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im Laufe eines Lebens erwerben können, werden die Neu gersdorfer Betriebsführer auch in Zukunft die heimische Textil industrie auf der Höhe halten und weiterentwickeln. Daß dies schon geschieht, beweist ein Textilgroßbetrieb, der seit einer Reihe von fahren die Herstellung von Autoserdeckstoffen be treibt, und der in diesem Artikel führend in Deutschland ist. Bis Ende der 80er Jahre zogen die Neugersdorfer Fabri kanten oder deren Beauftragte auf Markte und Messen, z. B. nach Breslau, Frankfurt uud Leipzig. Wahlbekannt waren die Marktkisten, in denen die 60 und 62 Zentimeter breiten Hosen- und Rockstoffe verpackt waren. An die Stoffverkäufer wurde nun sehr oft das Anfinnen gestellt, doch gleich fertige Jacken und Hosen mitzubringen. Diese Nachfrage führte zur Herstellung fertiger Bekleidungsstücke und damit zur Entwicklung der Neugersdorfer Bekleidungsindustrie. Zur Zeit sind 25 Kon fektionsbetriebe in Neugersdorf vorhanden, darunter drei Be triebe mit über 100 und einer mit ra. 250 Gefolgschaftsmit- gliedern. Insgesamt beschäftigt die Bekleidungsindustrie 1500 Arbeiter und Arbeiterinnen, darunter sind nur etwa 250 Heim arbeiter. Um die Jahrhundertwende fand auch die Mmsche- und Schürzenfabrikation hier eine Pflegestätte. Die Textilindustrie hatte aber auch noch andere Industrien zur Folge. So entstanden bereits in den 80er Jahren 2 lWcb- stuhlfabriken und Eisengießereien. Auf Anregung und mit Unterstützung von Neugersdorfer Fabrikanten errichtet, ent wickelten sich diese Unternehmungen sehr bald über die örtliche Bedeutung hinaus und erlangten iWeltruf. Auch der Jacquard maschinenbau ist hier vertreten. In den letzten 15 Jahren trieb der alte Stamm einen neuen Zweig: die Stoffmalerei. lWcr kennt nicht die buntbemalten Samtkisten, die Wandbehänge und Tischläufer, die in der Zeit, als es noch keine Devisen schwierigkeiten gab, in der ganzen Welt stürmisch begehrt wurden. Als der Export nachließ, stellte sich die Stoffmalerei auf den Inlandsmarkt um, verfeinerte die Technik und blieb so vom Untergauge bewahrt. Es ist natürlich, daß eine Stadt, in der das Wirtschafts leben stark pulsiert, auch Unternehmer anderer Branchen an lockt, hier ihr Glück zu versuchen. Go sind Baufirmen vor handen, von deren Leistungsfähigkeit nicht nur zweckmäßige moderne Fabrikgebäude und die höchsten Schornsteine der Süd lausitz zeugen, sondern die auch im Billen- und Siedluugöbau Hervorragendes leisten. Aus Tischlerwerkstätten sind Möbel fabriken von hohem Rang erstanden. Ziegelei und Dampfsäge werke, Blumenindustrie, Bürstenherstellung, Spiral- und Blatt- federerzeugnng, Filzschuh- und Pantofselfabrikation, Glas schleiferei, Spiegel- und Rahmenfabrikation, Buch- und Stein druckereien und Zcitungöverlag vervollständigen das Bild der Neugersdorfer Industrie. So steht an der tschechoslowakischen Grenze eine reine In dustriestadt trotz ungünstiger Verkehrslage. Bielen Neugersdorfer Betriebsführern hat gerade diese und die dadurch bedingte Herabsetzung der Wettbewerbsfähigkeit in dem scharfen Konkurrenzkämpfe der letzten 15 Jahre, der ge kennzeichnet ist durch Zusammenschlttßbestrebnngen und der da mit verbundenen Stillegung von teurer arbeitenden Betrieben, schwere Sorgen bereitet. Glaubte man doch schon, der Neugers dorfer Industrie ein Massensterben Voraussagen zu können. Dank dem Umstände, daß die hiesige Industrie konzcrnfrei ge blieben ist, daß die Betriebssichrer mit zäher Verbissenheit Be triebsgröße und Betriebsleistung aufeinander abgestimmt haben und frei in ihren Entschlüssen bleiben konnten, ist die Neugers dorfer Industrie im Kern gesund in die neue Zeit herübergc- konuneu, und sie ist leistungsfähig für die Aufgaben, die ihr die neue Volksgemeinschaft stellen wird und teilweise schon ge stellt hak, und da die neue Wirtschaftspolitik nicht immer auf die billigste Versorgung mit materiellen Gütern, sondern in erster Linie auf die lWerte des Volkstums und die Erhaltung und Förderung der produktiven Kräfte sicht, so blicken auch die Neugersdorfer Betriebssichrer mit ihren Gefolgschaften wieder vertrauensvoll in die Zukunft. Sie öffentlichen Verkehrsanftalten in Neugersöorf Richarö Heftel Post und Eisenbahn, Banken und Sparkassen sind es von jeher gewesen, denen die Aufgabe des öffentlichen Verkehrs zu fielen. Die Post bewerkstelligte den Nachrichten- und später auch den Kleinwaren- und Geldverkehr. Was also künden uns die alten Urkunden über unsre Neugersdorfer Postgeschichte? Bis zum 1. Mai 1827, wo in einer Generale des Kgl. Sächs. Oberpostamts Leipzig vom 30. April 1827 hier in Neugersdorf eine Kgl. Postexpedition eingerichtet wurde, hatte ein Privatbote Briefe und Pakete und zwar zuletzt wöchentlich dreimal (Montag, Donnerstag und Sonnabend) nach und von Löbau besorgt. Das blieb auch so, als nun Löbauer Postboten die Verbindung übernahmen. Als Amtsraum diente 9 Jahre lang die Wohnstube des ersten Postexpeditiorö Carl Benjamin Hoffmann; 1836 wurde die Post dann an äußerst günstig ge legener Stelle im Vekehrsmittelpunkte des Ortes und nahe der Kirche in das kleine Chausseehaus (jetzt Witwe Schöbel) ver legt. Im Jahre 1878 siedelte sie in das damals neuerrichtete gegenüberliegende Grundstück (Rentzsch) und dann, als der Ge schäftsumfang immer größer wurde, am 1. Oktober 1905 in das zu dieser Zeit von der Firma I. W. Roth AG. neu er baute große Postgebäude über, das jetzt Eigentum der Reichs post selbst ist. — Go stehen noch heute die drei steinernen Zeu gen heimischer Postgeschichte der ehemaligen Postämter dritter, zweiter und erster Klasse getreulich beieinander (Seite 134). Seit 1836 wurden die Postsachen mit der Fahrpost, die täglich zweimal von und nach Löbau verkehrte, befördert. Als dann Neugersdorf am 1. November 1874 Eisenbahnanschluß erhalten hatte, gelaugten die Postsachen, wie auch heule noch, durch Bahnposten hierher. Sie werden neuerdings noch durch Kvaftpostbeförderungen derartig glücklich ergänzt, daß der Zn- nnd Abgang aller Postsendungen fast dauernd Tag und Nacht im Fluß bleibt (z. Zt. 20 Postoerbindungen täglich). Die ankommenden Sendungen wurden seit 1874 durch zwei Boten zugestellt. Die Zahl der Zusteller nahm — abgesehen von den Rückschlägen des ^Weltkrieges — dauernd zu. Heute wird das Ortsgebiet von insgesamt 14 Zustellern begangen und mit Kraftwagen befahren und zwar von 10 Brief-, 2 Geld- und 2 Paketzustellcrn. Auch von der Abholung wurde schon frühzeitig Gebrauch gemacht. 1874 waren es vier Firmen, heute sind es weit über 100. Seit 1911 besitzt das Postamt auch eine Schließfacheinrichtung. Zu gedenken wäre hier noch des lebhaf ten Schalteroerkehrs als Brief-, Paket- und Geldannahme und auch als Nentenzahlstelle; ist doch die Befördcrnngsanstalt der Post zugleich auch die größte Bankanstalt der Welt überhaupt. Ebenso darf der umfangreiche Zcitungsdienst nicht unerwähnt bleiben; denn damit erfüllt die Reichspost gegen ganz geringe Vergütung eine Kulturaufgabe von allergrößter Bedeutung. Im Jahre 1866 wurde unser Ort an das Telegraphen netz angeschlossen. Die erste Leitung ging nach Dresden. Heute arbeitet die Telegraphie mit Klopfer, Summer, Hughes, Springschreiber und Funkbetrieb. Die Stadtfernsprecheinrichtung wurde 1888 mit 13 Teil nehmern eröffnet, heute sind es weit über 1000 Hauptanschlüsse; denn an Neugersdorf sind auch Ebersbach, Eibau, Walddorf, Leutersdorf, Seifhennersdorf und teilweise auch Oberoderwitz