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22 Gberlaufltzer He!matze!tung Aus der^Geschichte der Großschönauer Damastweberei Man muß die Geschichte der Großschönauer Damast industrie beginnen mit den Worten: „Es war einmal." Denn heute werden Damaste aller Orten gewebt. Es war aber einmal eine Zeit, da kannte man die „Wissenschaft der Damastweberei", wie man diese Art der Weberei bezeich nete, nur in Großschönau in Sachsen. Es war das etn armes Weberdorf, dessen Häusler nach Zittau zinspflichtig waren. Zwillich webten sie, und sie hatten darin vor den Webern der übrigen Dörfer gar nichts voraus, denn auch diese nährten sich recht und schlecht Sommers von der Feld arbeit, Winters von der Leineweberei. Da brachten drei findige Köpfe die Damastweberei hierher: Friedrich Lange, der die ersten Gewebe fertigte, Christoph Löffler, der ihm die ersten Muster zeichnete, und Christoph Krause, der ihm den ersten Webstuhl baute. Das war im Jahre 1686. Dieses ist also das Geburtsjahr der in der Geschichte der deutschen Textilindustrie so bedeutsamen Großschönauer Damast weberei. Man sagte damals nicht Damastweberei, sondern „Gezogenesweberei" und bezeichnete den Damast als „Ge zogenes" oder „gezogene Ware", weil die Fäden der Kette am Webstuhl in die Höhe gezogen werden mußten, um die plastische Wirkung der Figur hervorzubringen. Man hatte es sich etwas kosten lassen. Jener Lange snach anderen sol len es zwei Brüder Lange gewesen seins reiste im Aus lande herum und sah dort heimlicherweise namentlich in den Niederlanden, das Damastweben ab. Die Stadt Zittau hat ihn darin unterstützt. Das darauf verwendete Kapital hat ihr tausendfältig Zinsen getragen. Der erste Damastwcbstuhl stand im Grundstück Nr. 336. Bei dem schmalen Verdienst, den die Zwillichweberei ab warf, wandten sich sogleich viele Hände der neuen Kunst zu. So viele warfen sich darauf, daß man ernstlich besorgte, es werde dieselbe bald wieder in Verfall kommen. Um dem vorzubeugen, kam aus den Reihen der Damastweber die Anregung, das Gewerbe zu konzessionieren, dergestalt, daß für jeden Stuhl eine Abgabe von 36 Talern nach Zittau zu entrichten sei. Dreißig Taler war viel Geld, wenn man bedenkt, daß die Leineweber auf den übrigen Dör fern nur 6 Groschen Stuhlgeld entrichteten, es beweist aber, daß die Damastweberei etwas einbrachte. Sogar dem Zit tauer Rat war es zu viel, er begnügte sich mit 10 Talern. Gleichzeitig führte man, um Überproduktion zu verhindern, eine Feierzeit ein: 14 Tage nach Mariä Geburt standen sechs Wochen lang die Damastwebstühle still. In diesen beiden Maßnahmen lagen die ersten Anfänge einer Damastweberzunft. In ihnen lag aber auch gleichzeitig der Keim zu jahrhundertelangen Streitigkeiten, die schließlich auch zum Verfall der Damastweberei geführt haben. Es war klar, daß nicht jeder den hohen Stuhl zins aufbringen konnte. Es bildete sich der Gegensatz zwi schen großen und kleinen Unternehmern heraus, und die letzteren behaupteten, jene sprächen sich nur deshalb für den hohen Zins aus, damit viele kleine Macher aus Unver mögen ihren Webstuhl eingehen lassen und zu jenen, die die stillgelegten Stühle hernach an sich brächten, als Ge sellen gehen müßten. Gewissermaßen also ein Existenzkampf zwischen Industrie und Handwerk. Auch wenn man aner kennt, daß die Stadt Zittau manches für die Damast weberei getan hat, so kann man sich doch des Eindrucks nicht erwehren, daß sie dieselbe ausgiebig als melkende Kuh behandelte. Außer jenen 16 Talern ließ sie sich noch jähr lich einen Taler Stuhlzins zahlen, und sie bezeichnete die Einnahmen aus der Großschönauer Damastwebcrei selbst als die „fundiertesten Einkünfte" ihrer Geschoßkasse. Denn außer den angeführten Abgaben erhob sie noch Einschreibe gebühren, Schangeld u. dergl. Wenn man sich vergegen- Äc.2 wärtigt, daß zeitweilig 4000 Stühle im Gange waren, so ergibt das eine gewaltige Summe. Die Damastweber be haupteten damals lder Zittauer Rat hat es allerdings be stritten, und man sieht in dieser Sache nicht recht klar), daß der Stuhlzins nicht als Personalabgabe, sondern als stehende Abgabe erhoben werde, daß nach dem Tode die Witwe S Taler weiter zu zahlen habe und daß von Stüh len noch Zinsen erhvoen würden, die schon 20 und 30 und noch mehr Jahre nicht mehr im Gange seien. Es hat hef tige Kämpfe wegen der Abgaben zwischen den Webern und dem Zittauer Rate gegeben, wobei sich jene der Vermitte lung des Kurfürsten und der Regierung bedienten. Diese beiden hatten natürlich eine schwierige Stellung in dem Streite. Einerseits wollten sie sich die Stadt Zittau nicht vor den Kopf stoßen, andererseits mußten sie es mit den Webern halten, um die Damastweberei, die einzige im Lande s!), zu erhalten. Bei aller Sachlichkeit, mit der die Regierung die Untersuchungen vornahm und die Ent scheidungen traf, hat es doch den Anschein, als ob sie stets zuerst das Wohl der Damastweberei im Auge gehabt hätte. Als später eine neue Damastweberordnung eingeführt werden sollte, war man sich über alle Paragraphen sofort einig, nur um die Abgabeparagraphen ging ein jahrzehnte langer Streit, der es unmöglich machte, die Weberordnung sogleich einzuführen. Unter dem Druck der Abgaben verarmten die meisten Damastweber. In einer umfangreichen Schrift legten sie am 9. August 1786 dem Kurfürsten Friedrich August dem Dritten ihre Verhältnisse klar. Ihre Lage sei die traurigste, sagten sie, und ohne landesherrliche Protektion seien sie und ihre Kinder bei aller Treue gegen ihren Landesherrn ein unrettbarer Raub des Hungers und des Elends. Der Zit tauer Rat erhebe Abgaben blindlings, auch vom Sohn des verstorbenen Webers, gleichgültig, ob der Sohn Weber oder Fleischer sei. Auf diese Weise seien zahlreiche Grundstücke verschuldet, und im Jahre 1743 wären 70 Grundstücke des halb unter den Hammer gekommen. Im gleichen Jahre i'schuldete Großschönau dem Zittauer Rate 6000 Taler Stuhl- "zinsenreste. Im benachbarten Hainewalde, das nicht Zittau,. sondern der Gutsherrschaft zinspflichtig sei, hätten die Damastweber nur 14 Kreuzer oder 4 Groschen 8 Pfennige Stuhlzins zu zahlen. Der Rat ließ das alles 'nicht gelten, sondern betonte hingegen, „die Damastweber hätten Ursache, mit Dank zu erkennen, daß der Rath ihnen jährlich mehrere 100 Klaftern Holz für einen sehr billigen Preis abliebe. Früher hätten die Damastweber ihre Zinse anstandslos bezahlt, erst nach dem man ihnen von deren Erniedrigung vvrgespiegelt habe swas wohl aus die Regierung ging), seien sie säumig. Wie rigoros der Rat vvrging, beweist übrigens deutlich die Tatsache, daß er die drei Damastweber, die sich mit einer Eingabe an den Kurfürsten gewandt hatten, einfach ins Gefängnis werfen ließ. Kurfürst und Landesregierung haben sich der Sache der Damastweber wiederholt mit größter Sorgfalt angenom men. Sie schickten Kommissare nach Großschönau, diese gin gen in die Webcrstuben, um sich an Ort und Stelle von der wahren Lage der Damastweber zu überzeugen. Immer auch haben sie dem Rate nahegelegt, die Abgaben herab zusetzen, es sei in seinem eigenen Interesse, eine mäßige Abgabe sicher zu haben, als eine hohe Abgabe lückenhaft. Dem Rat mißfiel es, daß die Regierung sich der Weber so warmherzig aunahm und beschuldigte sie der Parteilichkeit, wofür er eine ernste Rüge erhielt. Schließlich wurde ein Kompromiß vorgeschlagen. Aber die Weber weigerten sich jetzt, überhaupt Abgaben zu zahlen, sodaß der Rat im Jahre 1776 die Säumigen pfänden und deren Sachen versteigern ließ, was den Widerstand nur noch mehr herausforderte. Man drohte den Webern, daß, wenn sie sich künftig noch