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trotzt. Gar bald erscheinen dann auch die Blüten, die in ihrer äußeren Form den Heckenrosen ähneln. In der Wild nis fallen sie nicht weiter auf,' denn ihr schmutziges Gelb grün zeichnet sich nur unwesentlich von der Farbe der Blät ter ab. Die fünfzipfelige Blütenkrone umschließt eine große Zahl unscheinbarer Staubgefäße, an deren Stelle nach dem Abblühen der Blume die langgeschweiften, blasigen Frucht körper hängen. Die gärtnerische Kunst hat auch von der Nieswurz schöne Kreuzungen gezüchtet, die in Ziergärten und bisweilen sogar als Ztmmertopfpflanzen schon Ver breitung gefunden haben. Verschiedene Spielarten mit leuchtend weißen Blüten tauchen neben solchen mit blaß roten, purpurnen und schokoladenbraunen auf. Feine Farb äderungen und -sprenkelungen in den ttefgrünen Blüten blättern verleihen ihnen eine besondere Anmut. — Der eigentümliche Lebensablauf der Christwurz, die mit den ersten Schneeflocken zu sprossen anfängt und verwelkt, wenn die Frühjahrssvnne die letzten Eiskrusten zertaut, bestätigt die Vermutung, daß die Unterfamilie Helleborus in der umfangreichen Verwandtschaft der Hahnenfuß gewächse vielleicht ein Überrest einer eiszeitlichen Erd geschichtsepoche ist, die vor Jahrtausenden auch Mitteleuropa mit gewaltigen Gletschermassen bedeckte. In den Alpen und ihren Vorländern ist die Christrose noch weit verbreitet. In unserer Heimat gehört sie zu den seltenen Pflanzen, die besonderen Schutzes bedürfen. — Es darf nicht weiter wunder nehmen, daß das Volk Sagen und Wundermüren um diese Blume geschlungen hat' denn sie gibt durch ihre außergewöhnliche Blütezeit selbst die Veranlassung, daß ihr besonderes Interesse gewidmet wird. Zu gern stellt man in manchen Alpendörfern ein Sträußchen Christrosen auf den Weihnachtstisch und erblickt in dem wunderschönen Geschöpf die versinnbildlichte Allgegenwärtigkeit des Hei landes. Nicht nur Glück, svndern auch Gesundheit bringt dje Pflanze in hohem Maße. Tatsächlich dienen Teile des an sich giftigen Krautes der Medizin und den Naturheil- kunüigen. Der Wurzelsaft der Nieswurz galt im Mittel- alter als Abwehrmittel der Pestilenz. Die damals „weit beschreiten" Quacksalber und Wunderdoktoren brauten aus den krautigen Teilen ein Elixier gegen Gespenster. Noch his in unsere Tage wird das Wurzelwerk in getrocknetem Zustande zu seinem Pulver gestoßen und als Reizmittel dem Schnupftabak beigemengt. Allerdings hat zur Her stellung des Nießpulvers und sog. „Schneebergers" mehr und mehr der weiße Germer, die weiße Nieswurz (Vera- trum albnm) Verwendung gefunden. Es klopft an! Volkskundliches im Advent Von Max Zeibig „Macht Hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!" so schallt es jetzt in Stadt und Land, ein selig-begeistertes Singen, ein Brausen aus den vollen Registern der Orgel, ein Lied, ganz wie in alter Zeit, nur Satz man damals, etwa um 1600, nach Georg Meissel die Worte so nahm: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, die Zweiglein der Gottseligkeit steckt ans mit Andacht, Lust und Freud!" Von dieser schönen Ermunterung hat das Volk mancherlei bis auf den heutigen Tag erhalten, so den Audreaszweig, der am 30. November gebrochen wird, den Barbarazweig, den man am 4. Dezember schneidet und ins Wasser stellt, damit er am Heiligen Abend blühe. In Kärnten ist es der Lucientagszweig vom 15. Dezember, ein Kirschbaumzweig, den man in nassen Sand stecken muß. Aufblühende Zweige alle, die aufblühende Freude bedeuten, die zugleich die tiefe Ahnung bestätigen, daß alle deutschen Weihnachtsbräuche innig verbunden sind mit germanischem Denken und Füh len) denn schon nach der Urstellung des Winterackers be gann den Germanen die heilige Zeit Gottes vielfach sym bolisiert in den perlenschimmernüen Mistelzweigen, die, von der Decke herabhängend, Licht in dunkle Räume trugen, bis das vorher verloschene Herdfeuer, selbst Symbol der herz wärmenden Hausheiligkeit, an den reinen Flammen des Wintersvnnwendfeuers entzündet würde, damit es mit sei nem Lichtglanz und mit seiner Wärme neues Leben wecke. Solch tiefer Sinn offenbart sich auch in der Nieder schrift der Abresama Santa Clara: „Wie Gottes Sohn ge boren ward, da haben sich sehr viel Wunderdinge zugetra gen. Der ziemlich tiefe Schnee ist in selbiger Gegend augen blicklich verschwunden, und erschienen die Bäume mit Blü ten und Blättern, die Erde aber mit den schönsten Blumen bekleidet und gleichsam geschmückt." Eine andere Sage ver kündet, daß nm die Weihnachtszeit das Christkind auf Erden wandelt. Und wenn es wo einen Dornenbusch streift, dann blüht er voller Rosen. Christrosen nennt man sie. Die bringen Segen ins Haus und heilen viele Krankheiten. Wir wissen ja auch, daß die Nießwurz (Helleborus) bis in die Weihnachtszeit hinein und darüber hinaus blüht, selbst unter Schnee und Eis. Wunderzeit, die voll von Wundern ist! Nicht dem kal ten, rechnendem Verstand, aber naiven Menschen, die sich Herz und Sinn in der Brust bewahren, und vor allem den Kindern! Denen klopfen sie an, der St. Nikolaus in Süd deutschland, der „Bischof der Kinderfreude", der mancher orts noch mit Sack und Krummstab durch die winterlichen Gassen geht. Ruprecht heißt der gute Mann in Mittel deutschland, der Ruhmprangende (von Hroudperacht!) ist es, lärmend, polternd, böse tuend, aber doch am Ende gemüt lich brummend und gutmütig schmunzelnd kommt er daher, wie sein Bruder, der Pelzmärtel in Nordöcutschland. Wo- dars oder Donars Wesen geht in ihnen nm, so flüstern unsre Ahnen. Götter verbergen sich in den vermummten Gestalten, die in aller Derbheit heilige Vorboten des Gotteskindes sind. Im Norden, in Schlesien, in der Wen det geistert auch noch der Schtmmelreiter durch Abend und Nacht, daß der Schnee hinter ihm stäubt und glitzernde Funken noch in die Stuben springen, in die er einbricht, wie Wasser und Strahl, um den spinnenden Mädchen den Faden aus den Händen zu reißen. So wird das Christkind nicht immer sanft angemeldet. Feierlicher geschieht es schon in den vorweihnachtlichen Umgängen, Szenen und Spielen, die als Brauch zumeist, wie Lieder, Bilder und Krippen, vom Süden her zu uns gekommen sind. Da berichtet ein Spielmeister, ein alter Bauer aus Oberufer bei Preßburg: „Wenn die mehrste Arbeit im Herbst zu Ende geht, da kommen die Alten zu mir und sagen, es wäre jetzt wieder die Zeit, solltet doch wieder schau», ob ihr nicht ein Spiel znsammenbrächtet. Schaden könnte den Burschen nicht, wenn sie sich wieder einmal ein bißchen in der Schrift befleißigen möchten und für uns die heiligen Gesänge einübten. Was sie in der Schule gelernt haben, haben sie eh vergessen. Da schau ich mich um, und wenn es sich trifft, daß accurat die richtigen Burschen vorhanden sind, da ruf ich sie halt zu mir." Hir tenszenen mit gutem Volkshumor und Engelbotschaften bilden dann den Gegenstand der Spiele. Da beginnt solch ein darstellendes Zwiegespräch: Gallus: Stuhl, gib Obacht, 's hat gcglatteist! Witok: Ei dumper Dämmerung! Es regnet, deß vlls taschlt. Mei Bart is starr voll Eis. Gallus: Stichl, steh auf, der Himmel kracht scho! Witok: Ei, laß'» nur krach«, er is scho alt genua drzü. Mancherorts arteten die Spiele, die in der Lausitz noch als Christkindspiele und Christkindelhaschen leben, aus und wurden, wie so mancher schöne derb-humorige Volksbrauch,