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halt und Gewerbe zu decken. Erstaunlich war früher die Zahl der Kürschner. Heute haben sich die Verhältnisse grundstürzend geändert. Die Industrie siedelte sich an und verschlang so manches Kleingewerbe. So ist in den letzten Jahren zu dem kleinbürgerlichen Leben die Unrast und die Geschäftigkeit des 20. Jahrhunderts hinzugekommen, aber auch alter Zauber geschwunden. Etwas abseits vom Marktplatze, aber unstreitig im Mittelpunkt der Stadtanlage thront über dem Bilde die katholische Kirche. Übersieht man die edlen Bauformen und die romanischen Reste, so steht man voll Bewunderung vor dem Opfersinn früherer Zeiten. Ein lebendiges Wahr zeichen, ein Symbol des kirchlichen Geistes seiner Einwoh ner. Schon die Bauart verrät, daß das Gotteshaus zu den ältesten Bollwerken des Christentums in der Ober lausitz gehört. Um die Kirche breitet sich der Kirchhof aus, dessen Grabsteine von so manch hervorragendem Mitglieds der Stadtgemeinde berichten. Wahrlich, Kirche und Stadt vermählen sich zu einer sinnvollen Einheit und Geschlossen heit, die man nicht gleich wiederfindet. Nach der Görlitzer Straße zu erhebt sich die evange- Lsche Kirche aus den Häusern, die erst in neuerer Zeit dort entstanden sind. Ein Rotziegelbau, der nicht so recht in die Traulichkeit sich einfügen will, dessen Farben zu aufdring lich dem Auge scheinen. Hier könnte Ludwig Richter Mo tive gesammelt haben, so typisch sind diese Eindrücke. So mancher Ostritzer ist im späteren Leben berühmt geworden. Erinnert sei nur an den verstorbenen Dresdner Hofkapellmeister Edmund Kretschmer, an den berühmten Maler Franz Gareis, der im nahen Altstadt seine Ge burtsstätte hat und dessen Meisterwerk heute die Pfarr kirche von Seitendorf schmückt. Groß ist die Zahl der Geist lichen und Schulmänner, die im Sachsenlande zu Ansehen gekommen sind, die so eine alte Tradition dem ganzen Lande nutzbar machten. Lum Aulrair „usiaie tu Oer ovrnaurtir" Seite 70 Anmerkung: Der vorstehend geschilderte Brauch des Todaus treibens, Sommersingens und wie man ihn sonst noch bezeichnen mag, scheint aus der Süd lausitz verschwunden zu sein, wenn er je einmal hier geübt wurde, wenigstens, soweit der Sonntag Lätare in Betracht kommt. In der Zittauer Gegend ist dagegen das Gründonnerstagsingen im Schwünge, wie es unser ver storbener Heimatdichter Wilhelm Friedrich in seinem „Gründornschtgjongn" festgehalten und der Nachwelt über liefert hat. In den nordöstlichen Gebieten Sachsens und der schlesischen Oberlausitz, im Osten noch über diese hinaus, z. B. in der Gegend von Haynau, dürfte das Lätaresingen heute noch gebräuchlich sein, wenn nicht behördliche Ver bote ein Veto eingelegt haben. Buchbesprechungen Karl Lucas: BolkSpflauzen. (Heft 4 der Reihe: Säch sisches Volkstum. Leipzig, Friedrich Brandstetter, 1929. Mk. 2,50.) Diese volkskundlichen Streifzüge durch die Pflanzen welt Sachsens werden nicht nur den Beifall Les Volks kundlers finden, sondern auch den des Botanikers und jedes Naturfreundes, der die Kinder Floras nicht nur mit den Augen des Systematikers ansteht. Hier sind von einer Anzahl von Pflanzen, die sich in der Nähe menschlicher Siedelungen häufig finden, alle volkstümlichen Anschau ungen und Bräuche zusammengetragen worden, die sich an sie knüpfen. In reichem Maße sind auch die volkstümlichen Namen sowie alle Volksdichtungen herangezogen worden, um die Stellung der betreffenden Pflanzen im Volks bewußtsein und Volksgemüt zu kennzeichnen. Der uralte Heilbrauch, die Pflanze in der Volksmedizin, steht natür lich im Vordergrund der Betrachtung, dabei wäre die Heranziehung von Hovorka und Kronselb „Vergleichende Volksmedizin" wünschenswert. Das Büchlein ist aber voller anregender Hinweise auf allerlei alte Kulturbeziehungen und wert, daß es vor allen auch in die Hände der Lehrer kommt, die ihren naturkundlichen Unterricht durch solche Erkenntnisse anziehend gestalten können. Dr. Curt Müller-Löbau. Emil Hadina und Wilhelm Müller-Rüdersdorf: Grotzböhmerland. (Leipzig, Friedrich Brandstetter, 1923. Gebunden Mk. 5,50.) Uns Oberlausitzern geht das Schicksal unsers südlichen Nachbarlandes und seines starken deutschen Bevölkerungs teiles besonders nahe, leben doch in uns noch manche ge schichtliche Erinnerungen an den einstigen politischen Zu sammenhang mit dem böhmischen Königreich. Und wir fühlen bei den vielfachen Grenzbeziehungen, daß drüben ein deutscher Stamm um sein völkisches Dasein ringt, der in Sprache, Sitte und Brauch unserm Grenzstamm eng verwandt ist. Wir haben allen Anlaß, uns um das böh mische Rand- und Sudetenöeutschtum zu kümmern und in seine Verhältnisse einzufühlen. Das uns vorliegende in haltreiche Heimatbuch für Deutschböhmen, Nordmähren und das südöstliche Schlesien kann uns ein verständnisvoller Führer zu diesen Deutschen werden, die, an der Außen seite des deutschen Volksbodens wohnend, der slawischen Sturmflut seit Jahrhunderten ausgesetzt sind. Die Heraus geber, beste Kenner des Böhmerlanües, haben mit Fleiß und umfassender Kenntnis alle möglichen Aufsätze, Schilde rungen und Gedichte, auch Proben der Mundarten und Volksüberlieferungen zusammengetragen, um ein vielseiti ges Bild der so naturschönen und wechselvollen Nandland- schaften Böhmens und ihres bodenständigen Volkstums zu geben. Das ist trefflich gelungen und jedem Wanderer, der zu unser» deutschen Brüdern hinüberpilgert, damit der Weg zum tieferen Verständnis des Suöetendeutschtums ge bahnt. Es begegnen uns in diesem anregenden Heimat buche viele Namen von allgemein gutem Klang, deren Träger das Deutschböhmerland ihre Heimat nennen: Adal bert Stifter, Hans Watzlik, Robert Hohlbaum, Anton Ohorn u. a. Auch Emil Hadina selbst gehört ja zu den geistigen Führern seines Heimatlandes. Dieses Buch ist auch in die Hände derer zu wünschen, die gedanken- und kenntnislos den tschechoslowakischen Staat als „Tschechei" ansprechen und den starken deutschen Anteil an diesem Nationalitätenstaat dabei völlig übersehen und verleugnen. Dr. Curt M üll er-Löbau. Joachim Barscher. Zu dem in voriger Nummer unter dieser Überschrift gebrachten Aufsatz schreibt uns ein Görlitzer Leser folgendes: Der Name dieses Botanikers, latinisiert öur86kus, ist in mehreren lateinischen Pflanzennamen erhallen; so gibt es eine Anemone Luroeri und eine Saxikrags Lur86risn3. Die geehrten Leser machen wir darauf aufmerksam, daß der heutigen Ausgabe der „Oberlausitzer Heimatzeitung" Prospekte zweier empfehlenswerter Werke beigefügt sind. Es handelt sich um Rudolf Gärtners in unserer Zeitung bereits besprochenes Buch: „Bumbhutt, dr äbrlaufitzer Hexnmeestr" und um den 13. Band von Dürers Samm lung deutscher Sagen: „Sagen aus der Lausitz" von A. Kratzer und F. Popelka; auch die letzteren sind bereits in der OHZ. gewertet worden. Wir empfehlen die Prospekte den Lesern zur gefälligen Durchsicht. Sie MWMitA M vle MMM voll WsW. 3u beziehen durch unfern Verlag sowie jede Buchhandlung. Preis -chO NM.