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Frage, wohin er ginge, wohl zu antworten: „A de Liebsche Liebe." Ein wunderbarer Humor liegt in dieser Beendung ver steckt. Es gibt verschiedene „Lieben", die richtige -Liebe und die Liebsche Liebe . . . Wir wissen, daß der Oberlausitzer bei einer lleberraschnng gern gedankenlos ausruft: Ach du mei lieber Gutt! Diese Wen dung wurde im Sinne unseres Wortspiels umgedeutet und, um den Scherz auch dem Schwerfälligen verständlich zu machen, erweitert. Sie heißt nun: „Ach du mei Liebscher Gutt, woas wird dr Bautzner machn, der Sittsche spinnt Fuckn." (Focken.) Die Niederschläge in der Sprache sind immer ein untrüg liches Zeichen für die Bedeutung, die ein Gegenstand im Sinnen und Denken der Bevölkerung gehabt hat. Die verhältnismäßig zahlreichen Wendungen über Löbau zeigen uns darum eindring lich die Gewichtigkeit, welche die Stadt einst in ihrem Um kreise besaß. Was die alten Löbauer in volkskundlicher Hinsicht inner halb ihrer Mauern dachten und trieben, dafür haben wir auch gewichtige Zeugnisse. Dazu gehört in erster Linie der Sagen schatz der Stadt. Ueberprüfen wir diesen ehrwürdigen Schatz altererbter Ueberliefernnaen, so zeigt sich auf den ersten Blick die überraschende Tatsache, daß der Berg das sagentümliche Dichten und Denken der Bevölkerung viel stärker angeregt hat als die Stadt selbst mit ihren Gegebenheiten. Am Berge sind es folgende Befunde, die dem sagentümlichen Denken starken Anreiz boten: k. Der Schlackenwall auf dem Schafberae. Er wurde im sagenkundlichen Denken als Anfang einer Stadtmauer auf gefaßt. Dort sollte die Stadt ursprünglich erbaut werden. Aber ein weißes Pferd trug allnächtlich die Balken und Stämme hin unter ins Tal, dorthin, wo die Stadt setzt steht. Das ist eine echte Gründunassage mit sehr alten Bestandteilen. Unecht da gegen ist die gelehrte Fabelei, welche die Gründung Löbaus mit der Königin Libussa in Zusammenhang bringt und die aus der alten Kirchengalerie immer wieder einmal im Druck zum Vor schein kommt. 2. Die Felsbildung des Geldkellerö. Sic wird im sagen tümlichen Denken als Höhle, als Eingang in das Reich der Unterirdischen aufgefaßt. Das Reich der Unterirdischen ist das Reich der Toten und das Reich der Zwerge. Beide Möglich keiten hat oas Sagendenken ansacbaut. Totensagen (dort Hausen die einstigen Bürgermeister der Stadt: ein 'Knnge dringt in das Totenreich ein und holt sich Schätze: eine Mutter vergißt beim Schatzraffen ihr Kind) und Iwerasagen. die sich über den ganzen Gipfel des Schafberges ansbrciten (kegelspielende Iwerge), knüpfen darum in echter llcberlieferung an diesen Ort an. 3. Der Reichtum des Berges an seltenen Pflanzen, vor allem an Heilkräutern, um deretwillen er von weit und breit besucht wurde, gab Anlaß zur Sage von der Wunderblume, die wiederum im Iusammenhana mit den Schahsaaen steht. 4. An der feuchten Ostseite des Berges müssen früher Irr lichter beobachtet worden sein. Auf dieser Naturerscheinung be ruhen die Sagen vom feurigen Hunde, der dort umgeht. Ich konnte diesen Sagenkreis aus mündlicher Ueberlieferung in Herwigsdorf ergänzen. 5. Der Berg war und ist den Stürmen besonders ausgesetzt. Davon wissen unsere Forstleute ein Lied zu singen. Der Sturm wird in der heimischen Sage in der Gestalt des wilden Jägers gefaßt. So dürfen wir uns nicht wundern, daß dieser Gesell auch auf dem Berge sein Unwesen treibt. Schon Samuel Großer berichtet in seinen ..Lausitziscbcn Merkwürdigkeiten" (4744), als er über den Löbauer Berg handelt: In dem Wahne, daß auf dem Berge ein Schatz liege, wird das Volk bestärkt, weil man nicht allein bisweilen alte unbekannte Manz- sorten daselbst gefunden, sondern auch mancherlei Spektra (Ge spenster) daselbst verspüret worden, und sonderlich der sogenannte Nachtjäger auf demselben manchmal ein schlafloses Possen spiel zu machen pfleget. Der Hinweis Großers ist uns ein wert voller Beleg für das Alter unserer Sagengruppen. 6. An der alten Bernstädter, der jetzigen Herwigsdorfer Straße, stand abseits im Walde der Galgen. Daß sich an diesem Orte ein Galgengespenst sehen ließ, ist selbstverständlich; es gab dem Flecke erst die notwendige Schauerlichkeit. Dort haben aber auch die Franzosen nach der Schlacht bei Bautzen eine Kriegskasse vergraben. Die Leute wußten genau die Ent fernung vom Galgen, aber nicht die Himmelsgegend. Noch in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind Holz arbeiter von einem Franzosen nach der Lage des Galgens aus gefragt worden; da war cs allen klar, daß dieser Mann nm den Schatz wußte. Schlackenwall, Fels, Pflanze, Irrlicht, Sturm, Galgen: so erlebten unsere Ahnen den Berg; diese Gegebenheiten griffen tief in ihr Denken und Dichten ein; im Erleben dieser Mächte wurde ihnen der Berg seelischer Besitz. Das war „ihr" Berg in viel tieferem Sinne als der bloß äußerlichen Besitzzugehörig keit, und aus den alten Geschichten umwittern uns noch die Schauer, die sie erlebten. hllte Giebelhäuser an der Badergasse Von den Gegebenheiten der Stadt selbst wurde das Sagen denken der alte» Löbauer Bürger in geringerem Maße angeregt. Hier weisen wenig ausgebaute sagenmäßige lleberlieferungen auf die Stätte des einstigen Klosters, wo sich ein gespenstischer Mönch sehen läßt, von wo aus ein unterirdischer Gang nach dem Berge führen soll. Andere sagenkundliche Gegebenheiten sinö der Iudenkopf an der Rathausuhr, die beiden Steinkreuze am Ebersdorfer Weg und in der Neustadt und der Nussenstcin am Niedercunncrsdorfer !Weg. Dazu gibt es hier und da einen Spukort. Eine junge Sage ist die vom Iudenkopf an der Wetschkemühle, der bis 4929 am Hause Görlitzer Straße 29 hing uno jetzt im Stadtmuseum betrachtet werden kann. Herr H- Heinrich hat uns in dankenswerter TLeise aus seinen Er innerungen über Entstehung und Iweck des Kopfes unterrichtet (Löbauer Heimatblätter vom 30. Mai 4930). Trotz seiner Aufklärung sind die damit verbundenen Erzählungen als echte Löbauer Volkssagen zu werten. Der Mangel an eigentlich