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Ar. 2 Gberlauflher Heimatzettung 23 weigerten, die neue Weberordnung anzunehmen, sie ihres Handwerks verlustig gingen. Aber sie ließen es darauf an kommen. Tatsächlich wurde ihnen auch alles Weben ver boten. Es hat noch lange gedauert, ehe sie sich fügten. Weit nachteiliger aber wirkten sich die zahlreichen Aus wanderungen aus. Die Damastweberei iu Großschönau war eine Kunst, die geheimgehalten wurde wie die Porzellan mannfaktur in Meißen, bezeichnete man sie doch auch als „Damastmanufaktur". Der Umstand, daß nichts davon in die Öffentlichkeit gelangte, ist schuld daran, daß die Ge schichte der Großschönauer Damastweberei ein fast unbe schriebenes Blatt ist. Aufzeichnungen wurden nicht gemacht, absichtlich nicht, und so hat man sehr wenig erfahren. Die Damastmanufaktur war in einer „Fabrikordnnng" organi siert. Darin hieß es, daß nur im Orte geborene Söhne, deren Eltern schon weben, das Damastweben erlernen dür fen. Streng verboten war es, Fabrikgeheimuisse zu ver raten, Fabrikationsgeräte (Stühle, Muster, Zeichnungen usw.) au Fremde zu verkaufen, Fremde als Lehrlinge nn- zunehmen, mit Fabrikationsgeräten anszuwandern und auswärts Stühle aufzustellen. Wer trotzdem answanderte, wurde als Fremder betrachtet und behandelt. Kein von auswärts Zugewanderter durfte die Damastweberei be treiben. Kein Damastweber durfte einer fremden Person von der Damastarbeit etwas zeigen. Handwerksleute, die zugleich Damastwebcr waren, durften ihre Handwerker gesellen nicht in die Stuben lassen, wo Damastwebstühle standen. Das Hausieren mit Damast im Auslände war ver boten und nur „in der Oberlausitz und im Meißnischen" ge stattet. Zuwiderhandlungen wurden hart bestraft. Man wollte dadurch verhindern, daß die Damastwebrei, die Groß schönauer und sächsisches Monopol war, nach anderen Gegenden abwanderte. Die Geheimnistuerei ging so weit, daß, als der spanische und französische Gesandte in Dres den Großschönau besuchten, die Gerichte angewiesen wurden, bei den Besichtigungen zugegen zu sein, damit diese kein Fabrikgeheimnis mit hinwegnähmen. Daß nicht gearbeitet wurde, wenn Besichtigungen waren, war selbstverständlich. Ein Dresdner Kaufmann, der sich einige Wochen bei einem Großschönauer Damastweber anshielt, wurde als verdächtig betrachtet und ihm nahegelegt, Großschönau bald zu ver lassen. Dasselbe Schicksal ereilte einen Engländer, der im Herbst 1820 auf einige Wochen nach Großschönau kam. Es ist verständlich, daß die Negierung alle Hände über die Großschönauer Damastmannfaktur hielt und ihr alle mög lichen Vergünstigungen angcdeihen ließ. Nicht nur, daß sie immer wieder den Rat zu Zittau ermahnte, „umgänglich" mit den Damastwebern zu verfahren: er befreite alle Groß schönauer Einwohner von Ser Militärpflicht. Der Zittauer Rat freilich wußte die Damastweberei vor „Verfremdung" nicht besser zu schützen, als daß er immer wieder Verord nungen erließ und Strafen androhte. Damit konnte aber nicht geholfen werden. Wenn die Damastweberei dennoch nach auswärts verschleppt worden ist, so ist der Druck der Abgaben und die dadurch entstandene Not der Weber schuld daran, auch wenn dies der Rat immer wieder bestritt. Wäh rend die Weber daheim Not litten, wurden ihnen von aus wärts glänzende Angebote gemacht. So bot im Jahre 1745 ein preußischer Prinz dem Großschönauer Damästweber Wenzel 1600 Taler, wenn er nach Schlesien käme. Der König von Preußen sicherte jedem Damastweber 40 Taler Hand geld zu, er soll aus die Begründung der schlesischen Damast manufaktur 100 000 Taler verwendet haben. Unter solchen Umständen konnte es nicht ausblciben, daß die Groß schönauer eben doch auswanöerten. Im Anfang baten noch einige um Erlaubnis zur Auswanderung, als Antwort wurde ihnen darauf, daß sie im Orte zu bleiben hätten, und die Gerichte wurden gehalten, aus sie genaue Acht zu haben. Nun verließen viele Familien heimlich den Ort. S» wanderten Pfingsten 1744 nachts 2L Großschönauer Weber nach Schmiedeberg in Schlesien aus. Im nächsten Jahre ver zogen 270 Weber. Am 14. Dezember 1745 gingen 116 Wagen mit Webstühlen und Möbeln unter militärischer Eskorte fort. Auf diese Weise entstanden Damastmanufakturcn in Schlesien, Berlin, Potsdam, Greiffenberg, Schmiedeberg, Hvhewiese, Landeshut, und auch zu der Damastweberei in Böhmen haben die Großschönauer den Grund gelegt. Denn im Jahre 1755 zog der Großschönauer Damastweber Krause auf Veranlassung des Grafen Kinsky nach Birkstein und gründete dort die Damastweberei, die von dort aus nach Warnsdorf, Rumburg und Gevrgswalde kam. Kaiser Franz Josef setzte für jeden neuen Webstuhl selbst 25 und 50 Gul den als Prämie aus. Dadurch erwuchs der Großschönauer Damastweberei, die nunmehr kein Privileg mehr war, starke Konkurrenz. Bereits im Jahre 1795 wiesen die Damastweber nach, daß die in Schlesien aufbltthende Damastweberei der Groß schönauer nachteilig zu werden beginne, weil die Kaufleute aus Lauban und Marklissa mit ihren in Zittau erkauften Damastwaren die Breslauer Messe nicht mehr besuchen durften, und auf der Frankfurter Messe dursten die säch sischen Kaufleute ihre Waren nur an Ausländer verkaufen. Es wurde weiter festgestellt, daß die Großschönauer Damast weberei, die nur noch 6 Monate im Jahre beschäftigt war, Gefahr lief, von der Konkurrenz überflügelt zu werden und schließlich ganz einzugehen. Das betonten die Weber namentlich dem Zittauer Rat gegenüber, der durch seine hohen Abgabenfordernngen die Hauptschuld an den Aus wanderungen trug. Er stellte es zwar in Abrede und sagte, das Vorgeben, auswandern zu «vollen, sei nur eine leere Drohung, um eine Ermäßigung der Stuhlzinsen zu er zwingen, die auswärtige Konkurrenz brauche Großschönau nicht zu fürchten, die Ausgewanderten kehrten alle als Bettler zurück, überdies sei in Wirklichkeit ein guter Weber noch nicht ausgewandcrt. Das war natürlich Bogelstrauß- Politik. In Wahrheit datiert von den Auswanderungen her der Niedergang der Großschönauer Damastmeberei. Ihre Blütezeit lag in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Verschärft wurde die Krise, als die erste» Jacquard maschinen ausgestellt wurden. Bereits im Jahre 1826 wurde die Einführung derselben regierungsseitig empfohlen. Die Weber verhielten sich ablehnend wie gegen alle Maschinen. Im Jahre 1834 setzte der Damastfabriknnt Johann Gott fried Schisfner die erste Jacquardmaschine. Zwar wurde an fangs bemerkt, daß die Plastik der Muster, welche die Groß schönauer Ware vvr allen anderen anszeichnete, auf der Maschine nicht voll erreicht wurde, durch fortwährende Verbesserungen ist es aber gelungen, diesen Nachteil zu be seitigen und ganz vorzügliche Maschinenware herzustellen. Allerdings wurden mit der Einführung der Maschine viele Weber erwerbslos. Die Regierung regte nun an, diese soll ten sich der Spinnerei zuwenden. Bisher hatte man die Garne zur Kette aus der Lanbaner Gegend und die zum Schuß aus Böhmen bezogen. Doch hatten alle Bemühungen, die Spinnerei zu heben und eine eigene Garnniederlage in der Oberlansitz zu errichten, keinen Erfolg, und man suchte den Schwierigkeiten in der Garnbeschasfung dadurch abzuhelfcn, daß man sich immer mehr der Verwendung von Baumwollgarnen zuwandte. Überhaupt ist im Laufe der Jahre die Baumwollweberei in Großschönau mehr und mehr ausgekommen, und in dem Maße wie hier immer andere Textilzweige erstanden und sich in immer mehr Orten die Damastmeberei breit machte, verflachte sie sich in Großschönau selbst. Heute hat Großschönau längst nicht mehr das Damastmonopol, und wenn man von ihm als vom Damastorte spricht, so geschieht es in Erinerung an frühere Zeiten. Tatsächlich ist Großschönau für die Damasttndüstrie dasselbe gewesen, was vor Jahrhunderten Meißen für die Porzcllanindnstric war. A. H.