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leiden. Der weitere Zug führt an Weißenberg und Baruth vorüber. Damit gelangten die Hussiten auch in den süd lichen Teil unseres heutigen Kreisgebiets. Eigenartiger Weise wissen unsere Chroniken keine Mitteilungen über diese Vorgänge zu berichten. Verwun derlich ist es vom Verfasser der „Chronik und Beschreibung der Kgl. und Churfürstl. Sachs. Stadt und Herrschaft Hoyerswerda" von 1743, da er ein Geistlicher war. Leider greift er wenig in die Zeit vor 1500 zurück. Da kommt eine Chronik der Nachbarstadt Wittichenau zu Hilfe, die durch die Freundlichkeit des Herrn Pfarrers Kowallek zur Ver fügung gestellt wurde. Es sei hier im Auszug öargeboten: „1416 herrschten Teuerung und schwarzer Tod im Lande; 100 000 Menschen starben Hungers in der Ober- und Nieder lausitz. 1421 war wieder wohlfeile Zeit: ein Scheffel Korn kostete 2 Groschen. 1423 erhielt Hoyerswerda das Recht der freien Kür, d. h. das Recht, die Staötobrigkeit frei wählen zu dürfen. Früher wurden von der Grunöherrschaft die obrigkeitlichen Personen eingesetzt. Wittichenau erhielt das Recht der freien Magistrats-Kür 1447 durch die Abbatissin Agnes v. Kopritz. Ein entsetzliches Drama entwickelte sich in der Lausitz in Sen zehn Jahren von 1420 bis 1480. Fünfzigtausend Hus sitenanhänger des Jrrlehrers Johann Huß in Prag waren aus Böhmen ins Land eingebrochen und bezeichneten überall ihren Weg durch Grausamkeiten, Mord und Brand. Ihre Anführer waren Czischka, Procop der Große und Procop der Kleine. Czischka trug in seinem Gürtel einen spitzigen Hammer, mit welchem er den Geistlichen, die zu ihm geführt wurden, den Schädel einschlug. Nach seinem Tode 1424 wurde seine Haut gegerbt und über eine Trom mel gespannt, bei deren dumpfen Tone die Hussiten in die Schlacht zogen. In den ersten Tagen des Oktober 1429 standen die Hussiten vor Marienstern, welches sie zum Teil zerstörten. Die Klosterfrauen waren schon im September nach Bautzen geflüchtet und hatten die teuersten und kostbarsten Kirchen sachen, Reliquien und Urkunden mit sich genommen, welche sie in der Domkirche verwahrten. Von Marienstern zogen die Hussiten nach Ralbitz, welches sie verwüsteten und Kirche und Pfarrei niederbrannten. Das Kirchensystem in Ralbitz wurde erst 1754 wieder hergestellt; 325 Jahre nach den Hussitenkriegen bestand daselbst eine kleine hölzerne Kapelle, in welcher die Geistlichen aus Krostwitz einmal im Monat Gottesdienst abhielten. Tauf- und Begräbnisakte aber wurden jederzeit wie früher in Ralbitz selbst, nicht in Krostwitz, verrichtet. Von Ralbitz kamen die Hussiten nach Kotten, welches sie vollständig vom Erdboden wegfegten. Das Dorf Kotten lag früher einige tausend Schritte weiter nach Südwest in der Richtung nach Konwitz, an jener Stelle, welche heute ein großes Wiesengrundstück bildet und „Koczin" genannt wird. Hier werden zuweilen noch Ziegel- und Mauersteine ausgegraben. Nach der Zerstörung siedelten die Kottener mehr in die Mitte ihrer Grundstücke über, rodeten den Wald aus, legten neue Felder an und erbauten ihre Ge höfte an dem heutigen Platze. Von Kotten drang ein Schwarm Hussiten, 10 000 Mann stark, nach Wittichenau vor. Drei Tage lang, den 10., 11. und 12. Oktober 1429 dauerte hier das Plündern, Sengen und Morden; viele Einwohner waren in die Moräste hin ter dem Kubitzteiche geflüchtet, um einem gewaltsamen Tode zu entgehen. Mit der Stadt wurde auch die Pfarr kirche durch Feuer zerstört, der Kirchturm jedoch nur in den oberen Stockwerken, weil die sechs Fuß starken Mauern des unteren Teils dem Feuer Widerstand leisteten. Der militärisch organisierte Räuberzug der Hussiten bewegte sich von Wittichenau zur Vereinigung mit der Hauptarmee nach Kamenz, Bischofswerda und Königs brück, welche zerstört wurden; auch Bautzen wurde im Ok tober 1429 von den Hussiten belagert, aber nicht erobert. . . Die zerstörte Pfarrkirche in Wittichenau wurde bis zum Jahre 1440 wieder aufgebaut und vergrößert, massiv aus Bruch- und Ziegelsteinen, mit drei Schiffen, von welchen das Mittelschiff höher ist, mit einem kunstvollen Netz- oder Sterngewölbe in gotischem Stile, so wie wir sie jetzt sehen. Die Ziegelei, in welcher das Material fabriziert und ge brannt wurde, stand hinter Keula an der Straße nach Hoyerswerda auf einem Felde, welches jetzt dem Bauer Kranz gehört und heute noch „na Krawcece cyheln" heißt. Zum Aufbau des Kirchturmes wurden die alten festen Grundmauern benutzt. Daher kommt es, daß der Turm nicht in der Mitte der Westseite der vergrößerten Kirche steht, sondern etwas nach Norden flankierte. Der Schrift steller Jakob Ticin saus Wittichenau, f 1692) sagt: „Die Pfarrkirche wurde erbaut aus den Beiträgen der Ein- gepfarrten und aus den milden Gaben der Umwohner", denn die Abbatissin von Marienstern konnte, weil: ihre eigenen Klostergebäude in Trümmern lagen, nur wenig Vauzuschüsse leisten. 1460 wurden in Wittichenau am Ende der Bautzener, Kamenzer und Hoyerswerdaer Straße massive Stadttore erbaut, welche 1823 nach dem großen Brande abgetragen worden sind." Über Bischofswerda zogen die Friedlosen nach der Spreefeste Bautzen. Die Bewohner dieser Sechsstadt waren aufs beste für die Verteidigung gerüstet. Nach drei harten Kampftagen 'und dem schwersten Verluste ihrers Führers Moleste gaben die wilden feindlichen Scharen die Bezwin gung dieser unter dem Befehl des tapferen Thimo von Colbitz stehenden Feste auf. Sie wandten sich nach der Elb- gegend von Meißen und Mühlberg. Doch weiter setzten andere Abteilungen die furchtbaren „rauchenden Spaziergänge" fort. So gelangten sie 1430 bis Grimma und führten auf 3000 zwölfspünntgen Wagen die Beute heim, zwei Jahre später über Frankfurt an der Oder bis Bernau bei Berlin und 1433 bis nach Oliva und an die Ostsee. Daun sollte Kaiser Sigismunds Wort in Er füllung gehen, daß die Hussiten nur durch die Hussiten zu bezwingen seien. Die von einer gleichen Idee Beseelten trennten sich in zwei Lager: es verbanden sich die mild gesinnten Calixtiner mit den Katholiken und besiegten die fanatischen Taboriten 1434 bei Vöhmisch-Brod. Nach zwei Jahren nahmen die kriegerischen Unternehmungen der Hussiten ihr Ende. Glut und Brand verlöschten. Schmerzen und Wunden konnten heilen, verwüstete Stätten und Flu ren erneut bebaut werden. Unauslöschlich wird im Buch der Geschichte die Grausamkeit uud der unsagbare Haß dieser Kampfesscharen verzeichnet bleiben, andererseits muß die heldenhafte Verteidigung der lausitzer Bevölkerung stets anerkennende Erwähnung finden. Möge ein gütiges Schicksal die Welt und unsere Heimat vor solchen Schreckenszeiten bewahren. G. Werchan. Die ältesten Pfarrer von Kottmarsdorf Als Ergänzung zu dem Aufsatz in Nr. 21 dieser Zeit schrift seien einmal die ältesten Pfarrer von Kottmarsdorf aufgeführt. In der katholischen Zeit wurde der Gottes dienst von einem Kaplan aus Löbau gehalten. Als ersten evangelischen Pfarrer finden wir 1529 Magister Weise, der vorher Parochus in Löbau war und infolge seines evang. Glaubens diesen Ort verlassen mußte. Auf ihn folgte um 1549 Maternus Starke. Das von ihm angelegte Kirchen buch ist leider nicht mehr vorhanden, und so müssen wir uns mit der Mitteilung begnügen, daß er aus Senftenberg stammte und zuvor Schulmeister in Pulsnitz gewesen ist. 1598 wird Melchior Gubisius lGubisch, Gaubisch) als Pfarrer genannt. Von diesem Zeitpunkt an ist auch noch das Kirchenbuch da. Gubisius stammte aus Stolpen oder Langenwolmsdorf bei Stolpen, 1632 ging er nach Cune-