Volltext Seite (XML)
Nachruf auf einen Oberlausitzer Dichter Am 81. Mai 1929 verließ die irdische Hülle ein in der Stille gelebter, schlichter Mann aus dem Volke. Auf ein hohes Alter von über 88 Jahren konnte er zurückblicken. Er hatte viel durchlebt, durchlitten und öurchstritten in all den Jahren,' wenn es sich auch nur in der Stille voll zog. Er trat nicht in die Öffentlichkeit. Trotz mehrfacher Bemühungen war es ihm nicht vergönnt, seine Arbeiten in Druck zu sehen. Aber sein Erdenleben war doch ein reiches und fruchtbringendes gewesen. — Er war in seiner Person Weber, Barbier, Holzhändler und vielleicht noch mehr. Ich lernte ihn erst in seinem letzten Lebensjahr ken nen, und so habe ich vielleicht nur einen Teil seiner langen Erdenlaufbahn erfahren können. Alles erzählte er mit einem kindlichen und unbefangenen Humor. Wie er ehe mals für einige Pfennige von Haus zu Haus rasieren ging. Wie er auf dem Jonsberge Holz erwarb und wieder nach Zittau und andere Orte verkaufte. Dabei bestohlen wurde. Den Dieb sogleich auf eigenartige Umstände er wischte. Ihn nicht anzeigte, aber mit seiner Ehrlichkeit jenen zwang, das Holz wieder an Ort und Stelle zu schaf fen. — Wie er das an seinem Hause vorbeifließende Wasser benutzte. Einige Webstühle mechanisch betrieb. Den ersten Dynamo in Jonsdorf hatte, und das erste elektrische Licht am Ort. — Wie er in den 70 er Jahren bis Triest wan derte, von dort zurück über den Rhein nach Hause kam. sWenn man bedenkt, daß es damals nur auf Schusters Rap pen möglich war, die Schönheit der Welt zu sehen, so war das immerhin eine Leistung.) Dann zweimal verheiratet war und vor dem dritten Male sich fast fürchtete, da er viel Leid und Schmerz in den Ehen erfahren mußte, er aber doch im zunehmenden Alter einer hilfreichen Hand bedurfte, die ihn dann auch bis zu seinem irdischen Ende in Treue pflegte. — Wie er sogar von Jonsdorf aus nach Südruß land aus wandern wollte, als eine religiöse Sekte aus Deutschland floh, er aber bald zur Besinnung kam und das Treiben jener als Irrtum erkannte. Dann froh war, als er daheim sein erworbenes Haus iveiter betreuen konnte, seinen Garten hatte und anfing zn —schreiben und zu dichten. Unablässig suchte er in der Bibel, in den Schrif ten von Zinzendorf und den mystischen Büchern des ehe maligen Schusters Jacob Böhme aus Görlitz, welcher große Geist leider viel zu spät als eine gewaltige Leuchte erkannt worden ist. Aber unser Hermann Israel fand darin, was er suchte: Erhebung, Belehrung, Trost und Labsal. Er fand dort alles im reichen Maße, sodaß er, innerlich geweckt, selbst anfing zu schreiben. Das bloße Wort genügte ihm nicht. Er wollte tieferen Gehalt finden. Und so suchte und suchte er unablässig und legte all sein Gefundenes in grö ßeren Aussätzen oder in gebundener Form nieder. Recht einfältig, kindlich, unbefangen, ganz aus den Herzen kom mend, schrieb und schrieb er bis in sein letztes Jahr hinein. — Er übergab mir selbst, als er bereits sein 82. Erdenjahr überschritten hatte, eine Dichtung, die hier veröffentlicht sein möge. Man denke sich keinen modernen Dichter, der etwa mit größtem Raffinement ein Gedicht verfaßt. Nein, ^Verband Watin M ArbstvertreterMimg cim 7. Dezember 1929 im Wettiner Hof s" in Löbau. Beginn 3 Ahr nachmittags. Tagesordnung wird in der nächsten Nummer beßanntgegeben. Der Vsrbanvsvorftand. gerade das Gegenteil. Sv schlicht, einfach wie er im Leben war, so schlicht und einfach, doch mit tiefen Sinn gepaart, sind seine Dichtungen. — Er lehnte alle Politik ab. Seine Herzensreligion und seine Herzensgüte vertrugen sich nicht mit Verstandcsspekulationen und übergescheiten wissen schaftlichen Ausklügeleien. Er trat unbefangen, mit echter Demut im Herzen, mit verlangender Seele vor den Altar des Geistes, und empfing von dort die schönsten und rein sten Gaben, die nur ein Mensch empfangen kann, wenn er sich mit Hingabe in den Geist des Heils vertieft. Er war somit noch ein echter Christ, kein Schein-, kein Namen christ, sondern er war mit dem Geist wahren Christentums innerlich verbunden. Er machte aber auch kein Hehl daraus, daß das heutige sichtbare Christentum mit all den Sekten nie recht zum Kern vordringen, sondern im Streit um die Schale stecken bleiben, sich immer mehr spalten, aber die Einheit nicht finden werde. Sein Urteil war milde, gerecht und wahrhaftig, und er verzieh allen, daß sie alle von ihm gingen und er menschlich allein stand. Einsam verbrachte er seine letzten Eröenjahre, denn keiner verstand ihn recht, keiner erfaßte, was er für recht und wahr hielt. Keiner konnte auch in sein Herz so recht schauen, welches doch so voll milder Liebe war, so rein, wie ich es selten bis heute fand. Es wäre eine kleine Dankesschuld an ihn und auch an die Hinterbliebenen (da er auch durch Krieg und Infla tion sein ehrlich verdientes Geld verlor), daß vielleicht ein kleiner Band Gedichte gedruckt würde, die sicherlich zur Er hebung, Belehrung und Erbauung vieler einfachen und schlichten Oberlausitzer beitragen würde. Jener Kreise, die noch ein Verlangen nach Verinnerlichung haben, nach wah rer Religion sich sehnen. — Den Namen unseres Lieben nannte ich schon. Es wäre noch nachzutragen, daß er in Altjonsdvrf bei Zittau lebte. Sollten sich edle Menschen finden, die seine hinterlasse nen Schriften kennen lernen wollen, oder die etwa auch einiges drucken lassen möchten, so bin ich gern bereit, die weiteren Schritte zn tun, um eine etwaige Veröffentlichung einzuleiten. E. A. M. Clemens, Seifhennersdorf Nr. 572. ->- Jesaias 12, 3. Wer einmal geschmeckt die göttliche Speise, Wer einmal getrunken den göttlichen Trank, Den hungert und dürstet nach himmlischer Weise, Den labet sonst nichts, er sei gesund oder krank. O wohl uns, der Brunnen des Heils nicht versieget, Weil Ihn an unfern Seelen so unendlich viel lieget' Da ist die Freude die Fülle, und liebliches Wesen, Wer elend und sündig sich fühlt, hier kann er genesen. * Jesaias 13, 12. Ei» Mann, das Ebenbild des Herrn, Des Schöpfers aller Wesen, Ist hochgeachtet wie das Gold, Hat er sich auserlesen, Zur Freundschaft und zur Konnexion, Der dringen kann vor Gottes Thron, Zu jeder Zeit und Stunde. Ein Menschenkind, was sich läßt ziehn Nach Seinem Rat und Willen, Gilt in den Augen Gottes viel, Will es mit Kraft erfüllen. Goldstangen haben großen Wert, Doch wer zu lieben Ihn begehrt, Kann mehr, denn Gold besitzen. Zu einem Kinde wird ein Mann, Der in der ersten Liebe dann Sich neugeboren fühlet. Sein Herz wird fleischern nicht mehr sein,