Volltext Seite (XML)
und Spitzkunnersdorf angeschloffen, sodaß das Fernsprechamt, das eine neuzeitliche Selbstwählereinrichtung besitzt, sich über ein weites Gebiet mit rund 42 000 Einwohnern erstreckt. Die vom Neugersdorfer Postamt geleiteten Kraftpostlinien greifen weit hinein in die schöne Oberlausitzer Landschaft, um faßt doch unser Netz das Gebiet zwischen Neugersdorf, Wend.- Eunnersdorf, Kottmarschenke, Niederoderwitz, Großschönau und Seifhennersdorf. — Der Kraftpostbetrieb wurde am 31. De zember 1926 mit der Linie Neugersdorf—Löbau eröffnet. 1927 wurde in der Zittauer Straße eine größere Kraftwagenhalle erbaut. Das Personal des Postamts umfaßt heute 88 Köpfe. Eine ähnliche Aufgabe wie der Reichspost fällt auch ihrer Schwesterbehörde, der Reichsbahn, zu. Die Eisenbahn kam am 1. November 1874 an unser Neugersdorf heran (erste deutsche Eisenbahn Nürnberg—Fürth bereits 7. Dezember 1835!); denn an diesem Tage wurde die Strecke Ebersbach—Seifhen nersdorf eröffnet, nachdem der erste Spatenstich feierlich am 1. September 1872 getan worden war. Da nun die Strecke Ebers bach—Löbau genau ein Jahr vorher eingeweiht worden war, so war jetzt die Schienenverbindung über Löbau, Bautzen nach Dresden und damit an die große Welt hergestellt. Die Teil strecke Seifhennersdorf—Warnsdorf wurde am 15. September 1876 als letztes Verbindungsstück nach Fittau eröffnet, sodaß von da ab auch unmittelbare Bahnverbindung mit dem schönen Hauptorte der südlichen Oberlausitz bestand. Die Strecke Löbau —Zittau war bereits am 10. Juni 1848 in Betrieb genom men worden.) Das Verbindungsstück Eibau—Oberoderwitz aber wurde erst am 15. Oktober 1879 dem Verkehr übergeben. Wie lebhaft der Fugverkehr schon anfangs einsetzte, ist fast erstaunlich, bereits im November und Dezember 1874 ver kehrten täglich durchschnittlich 10,5 Füge als Personen-, ge mischte und Güterzüge durch Neugersdorf. Nicht ohne Reiz ist es, zu wissen, daß vor der Bahneröff nung die für unsre Industrie usw. notwendigen Kohlen aus Böhmen, und zwar vom Bahnhof Numburg und dann später vom Kohlenbahnhof in den „Steckefichteln" mit Pferd und Wagen geholt werden mußten, woraus sich auch die Lage einiger Fabriken so dicht an der Grenze leicht erklären läßt. Die Linienführung der Bahn sah für Neugersdorf anfangs überhaupt keinen Bahnhof vor; der nächste Bahnhof sollte auf Ebersbacher Flur in der Nähe der „Ameise" gebaut werden. Durch Petitionen erst wurde erreicht, daß der Schienenstrang Gersdorf berührte. Die Station hieß anfangs „Alt- und Neu gersdorf", bis sie bei der Vereinigung beider Orte in „Neu gersdorf" umbenannt wurde. Der Bahnhof Neugersdorf mit seinem von unsrer bedeu tenden Industrie belebten Personen- und Güterverkehr, der sich heute auch schon in Verbindung mit bahneigenen Ileberland- kraftwagen abwickelt, spielt eine ganz bedeutende Rolle im Ge samtverkehr unsrer Oberlansitz. Gehen wir nun der Entstehungsgeschichte unserer Ban ken kurz nach, so finden wir in den Archiven, daß die heutige Commerz- und Privatbank bereits im Jahre 1889 als erste von ortsansässigen Neugersdorfer Fabrikanten und Gewerbetreiben den unter dem Namen „Löbauer Bank" hier in Neugersdorf gegründet und später durch Filialen in Löbau, Ebersbach, Seif hennersdorf usw. erweitert wurde. 1923 übernahm die Commerz- und Privatbank (Sitz Berlin-Hamburg) das Unternehmen und führte es als Fweigstelle weiter. Einen ähnlichen Verlauf nahm die Geschichte der im Jahre 1905 zu Fittau als „Oberlausitzer Bank" errichteten und im Jahre 1917 umgewandelten Allgemeinen Deutschen Credit- anstalt. Die Gewerbebank wurde am 12. August 1907 gegründet. Ihre meist den Kreisen des Handwerks, des Handels und Ge werbes angehörigen Mitglieder bilden eine G. m. b. H., vor nehmlich zur Förderung eines gesunden Mittelstandes. Im Jahre 1925 wurde hier ferner eine Filiale der Städte- und Staatsbank der Oberlansitz errichtet, die seit August 1932 in eine Fweigstelle ber Sächs. Staatsbank umgewandelt wurde. Als nach den wüsten Feiten der zerstörenden Inflation end lich im Jahre 1923 von Helfferichs rettender Hand die Renten mark geschaffen und dann 1924 die Goldmark eingeführt wor den war, gab unsere Stadt die Girokaffe an die Girozentrale Sachsen (Fweigstelle Neugersdorf) ab, und zugleich wurde zur Unterstützung der Wirtschaft auch die Ostsachsenbank gegründet. Fum Schluffe sei noch einer der wichtigsten Geldanstalten, der treuen „Bank des kleinen Mannes", unsrer Stadtspar kasse, gedacht. Sie wurde am 20. August 1874 von Alt- und Neugersdorf gegründet und dann von beiden Gemeinden ge meinsam geführt. Sie entwickelte sich recht schnell und günstig und trotz der Rückschläge einer verheerenden Inflation war sie doch in der glücklichen Lage, die auf Goldmarkbasis um gerechneten Spareinlagen mit dem sehr hohen Vomhundertsatz von 28,4 aufznwerten, sodaß den Sparern rund 1 800 000 Mark wieder gutgeschrieben und somit gerettet werden konnten. Segensreich hat sie auch durch die vielen Jahrzehnte hindurch durch Hypotheken und Baudarlehen sowie durch teilweise Ver wendung von Ueberschüffen für gemeinnützige und wohltätige Fwecke der Garantiegemeinde gewirkt. Das kirchliche Wesen in Neugersdorf Fwei Türme beherrschen das Stadtbild Neugersdorfs. Der eine von außen, der andre von innen: Der Wafferturm und der Kirchturm. Steinerne Künder der verborgnen Lebensquellen sind sie, die das natürliche und das geistliche Leben der Menschen speisen. Wie ein auseinaudergeschobenes Fernrohr, das den Him mel sucht und die Sterne naherückt — nur umgedreht —, so reckt sich der viergliedrige Kirchturm in die Höhe. VÄe ein trotzig gewappneter Wächter, so ragt er über das behäbige Kirchen vach. Weit hinaus aber in den Sonnenschein blitzt das krönende goldne Kreuz, in dessen Leuchten immer wieder die Menschen auf ihren sichtbaren und unsichtbaren Straßen die Richtung finden können. Die Kirche Neugersdorfs ist mit der Gemeinde geboren. Menschen, die um des Glaubens willen Land und Heimat ver laßen, können nicht lange ohne Anbetungsstätte sein. Schon 10 Jahre nach ihrer Niederlassung errichteten sich die böhmi schen Exulanten in Altgersdorf unter dem Schutze des Rates der evangelischen Stadt Fittau ihr erstes Gotteshaus auf dem Grund und Boden, den dieser ihnen geschenkt hatte. Der Rat, der in der ersten Feit überhaupt viel für die junge Kirchge meinde tat, ist bis heute, also durch fast 270 Jahre hindurch, der Patron der Kirche gewesen — eine Verbindung, die auch durch das noch heute vom Fittauer Rate an die Pfarrkaffe zu zahlende Ackergeld von 30 RM. aufrecht erhalten wird. Es war natürlich, daß das erste Gotteshaus nur bescheiden sein konnte. Unter dem Druck der Bevölkerungszunahme machte sich schon bald das Bedürfnis nach Erweiterung geltend. Nach dreijähriger, an Opfern und Streitigkeiten reichen Bauzeit, während welcher der Gottesdienst z. T noch in der umbauten alten Kirche, z. T. in der Pfarre, z. T. im Freien gehalten wurde, konnte die neue Kirche Weihnachten 1738 geweiht wer den. Sie zeigte damals nur einen Turmansatz. Der Turm selbst folgte erst 1855. Seine Spitze war indeß nicht wetterfest. 15 Jahre hielt sie es in der luftigen Höhe aus. Dann stürzt« sie sich unter einem Dezembersturm in die Tiefe und bohrte sich in die Gräber des Kirchhofs. Vier Jahre blieb das Gotteshaus enthauptet. Aber es war nicht tot. Die Gemeinde brachte die 10 000 Taler auf, und seit 1872 zeigt sich nun das fast zwei-