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Ae. 2 Gbevlauflhss Hsimatzeitung 28 lassen, und der ja auch sonst unter der Decke des Kirchen glaubens in vielfachen Formen des Aberglaubens und der volkstümlichen Sitte weiterlebt. Zu diesen gehören ja schließlich auch die obenerwähnten Zauberformeln, dazu können wir anch die Bräuche und Reime unter der Kinder welt rechnen, die Entscheidungen gewissermaßen den ge heimnisvollen Mächten einer überirdischen G.eisterwelt überlassen. Da sind die Losbräuchc, die noch bei den Kin dern in Schwung sind, wenn es sich um die Wahl eines Kindes für eine begehrte oder eine unangenehme Spielrolle handelt. Dabei gehen die Kinder meist indirekt vor, indem sie diejenigen Spielgenossen auslosen, die für jenes Amt nicht bestimmt werden sollen. Das übrigbleibende Kind „ist es", das das fragliche Spielamt übernehmen muß. Diese Auslese findet nun durch „Abzählen" oder „Auszählen" unter Anwendung von rhythmisch scharf gegliederten Ret inen statt, die durch allerlei bunten Inhalt an sich schon lustige Wortspiele darstellen. Die Vorliebe für seltsame Eingangsformeln im Auszählreim hat uns zu der An nahme geführt, sie seien den Zauberformeln der alten Hexenmeister verwandt. Einige Beispiele aus der Ober lausitz seien angeführt: 1, 2, 3, und du bist frei. 1, 2, 3, 4, 8, 6, 7, auf der Straße Nummer Sieben wackelt das Haus, drin pfiebt die Maus. Bumbs, Karline, du bist raus. Eene, beene, dunke, funke, rabe, schnabe, dippe, dappe, Käsenappe. Ulle, bulle, roß, opp, opp, aus, und du bist naus. Zu heute unverständlichen Zauberworten sind alte fremde Zahlen geworden, die man einst im Auszählreim anwandte. So zählte der Klosterschüler im Mittelalter ge wiß beim Spielen ab. Unus, duo, tres. Aus diesen lateini schen Zahlworten wurde: Une, Sune, baus, und du bist naus. Ebenso wird man kaum noch französische Zahlen in dem Kauderwelsch einiger Reime erkennen, die offenbar der Zett entstammen, als das Französischzählen zum guten Ton gehörte. Eng, dö, droa, gatter, meine Mutter steht Gevatter, mein Vater geht zu Bier, 1, 2, 3, 4. (Oberlausitz.) Eng, treng, gun, gatter, gat, masia wua matter, gat masia wu, aus bist du. (Leipziger Gegend.) Diese Auszählreime beweisen nicht nur die Vorliebe für seltsame Eingangswörter im Abzählreim, denen man gewiß bei diesen Losformeln magische Kraft zuschrieb- sie zeigen auch das Herabsinken alter Sprachformen zum Kinderbrauch und Fortleben in verstümmelter Form im Kindermund. Auch andere Orakelbräuche haben sich unter der Kinder welt erhalten, die einst wohl unter dem jungen Volk der Liebesleute gang und gäbe waren. Der Zweifel von der Gegenliebe des Geliebten sollte durch Zerzupfen einer Blüte der Gänseblume gehoben werden, indem man bei jedem Blütenblättchen eine Aussage des folgenden Reims sagte: Er liebt mich von Herzen, mit Schmerzen, über alle Maßen, ganz rasend, aufrichtig, klein wenig, garnicht. (Allgemein.) Welches Wort auf das letzte Blättchen fällt, das trifft ein, es ist also im Grunde dasselbe Orakelspiel wie das Knopfabzählen. Ähnlich muß im Mittelalter schon das „Halmmessen" gewesen sein, von dem Walther von der Vogelweide in einem Liede sagt, daß ihn ein Halm glück lich gemacht habe, den er gefragt habe, ob er geliebt würde oder nicht. Auch bei diesem Spiel sagt er, daß er es bei den Kindern gesehen habe. Manche Blüten wurden dazu be nutzt, um die Anzahl der Lebensjahre zu erfahren, ähnlich wie man anch den Kuckucksrnf so ausüeutet. So zerbläst man die verblühten Köpfe des Löwenzahns und deutet die stehengebliebenen Samenträger auf die noch bevorstehende Zahl der Lebensjahre. Sehr interessant ist auch das Kinder orakel mit der Blüte der Wucherblume, deren Kelchblätter man mit folgenden Wörtern ausreißt, um zu erfahren, was man einmal im Leben wird. Dabei ist es auffällig und ein Zeichen der alten Herkunft dieses Orakelreimes, daß er die alten Standesverhältnisse des Mittelalters überliefert und auch die unehrlichen und verachteten Berufe (Bettelmann, Leineweber, Totengräber) nicht vergißt. Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann, Schuster, Schneider, Leineweber, Doktor, Kaufmann, Totengräber. Der alte Schicksalsglaube hatte seine persönliche Aus prägung in den drei Schicksalsfrauen, den Normen, die man sich gern als Spinnerinnen vorstellte, die das Schicksal des Menschen abspannen. Nach altem Volksglauben traten diese „Spinnerinnen" oder „Schicksalswalterinnen" auch an das Bett des neugeborenen Kindes, um dessen Geschick zu be stimmen. Durch ganz Deutschland sind nun Kinderreime verbreitet, die diese Schicksalsfrauen als drei spinnende Jungfrauen andeuten. Das Spinnen ist darin oft auch von den Tätigkeiten des Flechtens, Schnitzelns, Schneidens und Zerreißens begleitet, in den meisten dieser Überlieferungen sind diese Wesen aber in Beziehung gesetzt zum Himmel. Besonders im deutschen Südwesten begegnen diese drei Spinnerinnen in Kinderreiterreimen. Reite, reite, Roß, zu Basel steht ein Schloß, zu Rom steht ein Glockenhaus, da lugen drei Jung frauen raus, die eine spinnet Seide, die andre Weide, die dritte spinnet einen roten Rock, für unseren lieben Herrgott. Bei uns in Sachsen erscheinen die drei Jungfrauen in vielvariierten Auszählreimen. Dreie, sechse, neune, im Garten steht die Scheune, im Hofe steht das Hühnerhaus, da gucken drei goldne Püppchen raus. Die erste spinnet Seide, die zweite schabt die Kreide, die dritte schließt den Himmel auf, da guckt die Mutter Maria raus. Diese Auszählreime sind zurückzuführen auf die wun derlichen Kettengeschichten, zu denen die Reime von den drei Jungfrauen eigentlich mit gehören. Kling, klang, Glöckchen, im Garten stehn zwei Böckchen, im Garten steht ein Hühnerhaus, da gucken drei schöne Mädchen raus. Die erste wickelt de Weide, die zweite wickelt de Seide, die dritte schließt den Himmel auf, läßt ein bißchen Sonne heraus, läßt ein bißchen drinne, daß Mutter Maria kann spinne. (Altenburg.) Kulturreste aus ältester Zett enthalten besonders auch die Spielreime der Kindsrwelt, vor allem, wenn diese Spiele in Form von Tänzen in uraltem Schreitrhythmus, also als Reigen, auftreten, kann man in ihnen die Nach klänge der alten Schreittänze sehen, die noch im Mittel- alter bet festlichen Gelegenheiten im Schwang waren bei den jugendlichen Erwachsenen und die die Kinderwelt nach ahmend übernahm. Die Ringelreihen dieser Art sind ur altes, und ihre Bewegungen und Spielformen wie der In halt der Begleitliedchen deuten auf älteste Erscheinungen, die uns sonst ganz verloren gegangen sind und die wir sonst nur aus Andeutungen des ältesten Schrifttums er schließen können. So liegt es sehr nahe, in manchen Spielen und Spielreimen Reste der alten heidnischen Frühlings tänze zu vermuten oder gar Opfertänze und dargestellte Szenen aus der alten Göttersage oder Bräuche des niederen Volksglaubens. Guten Gewissens kann man z. B. der Deu tung des alten Spielreims „Bauer, Bauer, Kessel!" durch Rudolf Hildebrandt zustimmen Dieser berühmte Deutsch-