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Lausitz gekommen. Aber dafür ist schließlich den Sechsstäö- ten kein Vorwurf zu machen. Das lag an Siegismunds falscher Politik. Sicher ist aber, daß die Lausitz die Tschechen viel eher vor den Toren ihrer Städte gesehen hätte, wenn sie sie nicht durch jene Feldzüge jahrelang ferngehalten Hätte. Der Hergang der Absendung solcher Heere war fast immer der gleiche: Siegismnnd bat um Hilfe, oder die Nähe Ser Feinde erforderte eine Hilfsmaßnahme von selbst, die Städte kamen auf einen Tag zusammen und berieten, was und wie es zu tun wäre, und dann begann die Ausrüstung. In der Regel galt Löbau als die Stadt, die Scchsstädte- tagungen in ihren Mauern sah, weil es von allen lausitzer Städten aus zentral gelegen war. Doch wurden auch ander wärts solche Tagungen abgehalten. Am 4. Juli 1422 fand eine Zusammenkunft in Kamenz statt. Sie war sogar be sonders stari, insofern nämlich, als sich an ihr nicht nur die übrigen lausitzer Sechsstädte, sondern auch der lausitzer Adel, die Städte der Niederlausitz, der Laudvogt der Nie derlausitz und Vertreter des Meißner Landes beteiligten. Nicht immer galten derartige Tagungen aber der Hus sitengefahr, sondern auch der Gefahr im eigenen Lande. Und das ist ein trübes Kapitel in der heimischen Geschichte. Wenn man denken sollte, daß die ständig drohende Gefahr -es äußeren Feindes notwendig zum Zusammenhalt im Innern zwang, so irrt man. Die allgemeine Unsicherheit benutzten gewissenlose Elemente, die in der Sprache der damaligen Zeit „Placker nnd Räuber" genannt wurden, um im Trüben für sich zu fischen. Es sind jene Stegfreiritter, die ihr Raubwesen gerade in der Lausitz arg trieben. Sie kamen sowohl ans der Niederlausitz als auch aus dem Meißnischen. Unter letzteren hatte die Kamenzer Gegend wegen ihrer nahen Lage an der lausitzisch-meißnischen Grenze, die bet Bischofswerda—Pulsnitz verlief, besonders schwer zu leiden. Su suchte man im April 1422 das An wesen Balzer von Schönfelde in Neukirch bei Kamenz heim. Während die Städte und auch der Adel sofort zu Hilfe eil ten, kam man in Bischofswerda zusammen, um die Sache zu beraten. Die Kamenzer beteiligten sich an diesen Be ratungen. Schon im nächsten Jahre aber drohten von Mei ßen her neue Gefahren. Deswegen fanden Beratungen in Kamenz selbst statt, an denen sich namentlich die Görlitzer stark beteiligten, wie denn überhaupt Görlitz in den Hus sitenkriegen immer die lebhafteste Initiative gezeigt und § den übrigen Sechsstädten zu Hilfe kam, wo sie nur konnte. Als im Jahre 1425 wieder Meißner Raubritter die Ka menzer und Bischofswerdaer Gegend beunruhigten, waren wiederum auch die Görlitzer zur Stelle. Damals nahmen die Kamenzer drei der Straßenränder gefangen, setzten sie in Kamenz in Haft und entlockten ihnen auf der Folter ein Geständnis. Einer von den Dreien mußte seine Schand taten am Galgen büßen. Das Exempel scheint indessen nur wenig Eindruck gemacht zu haben. Denn noch im selben Jahre kamen die Städte wegen erneuter Plackergefahren in Kamenz, Bautzen und Putzkan zusammen. Daß aber auch in der Kamenzer Gegend selbst Räuber und Placker saßen, beweist der Umstand, daß unter ihnen genannt werden: Niklas von Bloschdorf in Deutschbaselitz, Niklas von Gers- dorff in Schmorkau, Jone von Korbitz in Gottschdorf, so gar Balthasar von Kamenz, ferner jener Balthasar von Schönfeld in Neukirch, Hans von Pannewitz in Uhyst a. T. und andere mehr. Inzwischen gingen die äußeren geschichtlichen Ereignisse ihren Gang. Die Hussiten kamen auf ihren Streifzügen durch Böhmen immer näher an die Grenzen der Oberlausitz heran und bedrohten diese mit immer wachsender Gefahr. Die wachsende Sorge, die Hussiten würden bald in der Oberlausitz selbst erscheinen, drängte die Lausitzer zu ge meinsamer Abwehr. Wieder war Görlitz die treibende Kraft. Die Grausamkeit, mit welcher die Hussiten gegen die Be wohner eroberter Städte vorgingen, machte manche, nament lich schwach geschützte Stadt geneigt, mit den Feinden Frie den zu machen. So hatte Schweidnitz im Jahre 1427 Frie den mit den Hussiten geschlossen. Obgleich diese Handlung von Sen oberlausitzer Städten damals aufs heftigste ver urteilt worden war, liebäugelte bereits im nächsten Jahre ein Teil derselben selbst mit dem Gedanken, und zwar waren es Bautzen, Löbau und Kamenz, die auf einer Ta gung in Löbau im Mai dieses Jahres diesen Punkt zur Aussprache stellten. Görlitz war entschiedener Gegner die ses Ansinnens, wie es denn überhaupt jederzeit bestrebt ge wesen ist, alle Kräfte zu gemeinsamer Abwehr zu vereinen, und es machte ausdrücklich die Westvberlausitz für diese Ab sicht verantwortlich. Hier zeigt sich also ein deutlicher Mei- nungsunterschieö zwischen der Ost- und Westlausitz. Der kommt im gleichen Jahre noch einmal zum Ausdruck. Der Reichstag zu Frankfurt hatte nämlich eine allgemeine Hus sitensteuer ausgeschrieben, die auch die Oberlausitz aufzu bringen hatte. Hier hatte man aber nicht viel Meinung da für, Senn man wies — und das mit Recht — daraufhin, daß die Oberlausitz durch ihre Heerfahrten bereits genug Opfer gebracht hätte. Während nun die Ostoberlausitz die Abliefe rung der Steuer trotz aller Drohungen und Strafen stand haft verweigerte, zahlten die Städte Bautzen, Löbau und Kamenz au die tausend Gulden. Noch deutlicher tritt der Riß zutage, als im gleichen Jahre Löbau in Not vor den Ketzern war. Da wurden Stadt und Land zu Hilfe gerufen. Kamenz scheint aber damals dem Rufe nicht Folge geleistet zu haben, wenigstens geht das aus einer Äußerung des damaligen Laudvogtes hervor, der sich bitter darüber be klagte, daß ihm die Kamenzer auf seine Bitte hin nicht einmal geantwortet Hütten. Als aber im nächsten Jahre die hussitische Not noch drohender wurde, wurde auch der Zusammenhalt enger. Es kam sogar zu einem Bündnis zwischen Schlesien, der Oberlausitz und dem Meißner Lande, wobei man sich gegenseitige Hilfe versprach. Falls die Sechs städte angegriffen werden sollten, wollten sich die Schlesier mit den Meißnern in Görlitz und Bautzen bez. in Laubau und Bischofswerda treffen zu gemeinsamer Gegenwehr. Während aber die westoberlausitzer Städte sich verpflichte ten, den ostoberlausitzer Städten zu helfen, falls diese in Gefahr wären, haben sich diese nicht verpflichtet, jenen im gleichen Falle zu Hilfe zu kommen. Als Treffpunkt für jene war Bautzen in Aussicht genommen, dahin wollten auch die Kamenzer kommen, um sich hier den Niederlau sitzern und Meißnern zuzugesellen. So kam das Jahr 1429 heran, daß für Kamenz ver hängnisvoll werden sollte. Die Hussiten griffen gleichzeitig die Ost- und die Westlausitz an, dort berannten sie Zittau und Görlitz, hier Kamenz und Bautzen. Die Nachrichten über den Angriff der Hussiten auf Kamenz gehen stark aus einander. Die einen meinen, sie wären bereits im Jahre 1428 in der Kamenzer Gegend gewesen, hätten das Kloster Marienstern und die Ponickauschen Güter Elstra und Puls nitz bedroht, doch hätten diese wie auch die Herren von Ka menz durch Geld die Feinde zum Abzug zu bewegen ver mögen. Sicher ist, daß sie im Oktober 1429 das Kloster Marienstern und das dem Kloster gehörige Wittichenau so wie die Dörfer der Kamenzer Pflege schwer heimgesucht haben. Böhnisch gibt an, die Hussiten seien schon am 3. Ok tober vor Kamenz erschienen und hätten es drei Tage laug belagert. Dauach seieu die Landbewohner in die Stadt ge flüchtet nnd die Stadt sei voll von Menschen gewesen. Auf der anderen Seite wiederum hört man, daß die Kamenzer sich noch rechtzeitig geflüchtet Hütten und daß die Hussiten die Stadt leer vorgefunden hätten. Nach jenen brannten am zweiten Tage die Vorstädte und die Häuser am Schloß berg. Der Anführer habe in grimmer Wut geschworen, die Mauern zu erstürmen oder aber von ihnen erschlagen zu werden. Dem wütenden Ansturm hätten die Verteidiger verzweifelte Abwehr entgegengestellt, hätten siedendes Pech und Schwefel auf sie herabgegossen und die die Leitern