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Die Dskltellung unlerer O^eflsulihek ^unclspt in c!ef Di^itung Von Werner Ändert. I. Der wertvollste" Teil der Heimat ist der Mensch mit sei ner Sprache. Die Sprache der Heimat ist aber die Mundart. Sie bildet den unmittelbarsten Ausdruck unseres Stammes- tums. Sie spiegelt Raste und Wesen, Schicksal und Land schaft. Ja, unser Heimatdeutsch ist lebendiges Erbgut der Vorväter. Die Mundart verstaubt auch nicht in den Glas schränken der Museen. Trotz aller Zurückdrängung ist sie auch heute noch nicht tot. Ihre gegenwärtige Gestalt ist freilich das Ergebnis einer langen Entwicklung. Die Wurzeln des Hei matdeutsch liegen in ahnenalter Zeit. Ununterbrochen verbin det uns die Mümdart durch Tausende von Geschlechtern mit der Urzeit. MA unverwüstlicher Lebenskraft hat ste die Jahr tausende überdauert. Sie blieb jedoch dabei nicht starr und tot. Es war ihre Eigenart, sich nmznformen. Wie sich ein Werkzeug durch den täglichen Gebrauch der Hand anpaßt, so prägte sich die Nkundart dauernd um. Ist ein Mdrt ein mal geboren, so führt es ein Eigenleben. Die eine Gedanken münze übersteht Jahrhunderte, die andere wird oft umgewan delt. Wuchsformen, die am Lebendigen üblich sind, innere Ge setze, aber auch äußere Einflüsse gaben der Mundart die gegenwärtige Gestalt. Die Sprachform der Mundart ist gewachsen. Sic ist nicht geschustert, nicht gekittet, nicht geleimt und nicht genagelt, sondern -— wie alles Lebendige — gewachsen. Das ist nicht Düftelei oder unbewiesene Behauptung oder gar Anmaßung. Es läßt sich auch nicht nur erfühlen. Nein, wir können es an Beispielen beweisen. Dazu gehört jedoch ein für Sprachfeinheiten geschultes Ohr, und das besitzen anscheinend nur wenige. Vvenn man aber auf die Heimatsprache horcht, wird man bald merken, daß das Kunterbunt der mundartlichen Formen nur scheinbar ist. Laukstand, Kürze und Länge einer Silbe, sind nicht dem eigenen Gutdünken überlassen. Die Zeitwörter werden keinesfalls wahllos gebraucht. Mit welcher Sorgfalt handhabt weiter die Mundart ihren Wortschatz. Wie genau sind die Wortbedeutungen abgewogen. Steigerung und Ab schwächung eines Begriffes sind nicht der ^Willkür überlasten. Dabei ist der Gefühlswert des Wortes nicht selten ganz anders als im Hochdeutschen. Auch ^Wortstellung und Satzbau, Klangfarbe, Tonfall und. Sprechgeschwindigkeit sind nicht etwa gleichgültig. Selbst Einschiebsel und Ausruf sind abgepaßt. Zieht man gar ältere Sprachformen zum Vergleich heran, so erkennt man immer deutlicher, daß das mundartliche Sprach gut nicht zufällig seine gegenwärtige Gestalt erhalten hat. Die Mundart folgt vielmehr einem innersprachlichen Bauplan. Die Nkundart hat ihre eigene Ausdrucksform ge nau so wie eine seit langem in der Schrift festgelegtc Sprache. Ohne daß man sich dieser natürlichen, inneren Gesetzmäßig keiten bewußt war und bewußt ist, vererbt sich die Heimat sprache von Geschlecht zu Geschlecht. Durch Jahrhunderte war sie die alleinige Umgangssprache. In der Schrift wurde sie kaum festgehalten. Selbst in den Akten unserer Sechs städte und in den Schöppenbüchern unserer Dörfer erscheint sie, wenigstens in den letzten Jahrhunderten, nur selten. Tritt aber doch ein bodenständiger Mundartansdruck auf, so beleuch tet er meistens den alten, den echten Lautzustand. Durch Martin Luther wurde um 1520 das Thüringisch- Meißnische zur Schriftsprache. Die Vorläufer in der älteren deutschen Kanzleisprache mögen in diesem Zusammenhänge unberücksichtigt bleiben. Die neue Hochsprache überspannte alle deutschen Mundartgebiete. Sie wurde zum Bindeglied in die ser Aufsplitterung. Bei der großen Bedeutung einer einheit lichen Schriftsprache für unser Volk wäre es unverantwort licher Unsinn, wenn man die ^Mundarten gegen die Hoch sprache ausspielen wollte. Im Gegenteil, die Schriftsprache muß sehr gepflegt werden, nicht nur die Rechtschreibung, son dern auch das rechte Sprechen. Anderseits darf aber auch das Heimatdeutsch nicht ins Ausgedinge znrückgcdrängt wer den. Bald hatte nämlich die gelehrte W>elt vergessen, daß eine Mundart der lebendige Ouell war, aus dem Luther die Schriftsprache geschöpft hatte. Mundart galt als schlechtes Hochdeutsch. Die Schule sah im Heimatdeutsch einen unbeque men Widersacher, der zu bekämpfen war und deshalb bekämpft wurde. Gewiß, die Wissenschaft von der deutschen Spraclv vertrat schon seit ihrer Begründung durch die Brüder Grimm die Anschauung, daß die Mundarten wertvolle, aus natur gemäßer Entwickelung erwachsene Schöpfungen des Volks geistes sind. Ihre Stimmen wurden jedoch lange überhört. Nur langsam änderte sich das Werturteil in Wissenschaft. Schule und Volksleben. Man hat endlich erkannt, daß Mundart nicht etwa entartetes Hochdeutsch, sondern eine selb ständige Sprache ist. Mae zu Luthers Zeiten weiß man auch wieder, daß die Mundart einen nie versiegenden Jungbrunnen für das Schriftdeutsch bildet. Der Ansturm der Hochsprache konnte die Mundart wohl einengen, aber die Lebenskraft konnte ihr nicht geraubt werden. In unseren alten Städten mit ihrer rasch wecbselnden Be amten- und Kaufmannsschaft und ihrer starken sonstigen Zu wanderung ging das bodenständige Heimatdeutsch freilich schon seit mindestens zweihundert Jahren verloren. An seine Stelle trat dort nicht immer die von einer dünnen Oberschicht gesprocbene Dochsprache, sondern eine städtische Umgangssprache. Diese Umgangssprache ist abgeflachtes Hochdeutsch mit starkem ober sächsischem Einschlag. Selbst wenn in ihr noch gelegentlich Oberlansitzer Mundartbrocken auftreten, so hat doch dieses Städterdeutsch nichts mehr mit echter Oberlausitzer Mund art zu tun. Nicht der Städter hat die lMnndart bewahrt, sondern der Dörfler. In den Dörfern ist die Nkundart noch nicht ausgestorben. Da die Heimaksprache die wahre Muttersprache ist. soll sie auch nicht ausaeroktet werden. Freilich auch in den Rückzugsgebieten zeigt sich ein Wandel. Auch der Dörfler wurde durch die Schule zunächst doppelsprachig. Das Hoch deutsch war und ist ihm jedoch nicht mehr als ein notwendiger neumodischer Rock. Weil er etwas Fremdes ist, legt man ihn unter sich ab. Bei der Arbeit, ans dem Felde, in Fabrik nnd Werkstatt und selbst in den Rathäusern unserer neuen Industriestädte erklingt noch die alte Heimatsprache. Durch die Industrialisierung und die unbeschränkte Freizügigkeit änderte ^ch aber auch die Zusammensetzung der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten. Zu den altansässigen Mundartsprechern traten fremde Volkselemente. Dazu bringt der gesteigerte Ver kehr den Mundartler leichter und öfter aus seiner Häuslich keit. Zeitung, Schallplatte, Funk und die neue Zeit, die mit