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blieb vor Schrecken wie gelähmt stehen. Er wollte um Hilfe rufen, brachte aber keinen Ton heraus. Da besann er sich auf die Erzählung seiner Großmutter, die von den feurigen Männern bei der Linde gesprochen und ihm geraten hatte, er solle, falls ihm die Gespenster einmal erscheinen, die heilige Dreifaltigkeit anrufen, wenn er kein Kreuz bei sich hätte. Ein Kreuz hatte er nicht. Da erhob er die Hand und schlug ein Kreuz, indem er dabei sagte: „Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, sind es gute oder böse Geister?" Kaum hatte er fertig gesprochen und das Kreuzeszeichen vollendet, verschwanden die feurigen Männer. Der Mann atmete auf, blieb aber noch eine ganze Weile stehen, um zu sehen, ob die Erscheinung wieder käme. Der Angstschweiß lief ihm noch von der Stirne. Erst allmäh lich kam die Ruhe wieder. Langsam entfernte er sich von der Stelle nach Hause zu, sich dabei fortwährend umblickend. Aber er hörte und sah nichts mehr von dem Spuk. Bor Aufregung vergaß er daheim das Ausziehen und legte sich so, wie er war, § auf das Bett. Immer wieder sah er die schrecklichen Männer vor sich. Am Morgen erzählte er sein Erlebnis. Es sind dar nach mehrmals furchtlose Männer um Mitternacht zur großen Linde gegangen. Aber keiner hat die feurigen Gestalten erblickt. Der feurige Drache Es gibt mehrere sagenhafte Erzählungen vom feurigen Drachen, der sich in früheren Zeiten in Schirgiswalde und Umgebung gezeigt haben soll. Einige davon lauten: Im Oberdorfe lebte ein armer Holzhacker, der sich müh sam durch's Leben schlug. Jedes Jahr wuchs seine Familie um ein Kind, so daß der kleine Tisch nicht mehr zureichte, um alle auf einmal daran essen zu lassen. Denn die Hütte war klein, und den größten Raum nahm der alte Webstuhl in Anspruch. Der Vater ging in den Wald, und die Mutter webte bis in die späte Nacht. Die Kinder waren alle kränklich, besonders die beiden ältesten. Der größte Sohn hatte verkrüppelte Hände, die älteste Tochter war „im Kopf nicht richtig", so daß diese beiden den Eltern keine Hilfe brachten, fondern mehr Pflege beanspruchten wie die kleinen Geschwister. Dreizehn Kinder hatten sie nun und nichts zu essen. Der Tisch war an der Wand angebracht, und wenn gegessen werden sollte, mußte man ihn herunterklappen. Einst klagte der Vater draußen im Walde ganz allein für sich dem lieben Gott seine Not. Das vierzehnte Kind war unterwegs. Mutlos ging er am Abend heim. Da begegnete ihm ein Männlein. Dem bot er nicht, wie er es sonst tat, einen „guten Abend", denn er ließ den Kopf gar tief hängen. „He da, warum bist du so traurig?" „Ach," seufzte der Hslz- Hacker, „ich habe keine Freude. Wir sind jetzt fünfzehn Menschen zum Essen um den Tisch, und es langt kaum für viere." Und nun klagte er seine Not. Das Männlein hörte still darauf, was der Mann erzählte. Als der Holzhacker geendet hatte, sprach es: „Höre einmal. Deine zwei elenden Kinder. Weißt du, warum sie solche Krüppel sind?" Der Holzhacker schüttelte traurig mit dem Kopfe. „Das liegt daran", fuhr das Männ lein fort, „daß deine Eltern den feurigen Drachen in dem Hause schlecht behandelt und ihn verspottet haben. Wer das tut, dem bringt er Unglück oder seinen Nachkommen." Der Holz hacker besann sich. Ja, das Männlein hatte Recht. Sein Vater hatte ihm einmal von dem Drachen erzählt, wie er ihn verlacht und ihm eine leere Schüssel auf den Tisch gestellt habe. „Ja," sagte er, „Was kann ich dafür. „Wie soll ich das ändern?" „Das kannst du schon," meinte das Männlein. „Geh nur jetzt heim. Du hast dem Herrgott deine Not geklagt. Ich habe es gehört. Latz deine Frau ein gutes Essen machen und gib es dem Drachen. Rufe nur dreimal: „Schälle, schütte, schütte!" Dann kommt der Drache. Er legt dir dafür Geld hin. Du kannst den Drachen so lange füttern, bis du genug Geld hast." Der Holzhacker wollte dem Männlein gerade sagen: „Wo soll ich das Esten hernehmen? Wir haben doch kein gutes Essen." Aber als er den Kopf, den er bisher traurig gesenkt hielt, aufhob, war das Männlein verschwu.-den. Dann rannte er rasch nach Hause. Es war schon dunkel und die Kinder lagen schon auf dem Boden und schliefen. Kaum war er zur Tür hinein, da sagte seine Frau: „Mann, denk nur mal, heute kam eine schwarze fette Henne in die Stube und setzte sich neben mich auf den Webstuhl. Ich habe, die Kinder überall herum geschickt und fragen lassen, ob sie jemand gehöre. Es hat aber niemand eine solche Henne gehabt." Da ahnte der Mann etwas und berichtete seiner Frau alles, was das Männlein gesagt hatte. Sie Hollen die Henne. Es tat ihnen aber leid, sie zu schlachten. Endlich hackten sie ihr doch den Kopf ab, und die Mutter kochte ein gutes Essen davon. Es war schon spät, als sie den Topf mit dem gekochten Huhn auf den Tisch stellten. Am liebsten hätten sie davon gekostet, denn sie hatten beide großen Hunger und die Brühe duftete lieblich. Sie aßen aber nur ein paar Kartoffeln mit Salz. Che sie sich schlafen legten, riefen sie zum Fenster hinaus: „Schütte, schütte, schütte!" Kurz darauf hörten sie ein Sausen in der Feueresse. Sie rührten sich aber nicht und schliefen. Als sie am Morgen aufstanden, war der Topf leer und auf dem Boden lagen 10 harte Taler. Über glücklich nahmen sie das Geld. Für einen Taler kaufte die Frau Fleisch und Brot, und am Abend stellten sie wieder Speise aus den Tisch und riefen den Drachen. Am Morgen war das Essen weg und abermals lagen 10 Taler auf dem Tisch. So machten sie es durch vier Wochen. Da sagte der Mann: „Frau, jetzt ist's genug. Jetzt sind wir reich. Nun wollen wir es nicht mehr tun. Aber wir wollen den Drachen bitten, unsere Kinder gesund zu machen." Am Abend riefen sie hinaus: „Schütte, schütte, schütte! Hier ist gutes Esten, aber gib uns kein Geld mehr, mach unsere Kinder gesund." Noch mehrere Mal hat die Frau Speise für den Drachen hingestellt. Der Drache verzehrte es, legte kein Geld mehr hin. Dafür wurde es mit den Kindern jeden Tag bester, bis sie ganz ge sund waren. Nun war aber die Frau sehr neugierig geworden. Sie wollte den guten Drachen gern einmal sehen und ihm danken. Der Mann warnte sie. Die Frau aber erhob sich abends heimlich vom Lager und versteckte sich in der Stube. Als es Mitternacht war, kam der Drache zur Este herein. Er war schrecklich anzusehen. Bevor er zum Teller auf dem Tische ging, schnüffelte er in der Stube herum, als ob er etwas suchte. Da entdeckte er die neugierige Frau. Er blies ihr Rauch in's Gesicht, fauchte ein paar Mal und fuhr wieder zur Esse hinaus, ohne die Speise anzurühren. Er ist nie wieder gekommen. -l- * * Der feurige Drache spielte in vielen alten Erzählungen eine bedeutende Rolle. Eine Sage, die mir von Scheidenbach mitgeteilt wurde, lautet: In dem Dörfchen stand einst vor einem kleinen Hause eine stattliche Linde. Auf diesem Baume habe einstmals den Tag über ein Drache gesessen. Die Leute hätten ihn deutlich gesehen. Die Bewohner des Häuschens haben sich nicht mehr getraut, aus- und einzugehen. Die Nachbarn versteckten sich, und nur ein paar Mutige lugten hinter einer Spalte nach dem Drachen. Dieser habe den Tag über ganz ruhig gesessen. Als die Nacht herankam, sei der Drache lebhaft geworden. Seine Augen hätten angefangen zu glühen, und plötzlich habe er sich in die Lüfte erhoben und sei davongeflogen. Jetzt erst wagten sich die Bewohner des Häusleins heraus. Sie seien vor Angst fast krank gewesen. Ins Haus mochten sie nicht mehr. Am Morgen sei der Drache wiedergekommcn und habe sich auf die Linde gesetzt. Die armen Leute suchten bei mitleidigen Nach barn Unterkunft. Des Nachts ging der Drache „auf Reisen". So sei es ziemlich zwei Wochen hindurch gegangen. In das Häuschen wagte sich niemand hinein. Eines Tages kam eine Frau aus Böhmen, die bettelnd von Haus zu Haus wanderte. Als sie vor die verlassene Hütte kam, klopfte sie umsonst an die Tür. Die Nachbarn sahen ängstlich aus ihren Schlupf winkeln zu, ob der Drache sich nicht auf die Frau stürzen würde. Der blieb aber ganz ruhig sitzen. Die Bettlerin ging nun in die Nachbarhäuser, fand sie aber auch verschlossen. Da schüttelte