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bis auf den obersten Boden, ohne jedoch wesentlichen Scha den anzurichten. In dem benachbarten Schmvchtitz wurde eiu Bauer, der zufällig in ein Haus trat, wo eben mehrere Plünderer in voller Tätigkeit waren, auf der Stelle niedergeschossen. Wie dankbar waren wir, hier kein so trauriges Exempel erleben zu müssen, wozu es an Gelegenheit nicht fehlte. Gegen Abend kam eiu starkes Kommando Italiener, denen in der größten Eile eine Lieferung von Brot, Bier, Käse und Heu verabfolgt werden mußte, die sie unter vie len Drohungen erpreßten. Mit bangen Ahnungen blickten wir der Zukunft entgegen und leider sahen wir dieselben den 12. Sept, nur all zu sehr gerechtfertigt. Schon mor gens nm 5 Uhr drangen mehr als 100 bewaffnete Train- Knechte in das Bäckerhaus vou Bruder Sommer ein, zer trümmerten die Türen, bemächtigten sich des vorrätigen Brotes und hieben Schränke, Laden und mehrere Sachen mit wildem Ungestüm auf. Was sie au Geld, Butter, Mehl uud anderen Dingen in der Geschwindigkeit Mitnehmen konnten, raubten sie! das andere suchten sie ans die nieder trächtigste Weise zu verderben. Sie machten noch in anderen Häusern ähnliche Versuche, besonders im Gemeinlogis, wo man nur mit äußerster Anstrengung das Erbrechen des Kellers verhindern konnte, sie wurden aber von 3 Husaren, die soeben ankamen und unfern Sanvegardisten unterstütz ten, mit Gewalt vertrieben, ehe sie noch größeren Schaden anrichten konnten. Der Sauvegardist, der uns die ganze Zeit seines Aufenthaltes hindurch die ersprießlichsten Dinge geleistet hatte, mußte sich auch nun schleunigst zurückziehen, da die in der Nähe des Ortes gelegenen Franzosen sich sämtlich über den Kreuzberg entfernten und die Kosaken ihnen auf dem Fuß nachfolgteu. Diese sammelten sich nun in großer Anzahl auf den hinter unserm Gottesacker liegenden Viehweiden bei der Wiwalze und da sich die Franzosen auf dem Krenzberge einige Zeit hielten, auch Kanonen ausführten, um ihren Nachtrab zu decken, so wurde stark geplänkelt und ge schossen, ohne daß jedoch aus beiden Seiten jemand ge blieben wäre. Desto nachteiliger wirkte aber die Nähe der herumschweifenden Kosaken auf unseren Ort. Unaufhörlich ritten sie, teils einzeln, teils in größeren Gesellschaften in den Ort hinein nnd suchten ihre mannigfachen Bedürfnisse und Wünsche — anfangs ziemlich bescheiden, aber mit jeder Stunde zudringlicher und gewaltiger — zu befriedigen. Wiewohl man sich in allen Häusern mit Brot, Brannt wein und Bier versehen hatte, nnd ihnen bercitwilligst gab, stürmten sie doch mit fürchterlichem Toben au die Türen nnd erzwangen durch Einschlagen der Fenster — nnd Ver suche, die Schlösser aufzubrechen —, daß ihnen mehrere ge öffnet werden mußten, um noch größerem Unglück vorzu beugen. So kamen sie z. B. ins Witwenhaus und ranbten Wäsche und andere Sachen, die sie leicht fvrtbringen konn ten. Am übelsten ging es im Brüderhaus zu, wo sie mehre ren Brüdern die Kleider ansrissen, sie bis aufs Hemd durch suchten, Pistolen auf die Brust setzten und Mitnahmen, was ihnen anstand. Zum Glück kam in den gefährlichsten Augen blicken ein Offizier, der sie wenigstens auf einige Zeit ver jagte, und einen, der durchaus von Bruder Burkhardt eine Uhr verlangte, mit schrecklichen Knutenhieben entfernte. Dennoch war aber der durch ihre Naubsucht, besonders in der Gerberei, veranlaßte Verlust ziemlich bedeutend. Wir dankten aber bet allen Angst- und Schreckens-Scenen Gott mit gerührter Seele dafür, daß eine allgemeine Plünde rung, welche wir schon zu besorgen anfingen, noch glück lich vermieden wurde. Sobald man nämlich vernommen hatte, daß Bautzen von preußischen Truppen besetzt sei, schrieb Bruder Herbst an den Proto-Nvtar Rietschier da selbst, nnd dieser edle Freund brachte es durch seine tätige Verwendung dahin, daß wir schon nachmittags gegen 8 Uhr eine Sauvegarde von 5 Mann von dem litauischen freiwilligen Uhlanen-Regiment hierher bekamen. Etwa zwei Stunden früher waren einige Mann Preußen eingetroffen, die Brot, Butter, Bier, Wein usw. verlangten, und so heftig sie auch anfangs schienen, sich doch bald besänftigten und in ihren Forderungen sehr bedeutend herabstimmen ließen. Diese waren uns schon während ihres Aufenthaltes nützlich, indem ihre Gegenwart die einzelnen Plünderer iu Schranken hielt, welche sich nach der Ankunft der Salve gardisten ganz zu verlieren anfingen, so daß wir eine über alle Erwarten ruhige Nacht hatten. Wir erkannten dies nm so Mehr als eine unschätzbare Wohltat, da unsre lieben Nachbarn fortdauernd unbeschreib lich zu leiden hatten. Mehrere derselben sahen sich genötigt, ihre Wohnungen ganz zu verlassen und bei uns mit den wenigen Überresten ihres Eigentums Zuflucht zu suchen. — Das innigste Mitleiden regte sich besonders auch, da gegen Abend der Herr Kammerherr vou Poleuz zu uns herüber kam, nachdem er mit seiner Familie selbst noch ans dein Wege vou wütendem Raubgesindel verfolgt, den augen scheinlichsten Gefahren persönlicher Mißhandlung auSgeßetzt gewesen war. In dessen Hause waren Türen, Kommoden und andere Behältnisse erbrochen und durchwühlt, die Bet ten ausgeschnitten worden und an Geld, Wüsche, Kleidungs stücken und Pretiosen sehr namhafte Verluste veranlaßt worden. Wie wohl tat es uns, nach solchen Greuel-Seenen den 13. Sept, so ziemlich ruhig vergehen zu scheu. In der Gegend von Bischofswerda hörte man eine ziemlich lebhafte Kanonade nnd vernahm späterhin, daß sich die Franzosen nach derselben bis zu dieser Stadt, 2 Meilen von hier, zurückgezogen hatten. Vormittag kam ein Detache ment von etwa 40 Mann Schweden in die Nähe unseres Ortes — auf der svgeuannten Berliuer Straße vorbei. Abends gegen 0 Nhr ging ein Schreiben des als Gene ral-Adjutant bei dem Herzog von Sacken stehenden Herrn von Heu-Hausen, der mit diesem die Avant-Garde der Armeen kommandierendem General so eben in Bantzen angekommen war, bei uns ein, in welchem er sich erbot, sich im Fall wir keine Sauvegarde hätten dafür zu ver wenden, daß wir eine bekämen. Da wir nun vernahmen, daß es mit dem Aufenthalt der nnsrigen Sauvegardisten, deren Regiment bereits vorgerückt war, sehr ungewiß wäre, so begaben sich den 14. Sept, die Brüder von Forestier und Herb st nach Bautzen, nm desfalls so wie über einige andere die gegenwärtige Lage unseres Ortes betreffende Umstände, mündlich mit ihm zu vesprechen. Dies hatte die Folge, daß uus nachmittags noch 3 Mann Russen als Sauvegarde her aus geschickt wurde», die uns bei Abwendung mehrerer von ihren Landsleuten gemachten Requisitionen durch ihre Sprache sehr wesentliche Dienste leisteten. Dadurch genossen wir eine so erwünschte Ruhe, daß wieder eine Versamm lung gehalten werden konnte. Leider mußten die Russen den 18. Sept, wieder weg, indem das Corps des Gene ral von Sacken, zu dem sie gehörten, vorwärts, in die Gegend von Kamenz aufzubrechen, Befehl erhalten hatte. Dagegen rückte General Blücher in Bautzen ein, und sein Corps bezog ein Lager in der Nähe dieser Stadt, wo durch wir Hoffnung zu schöpfen anfingen, unsere preußische Sauvegarde noch länger behalten zu können. Diese kam inzwischen am 16. Sept, in nicht geringe Verlegenheit, da ein De- taschement von etwa 30 russische« Dragonern in den Hof des Gemein-Logis eindrang, ohne auf die dagegen gemach ten Vorstellungen im geringsten zu achten und einen sehr bedeutenden Teil des daselbst befindlichen Heu-Vorrates ge waltsam sortsührten. Dies gab Veranlassung, daß sich Bru der Herbst abermals nach Bautzen begab, um womög lich für die Sauvegarde eine Instruktion und Vollmacht zu erlangen, die ihr in ähnlichen Fällen Richtschnur und Be- gläubigung sein könnte. Er wartete dem Cvmmanöanten der Stadt Herrn von Dorville nnd dem Chef des Gene-