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funkelnde Blitze schossen sie Schlangen, alle Schlangen des Roschertales, hinter dem Räuber her. Am Schloßtore holten sie ihn ein. Als die Dienerschaft das Leuchten und funkeln sah und die Schlangen erkannte, stürzten sie in Angst aus dem Hause. Erst nach Tagen wagten sich die Leute wieder auf das Schloß. Da fanden sie auf dem Schloßhofe das Gerippe eines (Menschen und eines Pferdes, beide abgenagt bis zum weißen Bein. Das hatten die Schlangen getan"). Eine alte Hainewalderin weist mich darauf hin, daß am Ajusgang des Hainewalder Schlosses nach der Feldseite zu sich ein lebensgroßer Kopf befindet, dessen Haare durch Schlangen gebildet werden. Es ist möglich, daß diese barocke Skulptur, anscheinend ein (Medusenhaupt, die Sage gestützt hat. Vor etwa einem Dutzend Jahre wurde mir in Hainewalde folgende Überlieferung erzählt und von verschiedenen Seiten bestätigt: Zwischen Hainewalde und Großschönau, steht am Breiteberge ein Bahnwärterhaus. Dort blühten auf einem Erdhügel jeden Sommer drei rote Rosen, und unter dem Hügel lagen drei schwedische Offiziere, drei Brüder vom Adel, die im Dreißigjährigen Kriege von Bertsdorf über den Breite berg geritten und dort ermordet worden waren. Einst kam zu dem Bahnwärter, der in dem Häusel wohnte, von Zittau her eine Kutsche. .Dem Wagen entstieg eine große, schwarze Ge stalt. Die sagte zu dem Bahnwärter: „Um (Mitternacht grabe den Hügel auf. Dort wirst du drei Ringe finden. Die bringst du mir auf den Zittauer Kirchhof!" Und die Kutsche fuhr ab. Uni) der Bahnwärter dachte: „Das machst du nicht!" Aber am nächsten Tage kam die Kutsche wieder, und die Gestalt sah so finster aus. Doch der Bahnwärter faßte sich immer noch kein Herz. Aber als ain dritten Tag die Kutsche wieder vorfuhr und die Gestalt sagte: „Tust du's nicht, dann ist es dein Unglück und dein Haus brennt dir ab!" da hat er's doch getan. Und in den morschen Knochen findet er die Ringe und läuft nach Zittau damit in der nächsten Nacht. Doch als er dreiviertel Zwölf vor dem Kirchhof steht, ist alles still und die Tore find geschloßen. Aber da ziehen schwarze Wolken ganz schnell herauf. Und als der erste Schlag der Zwölfe schlägt, zuckt ein Blitz. Da springen die Tore krachend auf. Wie von unsichtbarer Hand gezogen, rennt der Bahnwärter nach einem Platze und legt dort die Ringe hin. Ob er -die Rosen auch mitgenommen hat, weiß ich nicht, aber von der Zeit an hatte er Ruhe. Ob diese zusammengesetzte Überlieferung in ihrem alten Kern Erinnerungen an den Üeberfall einer räuberischen Streif schar (4467) durch die Zittauer am Breiteberg bewahrt? Die Geschichte soll auch einmal auf dem Theater aufgeführt wor den sein. Für genauere Hinweise wäre ich dankbar. ü Nach E. Willkomm, Lausitzer Sagen und Nlärchen, Hannover 4843, II, S. 495 f. Himmelsbrücke in hainewalöe Bild: E. Wagner Söhne, Zittau Überblicken wir die hier mitgeteilten Überlieferungen, so zeigt sich, daß Berg und Wald das Erzählgut um den Breite berg wesentlich bestimmt haben. Die Leute um den Breiteberg haben damit die heimische Natursag-e um schöne Beiträge be reichert. Da Hainewalde vom Hauptverkehr nicht berührt wurde und Heimgewetbe trieb, sind die Überlieferungen ver hältnismäßig lange lebendig geblieben, und mir scheint, daß eine Nachlese Hainewalder Überlieferungen aus dem Volks munde recht schöne Ergebnisse zeitigen würde. Vreiteberg - Erinnerungen Wenn ich an den Breiteberg gedenke, klingt in meinen Er innerungen stets das Trappeln kleiner Füßlein, das Wispern zarter Sümmchen. Winzige Männlein huschen durch meine Träume, Mannlein mit langem, eisgrauem Bart, grauen Nebelkappen, blitzende Grubenlichkcr am Gürtel, die Spitzhauc in der Hand, den Bergsack über der Schulter, die Ouerxe vom Breitöberge, (Wenn wir auf nnsern Hutberg spazierten, der Vater und ich, und am nördlichen einsamen Wege ausrnhtcn, sahen wir ganz rechts die schöngeformte Pyramide des Breite bergs liegen. Stets fragte ich nach des Berges Namen: „Ist das der Breiteberg?" „Natürlich!" sagte der Vater. „Ist das der Zwergelberg?" Die Frage war taktisch gestellt; denn stets antwortete der Vater dann: „Der Zwergelberg? Nein, aber ähnlich, der Onerxelberg. Die Zwerge vom Breiteberge nämlich heißen Ouerxe!" Jetzt hatte ich den Vater da, wo ich ihn haben wollte: „Erzähle mir von -den Ouerxen!" Nun saßen wir in aller Ruhe, über uns rauschten die Bäume, neben uns pinkten die Kohlmeisen, ein Eichhörnchen raschelte im Fallaube, oder waren es doch die Kleinen vom Berge? Ich sah die Kerlchen, so sein erzählte der Vater, einfahren in die Höhlen und Klüfte des Berges und das glänzende Gold schürfen, aus -dem sie ihre kleinwinzigen Goldpfennige schlugen. Ich hörte ihr Lachen und Jauchzen -am Tscheschelstein, ihrer genialen Rutschbahn. Hier tscheschelten und rutschten sie vom (Mittag bis zum Abend, bis der Stein ganz glatt war. Ich sah den Schlausten der Ouerxe, den Puck, mit dem gefräßigen „Koarle" aus Heenewahle" zur Großbauernhochzeit nach Bertsdorf wandern. „Koarle", der ungeladene Gast, hätte vom Puck eine Nebelkappe geliehen be kommen und setzte sich nun frech unsichtbar an die Hochzeits tafel und aß? Nein „fraß" wie ein Gcheundrescher Koichel- suppe, Saffernsoße, Gedämpftes, Pohlschen Karpen, Schweine braten mit Gließen und Sauerkraut, daß ihm die Brühe über die (Mundwinkel lief und die Hurkleute (Mund und Nase auf rissen, warum die Schüsseln so fix leer wurden, auch die Bnll- chen! Bis Puck, der hämsche Puck, -dem Koarle die Nebelkappe vom Kopfe riß und mei Koarle in seiner ganzen Gefräßigkeit, aber auch in seinen Hemdsärmeln, mit der blauen Schürze, den Lederlatschen und dem bloßen Koppe sichtbar wurde, bis er wie der unsichtbar wurde, sehr geschwinde, weil die Gäste den Schmarotzer ohne hochzeitlich Kleid mit mächtigen Gunksen und Koppnüssen, auch Pfingstbrotelu genannt, aus dem Festsaal fuhr werkten, bis er humpelnd, ohne Loatscherche, an Schtrimpen, gen Heenewahle wackelte. Am Breiteberg hob -er die spanst dro hend nach dem Felsen: „Na, woart ock, Buck! Ich hätts ni geducht, doaß de su a hämsches Luder wärscht!" — Zuletzt kam dann stets die wehmütige Geschichte von der Ouerxlein Ab schied. Der Glockenklang vertrieb sie. So -erschienen sie an einem Herbstmorgen zu Hunderten unsichtbar beim Fährmann an der Mandan in der Nähe der Stelle, wo später die Himmels oder Ochsenbrücke gebaut wurde und ließen sich übersetzen. In des Fährmanns leeren (Mehlsuppentopf, das frühstück war schon vorbei, aber klirrten die kleinen Goldpfennige, sodaß der arme Fährmann ein reicher Bauer wurde. Seitdem sind die Ouerxe verschwunden. Das Jahr darauf bin ich mit dem Vater auf den Breite berg gestiegen. Ich bin ganz leise gegangen, auf den Zehenspitzen,