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Zm Park von Muskau Von Max Zeibig, Bautzen „Gräber sind die Bergspitzen einer fernen, schöneren Welt." Dieser Spruch aus dem Koran ging in leuchtenden Goldbuchstaben auf, als man in F n r st Herman n P ück' ler einen Mann zur Gruft trug, der wie selten ein Mensch diese Welt als schöne Welt gesehen, empfunden und gelebt hatte. Am Ä). Oktober 1785 als Sohn eines schlichten, etwas behäbigen Landedelmannes in Muskau geboren, von der Mutter französischer Abstammung nicht allzusehr betreut, bei den Herrnhutern in Uhyst versuchsweise erzogen, war er mit 15 Jahren schon zur Universität nach Leipzig ge kommen. Diese Stadt erkannte er mit ihrem fröhlichen Leben bald als das „Klein-Paris", das seine Leute bildet, und als er dann in Dresden ein schöner, eleganter, aber ebenso abenteuerlich milder Gardereiter wurde, war der Auftakt zu einem Leben vollendet, das den jungen Grafen in die Welt, nach der Schweiz, nach Frankreich und Italien führte. Von solchen Reisen kaum heimgekehrt, trieb ihn das Fernweh wieder und weiter hinaus nach dem Orient, nach Algier, Aegypten, Malta nnd Palästina. Von diesen Fahrten brachte er die Art des Weltmannes großen Stiles mit. Eine Fülle fremdländischer Kunstschätze und Erinnerungsstücke gestattete ihm, sich daheim wieder eine ganz eigene Welt zu schaffen. Bemerkenswert bleibt dabei, welch herzliches Verhältnis ihn mit den Einwohnern, Handwerkern, Beamten und Ackerbürgern der schon da mals wirklich hübschen, anmutigen, leicht geruhsamen Stadt verband. Immer hatten sie etwas zu bewundern, kehrte ihr Graf, der 1821 iu den Fürsteilstand erhoben worden war, von solchen Reisen zurück. Einmal herrliche arabische Pferde. Und einmal ein seltsam fremdartiges Kind, Machhuba, eine Sklavenwaise, die Pückler in Aegypten gekauft hatte. Aber dieser deutsche Norden war ihrem Herzen fremd und kalt, seine Sonne zu kühl und blaß, und so starb und verdarb sie, wie eine fremdländische Blume, betrauert von der Stadt, die ihrer heute noch in redendem Stein gedenkt. Merkwürdig, daß man vom Geschick ihres Bruders Scha- ladur, der mit ihr gekommen war, nichts mehr weiß. So geht eine Geschichte hier zu Ende, die wie ein kleines Märchen klingt. An solche Begebenheiten erinnert man sich bei einem nachdenklichen Besuch des Parkes von Muskau, den eben dieser Fürst Pückler als einen Garten von europäischer Bedeutung geschaffen hat. Bon Kindheit her war ihm eine ursprüngliche Liebe zur Natur eigen. Die vielen Reisen steigerten sie zum Sinn für künstlerische Gestaltung, und mehrfache Aufenthalte in England, dem klassischen Land der Gartenkunst im freien Stil, ließen längst gehegte und tastend begonnene Pläne völlig ausreifen und in der Folge großzügig durchführen. 1814 war die weitausgedehnte Standesherrschaft Mus kau zu Preußen gekommen. Das entzog dem Besitzer man cherlei Gerechtsame und hätte seine Pläne durchkreuzen können, wenn die Bürgerschaft ihn damals nicht verstanden hätte, als er an sie schrieb: „Da ich von nun an entschlossen bin, für mein ganzes künftiges Leben meinen festen Wohn sitz in Muskau zu nehmen, um selbst für die Wohlfahrt meiner guten Bürger und Unterthanen mit väterlicher Ob hut machen zu können, und meine Einkünfte lieber ihnen als fremden Menschen zufließen zu lassen, so zweifle ich nicht, daß jeder Einwohner dieser Stadt es mir gern gön nen wird, bei ernster Beschäftigung eine Lieblingsidee zu befriedigen, deren Ausführung jedem von Ihnen gleich falls zum Vergnügen gereichen muß. Ich meine die Anlage eines Parkes, zu dem ich notwendig, wenn etwas Ganzes daraus entstehen soll, den ganzen Distrikt zwischen der Straße nach Sorau und dem Dorfe Kübeln, der Neiße auf der einen und den Braunsdorfer Feldern auf der anderen Seite eigentümlich besitzen muß . . ." Er macht in den weiteren Ausführungen günstige An gebote und verspricht zum Dank die Brandschäden der Feuersbrunst von 1766 an den monumentalen Gebäuden der Stadt gutzumachen. Die Bürger nahmen das herrschaft liche Angebot bis aus zwei an, und wo zu beiden Seiten der die Stadt durchfließenden Neiße ehedem sandige, aus getrocknete Hügel hineiuführten in den armseligsten Kie fern- und Föhrenmald, oder wo Sumpf und Moor den Boden weithin wertlos machten, dort wurde nun entwäs sert, geschachtet, geschüttet, planiert, gepflanzt. Was viele für unmöglich gehalten und wenige geglaubt hatten, der ideale Sinn, aber auch die zähe, unverdrossene Beharrlich keit Pücklers wurden belohnt. Oft stand er selbst in Wetter und Nässe unter den Arbeitern, oft ging das Geld aus, die Arbeiter zu entlohnen, und es wurde mit Ledergeldstücken, die in Muskau galten, einstweilen bezahlt. Aber die oft von weither herangeschafften und mit vielen Mühen einge pflanzten Bäume wuchsen doch, und es wuchs der Park heran, den der Fürst, solange er konnte, vervollkommnete, und der heute ohne Zweifel an der Spitze aller deutscher Gartenanlagen steht. Was diesen Park groß macht, ist nicht nur seine räum liche Ausdehnung, ist nicht auch nur die als wesentlich er kannte reizvoll glückliche Lage des Geländes, durch das die Neiße fließt und über der sich eine leichte Hügelwelle er hebt; das Große liegt in der Anordnung der Baumgrup pen, in der Verteilung von Licht und Schatten, in der Füh rung der verschlungenen Wege, im Offenlassen von weiten Sichten und in der Natürlichkeit, iu der der Park von sich hinausströmt ins freie offene Land und immer wieder auch zu sich zurückführt. Kein Wunder, daß auf den schönen, oft durch herrlichen Wald wandernden Straßen von Bautzen, Görlitz, Forst, Sorau, Kottbus, Spremberg die schnellen Mittel des Ver kehrs hierherlaufen, um Scharen von Besuchern zur Stadt, die auch als Badeort bekannt und angenehm ist, und zum Park zu führen. Im Herbst ist dieser Park, wie etwa die Bergwälder um die Wartburg in Thüringen, ein buntes Herz. Das leuchtet, flammt und glüht in allen Farben um den pracht vollen, hellrot getünchten deutschen Renaissancebau des Schlosses, das sich heute in Arnimschem Besitz befindet. Man weiß nicht, welche Bäume mau rühmen soll: die hohen Blaufichten, die englischen Tannen, die kleinen Wälder von Hainbuchen, den Eschenahorn, den Silberahorn, den Berg ahorn, die Platanen, die ihre Heimat im Kaukasus haben, oder die amerikanischen Roteichen, die im Herbst so dank bar mit vielen Farben und die so bescheiden in ihren Boden ansprüchen sind, baß sie die armen Heidestraßen hierzulande weithin besäumen, Selbst unter blasser Sonne schimmert diese Welt in Lichtern von Altgold, Bronze, Scharlach, Pur pur und Brokat, und es ist, als hätte der Herbst hier wie ein König aus märchenhaften Landen Rubine, Opale und Saphire mit leichter Hand verstreut und dort Broschen von Bernstein und Korallen lässig hingeworfen. Die weiten Wiesensamte sind von Laub überschüttet. Aber es laufen auch noch kleine schneeweiße Felder von Maßlieb durch das blasse Grün der schönen Flächen. Da führt eine schmiedeeiserne Brücke über ein kleines Wasser. Trauerweiden lassen Gezweig und Blätter darinnen spie len wie aufgelöstes Frauenhaar. Dort gehen zwei Menschen still des Weges. Bald sind sie vom Rahmen der Bäume ein geschlossen. Müde, tote Blätter sinken braun und rot und golden hernieder. Ganz leise ist ihr Fall. Uns ist es, als spiele Pan eine Melodie auf elegischer Flöte. So geht man hin und her in dieser Welt hinsterbenöer Schönheit. Da brennt eine Blutbuche in letzter dunkler Glut. Da prangen Birken festlich und hell. Und die Kasta-