. Hwei bis fünf Personen führen das Stück vor. Das Christkind tritt in dem oben beschriebenen Auf zuge in allen Spielen auf. Seine Begleiter sind ein oder zwei Engel, der Ruprecht, Petrus. Der Inhalt ist in allen Spielen gleich. Das Christkind kommt, um sich nach dem Betragen der Kinder und des Hausgesindes zu erkundigen. Der Umzug ist so zusagen eine Inspektionsreise des Christkindes vor dem Mste, nach deren Ergebnis sich das iWeihnachtSgeschenk bemißt. Dabei übernimmt eine Person die Rolle des Anklägers, eine andere die des Verteidigers. Das Christkind droht mit Abreise, wird aber durch den Verteidiger doch zum Bleiben überredet und verteilt dann seine Gaben. Echt volkstümlich sind in diesen Spielen die Vaorte des Ruprechts, der meist in Mundart spricht. So sagt er in Waltersdorf a. d. Lausche: Ich kumm rei geschrittn, Wenn'ch a Psard hätt, käm'ch gerittn. So hoa'ch kee Pfard — Do is meine Rüde goar nischt wart. Metz, flaatz, Maderwiesch, Draußn is morsch goar zc friesch, Will mich an de woarme Stube machn, iWill sahn, woas de ktenn Kinnr machn. Wenn se ne fleiß'g batn und singn, Don sulln de Rutte nffm Bttckl rimspringn. Jin Großschönauer Hcrrchrist, dem umfangreichsten und bedeutendsten aller Oberlausitzer Adventsspiele, verschandelt der Ruprecht das alte Weihnachtslied Ouem pasloreg lsuclavcre, den die Hirten lobten sehre, auf folgende Art: Ouem pasiores Läus an Pelze, Vaenn die mich beißu, dou tu'ch miech wälzn; Und wär dr Kürschner ne dou geburn, Dou wärn inr de Löste an Pelze drfrurn. Auch die Abschiedsworte der Spielschar bringen kräftig volkstümliches Empfinden zum Ausdruck. So singen die Spieler in Niederfriodersdorf bei Ebersbach: Nun so wünschen wir euch allen eine schöne gute Nacht, Von Samt nnd Seide ein Bettchen gemacht, Von Hücker und Rosinen eine Tür, Von Pfefferkuchen ein Schlößchen dafür Und von .Muskaten eine Schwell' llnd einen Engel zum SchlafgeseU. Bei vor Gntsherrschaft fügten sie noch hinzu: Und dem gnädigen Herrn ein gesattelt Pferd, Hwei golvene Sporen und ein scharfes Schwert. Uno der gnäoigen Man einen gedeckten Tisch, An allen vier Ecken ein'n gebratenen Msch, Und in der Miitte sechs Maschen Wein, Da soll die gnädige Herrschaft recht fröhlich sein. Und dem gnädigen Mäulein eine kupferne Pfann', Und übers Jahr einen recht guten (Mann. Hirteuspiele sind im sächsischen Teil der Oberlausitz auö- gestorben. Wir mästen nach Schlesien und ins nördliche Böhmen gehen, um sie zn finden. Nur ein schönes Hirtenlied, das in beioen Teilen der Oberlausitz verbreitet ist, in Schlesien aber den Kern seines Verbreitungsgebietes hat, deutet darauf hin, daß einst auch Hirtenspiele bei uns gepflegt wurden. Dieses Lied schildert das Christnskind in anschaunngssatten Versen, in denen die tiefe Meude des Volkes am gesunden Kinde vollendeten Aus druck findet: Es Hut zwee rute Mängel, Als wenn's zwee Rusn irärn, A Guschl wie a Engel, A Köppl wie a Toibl, Gekries'lt wie dr Klie,