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schlagen und der ganze Chor legt los: „Die Anna, die Anna, die hat so derbe Händel" Halt, beinahe hätte ich Berndts Karle vergessen vorzustellen. Also Berndts Karle ist eine Nummer für sich. Haben Sie schon einmal Berndts Karle ohne Loch in der Hose gesehen? Haben Sie schon ein mal Berndts Karle beim Friseur gesehen? Haben Sie Berndts Karle schon einmal ohne Schnupftabakdose ge sehen? Ich noch nicht! Wenn er nicht da ist, heißt er aber nicht Berndts Karle, sondern „Bimbel-Berndt". Aber laßt euch nicht erwischen, er schmeißt gleich seinen Holzlatsch nach. Er hat nämlich vor 40 Jahren einmal in der Zeitung oder sonstwo gelesen, daß in den Alpen das Weidevieh Glocken umhabe, wenn es auf die Almen getrieben wird. Da dachte er, daß dies doch sicher recht lieblich klingen muß. Da er nun Mitbegründer des Gesangvereins war, so hing er seinen drei Kühen im Herbst mächtige Kuhschellen um, als er sie auf die Weide trieb, die gleich neben seinem Ge höft lag. Doch währte die Freude bloß drei Tage. Dann ertönte überall ein liebliches „Pim-bel-Berndt". Die Jun gen pfeifen heute noch die drei kurzen Pfiffe, wenn sie ihn sehen. Der Hauptspaß liegt natürlich nicht im Pfeifen, sondern er wird darob fuchsteufelswild, hat er doch einmal sogar seine über alles geliebte Schnupftabakdose nachgewor fen. Ich habe ihn einmal wegen des Schnupfens und Prie mens grimmig beleidigt. Hören Sie, wie er sich gerächt hat: „Wissen Sie, Herr Berndt, ich kann nicht begreifen, wie man Gefallen am Schnupfen und Priemen finden kann!" „Mein Lieber, ihr (er nennt alle du oder ihr) roocht wie ein Schornstein. Und da ist zwischen uns beiden gar kein großer Unterschied. Seht ihr, das ist so: Wer roocht, der stinkt wie ein Schwein, wer schnupft, der sieht aus wie ein Schwein, und wer priemt, der ist ein Schwein!" „'s ist gut, 's ist gut, Herr Berndt, ich habe verstanden!" Einen wunderbaren blauen Hecht hatten diese Brüder in die niedrige Wirtsstube gedampft. Man konnte Stücke aus dem Qualm herausschneiden. Sämtliche Sorten von einheimischem Tabak stiegen in lieblichen Wolken aus Pfei fenköpfen herauf. Und ein Krach war! Jeder sucht durch größten Stimmaufwand seinen Nachbar zu überschreien. Besonders der Klugen-Richter-Gustav hatte ganz schrecklich das große Maul. Er war lange Jahre Botenfuhrmann ge wesen, kam jetzt noch viel unter den Leuten herum, wußte daher viel zu erzählen. Mit der Wahrheit nahm er es aber nicht so genau, sondern schnitt oft gewaltig auf. Daher wurde ihm der Beiname „Lügen-Gustav" auch angehängt. Doch durfte man das beileibe nicht vor ihm hören lassen, wenn man nicht sausacksiedegrob angeranzt werden wollte. Er war gerade dabei, seinen Freunden eine wirklich und wahrhaftig wahre Geschichte zu erzählen. „Ich bin doch mit meinem Botenfuhrwerk so manches liebe Mal in die Stadt hineingefahren. Niemals hat mich jemand angehalten, alle haben mich ja gekannt. Sie wuß ten doch, was ich für eine ehrliche Haut bin. Nein, man soll aber nicht im Frieden leben können. Da hat so ein Schmierfink von einer Schreiberseele ausgeheckt, daß jeder Wagen ein Schild haben soll, wo der Name und der Ort daraufsteht. Bloß, damit jeder neugierige Fratz gleich weiß, woher man ist und wie man heißt. DaS geht doch gar nie manden nichts an. Ich denke: „Na, das ist so eine neu modische Sache. Wirst erst einmal sehen, ob die Leute wirk lich so neugierig sind. Machst kein Schild daran!" Ich fahre also los. Eine Zeitlang ist alles ganz gut gegangen. Nie mand rührt sich wegen des Schildes, und ich lache mir schon eins ins Fäustchen, daß ich der Polizei ein Schnippchen ge schlagen habe. Es war aber zu früh gegackert. Ich komme also an einem Sonnabend wieder in die Stadt hinein geschunkelt. Mein Gaul weiß den Weg nach der „Grünen Eule", wo ich immer ausspanne, von alleine, ich sitze auf meinem Brettel, kaue au meiner Pfeife und denke an nichts Böses. Steht dort an der Ecke mein guter Bekannter, der Oberpolizeier von der Sicherheitsbehörüe. „Gustav?" ruft er, „komme doch gleich einmal zu mir!" „Brrr!" rufe ich meinem Schimmel zu. Mein Schim mel aber will zur „Grünen Eule", schüttelt mit dem Kopfe und happelt weiter. „Schimmel, bleibst gleich stehen?" schreie ich wieder. Ich klettere nun herunter von meinem Thron und humple zum Oberponzen, denn die Knochen waren vom Sitzen ganz steif. „Morgen, Friedrich! Was willst du denn?" „Höre mal, Gustav, wo ist denn dein Schild am Wagen? Ich sehe doch gar keins?" Jessas, jetzt hatte ich kein Schild! Teufel, Teufel! Was soll ich nun bloß machen!! „Siehste," dachte ich bei mir, „jetzt haben sie dich bei der Krawatte, nun mußt du lügen, sonst wird der Friedrich eckig." „Mein Schild?" meinte ich, „das hängt doch am Wagen!" Ich gucke hin — nein, nichts ist da. Ich gucke nochmal hin — es ist wirklich nicht daran! Ich gehe um den Wagen herum, man sah eben kein Schild! „Nun Gottverzips," polterte ich los, „Friedrich, die Weiber soll doch gleich der Teufel holen! Ich Habs meiner Alten noch ganz extra gesagt, sie soll die Firma nicht ver gessen! Aber auf die Weiber ist eben heutzutage kein Ver laß mehr. Na, sei nur nicht gleich böse und schreib mich nicht gleich auf, das nächste Mal hängt es wieder daran. Es hat ja noch nie nicht gefehlt!" „Du, Gustav, ich glaube, du willst mich auf den Besen laden! Aber ich will dir einmal trauen und ein Auge zu drücken. Wenn deine Frau aber wieder vergißt, das Schild daranzuhängen, dann berappst du zwei Mark Ordnungs strafe, da hilft dir kein Doktor. Und wenn es dann noch mals vorkommt, dann knöpfe ich dir sechs Mark ab. Ver stehst du, Gustav?" „Freilich, freilich. Ich wär es mir hinter die Ohren schreiben. Schönsten Dank auch, daß du mich heute noch mals hast durchgelassen! Bist doch ein guter Kerl!" Wie ich abends heimkomme, sage ich gleich zu meiner Frau: „Höre, Guste, ich werd mir müssen ein Schild an den Wagen machen lassen. Der Poltziste hat mich heute an gehalten. Gehst gleich morgen zum Tischler und bestellst eins, damit ichs für'n Mittwoch habe!" Na, der Mittwoch kommt heran, und meine Guste hat es natürlich verschwitzt, das Schild zu bestellen. Ich habe aber nichts davon gewußt und denke, es ist alles in schön ster Ordnung, denn sonst hätte ich einen mordsjämmer lichen Krach gemacht. Meine Alte aber hat sich auch schon Mittwoch früh darauf besonnen. Sie hat es mir später er zählt, daß ihr der Schreck nicht schlecht in die Glieder ge fahren ist,' denn sie kennt doch ihren Gustav. Aber sie weiß sich zu helfen. Wie ich mir drin in der Stube noch meinen Priem zwischen die Kinnbacken schiebe, frage ich meine Guste: „Du, Guste, ist denn auch das Schild an dem Wagen?" Und was sagt sie? „Natürlich, es hängt schon draußen am Wagen!" Wie es Zeit zum Fahren ist, setze ich mich gottvergnügt auf mein Brett und gondle los, stolz wie der König von Spanien, mit meinem neuen Schild. Ich bin noch nicht rich tig in der Stadt, schreit schon wieder der Friedrich, mein guter Freund: „Gustav, Kreuzteufel, halt nur gleich schnell einmal an!" „So ein Ochse," denke ich, „meine Ziege rennt doch weiß Gott nicht so!" Ich klettere also herunter und meine: „Was haste denn schon wieder, alter Spionierer? Heute habe ich doch mein Schild daran!" „Nu, du Sakermenter, da lies nur einmal, was auf deiner Firma daraufsteht!" „Das kann ich nicht lesen, da muß ich mir erst meine Brille suchen. Was steht denn daran?"