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einer Unzahl neuer Begriffe heranstürmt, all dies erschüttert auch hier die Mundart. SprunghaftrücktdasOber- sächsische, das vielen als Feinsprache gilt, vor. Selbst in den Dörfern verflacht die alte Heimatsprache. Alte Sprach reste bröckeln ab. Schon werden viele alte und urwüchsige Aus drücke nicht mehr gebraucht und verstanden. Auch gehören selbst schon viele Dörfler nicht mehr zu den Mundartsprechern. Unsere Mundart war bei einigen nie ihre Muttersprache. Die bodenständige Mundart ist die Sprache des schlichten MunneS. Sogenannte höhere Kreise haben nur in Ausnahmefällen dar an Anteil. Es ist daher kein VOunder, wenn nicht selten Kin der aus Lehrer- oder Pfarrerfamilien entmuudartlicht sind. Viele beherrschen nur noch einige Dialektbrocken. Oft verfügt ihre Sprache nicht einmal mehr über die Oberlausitzer Klang farbe. Um das Entwurzeltsein aus der Mundart zu verber gen, hat sich schließlich mancher den heimatlichen Sprachklang neu angewöhnt. Da jedoch von diesen Herrschaften die mund artlichen Eigenheiten dann meistens unnatürlich überbetont wer den, kann der Mundartkenner leicht zwischen wirklich boden ständigen und getarnten Mundartsprechern unterscheiden. Trotzdem bleibt für heute und die nächsten Zahrzehnke noch genug von der alten Mundart bestehen, sodaß wir ste auch wei ter als selbständiae Sprache ansehen können. Wienn auch vollständig reine Mundart, wie ste früher gesprochen wurde, immer mehr abstirbt, so zeigt stch doch an einem Beispiele, daß ste immer noch lebenskräftig ist. Dretschen und Schmölln, die noch vor kurzer Zeit wendische Orte waren, haben als Um- aanassprache nicht das Hochdeutsch, sondern die sllkuudart übernommen. Bewußte Vünndartpflege iü deshalb bei uns heute noch mehr als eine Vorbereitung für ein feierliches Be gräbnis unserer angestammten Heimatlvrache. D5enn man auf anderen Gebieten der Volkstumvflege sogar vollständig versck wundene Lebensformen wie die Tracht ni neuem Leben erwecken will, so ist es auch unsere Pflicht die noch vorhan dene Volkssprache gegen die Kräfte der Zerstörung und Ver wässerung zu schützen. Trotzdem unsere Oberlausttzer Mundart immer als ae- lvrochene Sprache vorhanden war und vorhanden ist. mußte ste doch erst einmal entdeckt werden. Das war rn dem Zeit punkte. wo ste im Druckbild erschien, wo ste als Ausdrucks mittel der Dichtuna diente. W>er wie ein ÜÜann aus dem Volke sprechen wollte, mußte in seiner Sprache reden. Zn diesem Nahmen ist es nicht möalich, einen Abriß über die geschichtliche Entwickeluna der Mundartverwendnna in der Oberlausttz rn aeben. Nur einiae Meilensteine seien aenannt: Ebristian VFeise Ehristian Keymanu und der Schöpfer der ersten großen Heimatdichtungen Ernst Adolf VFillkomm. 2Villtomru führte als erster d»n Oherlausttzer Bauer. VFeber nnd Fabrikanten in das deutsche Erräblaut ein. Ilnverständ- l'cherweise hat die .Feimat diesen Dichter veracsten. Es sei nicht verschwiegen, daß seine Mundart den gegenwärtigen An sprüchen nicht mehr genügt. freilich blieben der VUnndartdichkima auch Torwege nicht erspart. Es fei zunächst erinnert an Johannes Renatus der in seinen Bändchen . Allerlee aus dar Aberlaustü" die Mümd- art verschandelte. VFaS er darbot war höchstens Baukner llmganasdeutsch, ein Gemisch aus Hochdeutsch. Obersächstsch. VFendisch und aufaevukt mit einigen Mundartbrocken. die meistens auch noch falsch sind. VFenn nur auch seine VFerke vom Standpunkt bewußter Mundgrkpsleae entschieden obleh nen müssen, so bleibt es trokdem sein Verdienst, daß er durch seine Veröffentlichungen mit zu denen gebärt die als erste dem Vorurteil der Gebildeten gegen die Volkssprache entgegentraten. In diesem Zusammenhänge muß auch auf Wilhelm von Polenz hingewiesen werden. Seine Verehrer haben ihm einen schlechten Dienst erwiesen, wenn ste immer wieder behaupteten, daß Wilhelm von Polenz der einzige Schriftsteller ist, der im „Büttnerbauer" und im „Pfarrer von Breitendorf" die Sprache der Oberlausttz als gutes, wirksames und edles Dar stellungsmittel verwendet und von ihr einen rechten Gebrauch gemacht hat. Vüik Recht urteilt vielmehr der Altmeister Ober lausitzer Mundartdichtung Oberlehrer i. R. August Miatthes folgendermaßen über die iMundart dieses Dichters: „Der von Polenz im „Büttnerbauer" angewendete Dialekt enthält zahl reiche Anklänge an die schlesische Gebirgsmundart, ist aber im ganzen Leben keine echte Mundart. Er ist überhaupt keine Mundart, die irgendwo tatsächlich gesprochen wird, sondern ein reines Phantasiegebilde." „Zugunsten des Verfassers, Wil helm von Polenz, wollen wir annehmen, daß er gar nicht die Absicht gehabt hat, Oberlausttzer Dialekt ' zu schreiben. Er wollte irgend ein dialektisches Gebilde schaffen, und ein sol ches hat er nun auch mit Anlehnung an schlesische Muster zustandegebracht. — Hätte von Polenz aber wirklich die Ab sicht gehabt, Oberlausttzer Dialekt zu schreiben, so müßte ihm der Vorwurf gemacht werden, daß er unsere Mundart ver fälscht und verschandelt." Daß der eigentlich unschuldige Wil helm v. Polenz in diesem wenig erfreulichem Zusammenhänge genannt werden muß, verdankt er nur denen, die ihn immer wieder als besten Vertreter Oberlausttzer Mundartdichtung hinstellten. Seine Bedeutung als einer der besten deutschen Dichter bleibt trotzdem bestehen Z. Zum Glück wurde der Oberlausttz aber auch ein unüber trefflicher Sprachmeister geschenkt: Bihms Koarle. Kein andrer kommt ihm an Treue der Darstellung gleich. Behutsam hat er in seinen Dichtungen die Mundart eingefangen, daß ihr der schimmerndste Glast der Lebendigkeit nicht verloren acht. Sein Werk ist das beste Zeugnis für den Reichtum und die Sprach kraft unserer bodenständigen Mundart. Da seine Dichtungen nicht nur im Buche, sondern im Munde und Herzen unserer Oberlausttzer leben, bleibt er der beste Anwalt bewußter Mundartpflege. Leider hat man immer wieder versucht, das Schaffen Bihms Koarles herabzuwürdigen und sogar — tot- znschweigen. Das Echte wurde verworfen, das Unechte wucherte. Mundartdichtungen wurden nnd werden den Lesern vorgesetzt, die keine Mundart enthalten. Sie wimmeln von falschen Wortbildungen und Verstößen gegen die reine und echte Mundart. Sie lassen die Ehrfurcht vor der gesprochenen Sprache vermissen. Mundart ist jedoch kein Harlekinsrock. dem man nach eigenem Gutdünken hier und da ein hochdeut sches Fetzchen oder Flitter aus Obersächstsch gefärbtem Um- gangsdeutsch anhängen kann. Mundart ist kein zerschlissener Hader, an dem man nach eigenem Ermessen Herumschneidern kann. Mundart ist gewachsene Sprache, Mundart ist Ahnen erbe. Der Dichter hat kein Recht zum Verschandeln der Mundart. Er ist nur Diener dieses Volksgutes. VFenn man Umaangsdeutsch oder Hochdeutsch vermundartlicht, so setzt man der Mutter Heimatdeutsch Läuse in den Pelz. Es ist Unsinn, die Mundart durch hochtrabende VFörter und Redewendungen verbessern oder verfeinern zu wollen. Diese Schreibtischarbeit ist nicht nur unerwünscht, sondern eine Fälschung. VFer es mit der Mundart als heiligem Vermächtnis unserer Vorväter ehrlich meint, der muß darauf achten, daß Z Über die Phantastemundart in den VFerken des Dich ters Wilhelm von Polenz erscheint an anderer Stelle eine aus führliche Arbeit.