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„Major". Andere Patrouillen kehren nicht wieder und sind vom „Feinde" weggefangen worden. „An die Gewehre!" Trommelwirbel ruft zu den Waffen. Augenblicklich sind die Gewehrpyramiden und Trommelreihen, die wohlaus gerichtet auf dem Rasenplane standen, verschwunden. Bald steht alles in Reih und Glied. Die bergwärts lagernden „Pickelhauben" haben unmerklich ihr Lager verlassen und schicken sich an, eine neue Stellung über den Schießständen beziehen zu wollen. Durch Talmulden und Kartoffelfurchen arbeiten sie sich vorwärts. Hin und wieder taucht eine Helmspitze auf. Ihre vorgeschickten „Schlitzenschwärme" rücken sprungweise vorwärts. Das Schießen wird immer deutlicher vernehmbar. Unterdes haben auch die „Tscha kos" zum Angriff fertig gemacht. Stärkere Streifen wer den ansgesandt. „Schützenzug schwärmen!" „Das Gewehr über!" „Bataillon halt!" „Bataillon soll chargieren — ge laden!" „Zum Schuß fertig!" „Legt an!" „Feuer!" „Raten feuer!" „Schnellfeuer!" und andere Rufe werden hörbar. Die Parteien rücken näher aneinander. „Zur Attacke Ge wehr rechts!" Es geht zum Sturm vorwärts in fest geschlossener Front. Voran mit hochgeschwungenem Säbel der „Major". Hinter den „Kämpfenden" die Trommler, den Sturmmarsch schlagend. Hoch flattern die Fahnen. Mit einem kräftigen Hurra auf den Lippen rannen „Tschakos" und „Pickelhauben" gegen einander und durchschreiten mit hocherhobenen Gewehren die Reihen ihrer Gegner. Hurra rufe und Trommelwirbel schallen wirr durcheinander. Ein Zuruf des Exerziermeisters, und die beiden „Gegner" stehen sich in Reihe wieder friedlich gegenüber. Das Schulfest hatte seinen Höhepunkt erreicht. Noch einige Stunden fröhliches Treiben auf dem Festplatz. Dann kam der Abend ins Tal geschlichen. Die Jugend rüstete zum Einzug. Beim Scheine bunter Papierlaternen und unter dem Gesänge fröhlicher Weisen wurde zum Marktplatz ge zogen. Hier wurde noch in kurzen Ansprachen allen denen gedankt, die zum Gelingen des Festes beigetragen hatten. Juli 1914. Exerziermeister Hermann Pischel stand wie der einmal vor den Ostritzer Jungen und mühte sich ab. Eben sollte „zum Sturm" angetreten werden, da erklingen Helle Trompetensignale und verkünden den Ausbruch des Weltkrieges. Es war das letzte Schulfest bei dem „exer ziert" wurde. Hermann Pischel, der mit vaterländischer Begeisterung, hingebender Geduld und Selbstlosigkeit so viele Mal diese Soldatenspiele leitete, ist am 19. Juli 1919 zur großen Armee heimgegangen. Uns allen, die wir unter seiner Führung ein Schulfest erlebten, steht er in dank barer Erinnerung als freundlicher, aber auch strenger Exerziermeister. Und was wäre damals vor dem großen Kriege ein Schulfest ohne das „Exerzieren" gewesen! Die Zeiten haben sich gewandelt, und heute mutet uns das Ostritzer Schulfest mit seinem „Exerzieren" und seinem „Exerziermeister" an wie ein Märchen aus alten Zeiten. Etwas aus dem Neißetal, einem der schönsten Flußtäler der sächsischen Oberlausitz „Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausendmal." 502 Jahre sind es her, da läuteten an einem Maientage' die sonst so friedlich klingenden Klosterglocken von St. Marienthal Sturm. Vom nahen Böhmen her waren die Hussiten in die Oberlausitz eingebrochen. Rauchsäulen be zeichneten ihren Weg, Hirschfelde ging in Flammen auf und kurz vor dem Städtchen Ostritz brannten sie das dem Kloster benachbarte Höhendorf Seifersdorf nieder. Kein Stein blieb auf dem anderen. „Das alte Dorf" liest man an jener Stelle auf der Landkarte, und unweit der Stelle, die vor einem halben Jahrtausend so viel Jammer und Elend gesehen, steht einsam im Walde eine dem heiligen Siegfried von Schweden jll. 2. 1045, heilig gesprochen 1158) — S. Siegfried aus dem Orden des hl. Benedtktus, heil. Bischof von Veriö in Schweden, Fest am 15. 2. — geweihte Kapelle. Man sollte das Heiligenbild besser vor den Un bilden der Witterung schützen.) Wenn sich nicht zu Häup- ten des Heiligen ein Hornissenschwarm eingenistet hätte, wäre hier wohl das geeignetste Plätzchen, im Geiste die Geschichte des Neitzetales und seines Klosters an sich vor überziehen zu lassen. — Man muß es unseren Altvordern lassen — ein idyllisches Fleckchen Erde hatten sie mit dem Neißetal und seinen bewaldeten Höhen in Besitz genom men. Unweit der Stelle, wo die von Görlitz nach Zittau führende eingleisige Eisenbahn ins Neißetal einschwenkt, hatten schon die einst hier wohnenden Sorben auf steiler Felsenhöhe eine befestigte Anlage — der Bolksmund be hauptet sogar, an dieser Stelle hätte einst ein Schloß, die Burg Ostros gestanden — errichtet, deren Wälle heute noch erkennbar sind. Weithin blickt man von den Klippen hinein ins Tal. — Tief unten rauscht die Neiße ihr ewiges Wel lenlied. Am rechten Steilufer klingelt einige Male am Tage ein Eisenbahnzug entlang, sonst herrscht tiefster Frie den im stillen Neißetale, denn, was hiermit allen Natur freunden verraten sei, es ist noch nicht dem Automobil- und Motorradverkehr erschlossen. Meilenweit kann der Wandersmann durch das prächtige Tal dahinziehen. Gute Wege begleiten die Neiße und viele Nebentäler. Munter springen Bäche von Stein zu Stein — sei es der Kapellen bach zur rechten oder „die Mordbach" auf derselben Seite oder der Heilquell und der Wolfsbach bezw. die „Sau- pantsch" zur linken. Der nördliche Teil des Waldes gehört zum Kloster Marienthal, der südliche zum Revier Wittgen dorf des Zittauer Staötforstes. Beim Haltepunkt Rosen thal überquert die Eisenbahn zweimal einen nach Westen offenen Bogen der Neiße. Die südliche Brücke ist zugleich Fußgängerbrücke und bietet einen entzückenden Blick ins felsen- und wälderumsäumte Tal. Wir stärken uns in dem einzigen im Neißetal anzutreffenden, hirschkopfgeschmück ten Wirtshaus zum Neißetal (gleichzeitig Eisenbahnhalte punkt Rosenthal) und wandern über den Hochsteg hinüber nach der Ruine Nohnau. — Lange bevor die Hussiten ins Land drangen, saßen hier die Herren von Leipa, später war Jobst von Mähren Besitzer der Burg. Er konnte nicht verhindern, daß die von ihm eingesetzten Burgherren zu Raubrittern herabsanken, sodaß sich die „Sechsstädte" — Zittau an der Spitze — schließlich nicht anders helfen konnten, als dem Ritter von Rohnau Fehde anzusagen und mit königlicher Einwilligung im Januar 1399 die feste Burg zu zerstören. Zwei Meter starke und sieben Meter hohe Mauerreste künden von der entschwundenen Pracht. Wo einst die Zugbrücke iu den 118 Meter langen und 92 Meter breiten «Schloßhof führte, hat die Stadt Zittau unter uralten Linden 1794 ein Forsthaus errichtet. Und wer, wie ich, im schönen Nohnau am Neißetal seinen Frühlings-, Sommer- oder Herbsturlaub verbringt — fern vom Ge töse der Großstadt —, der kehrt am Abend beim Förster ein, um fröhlichen Umtrunk mit den Bürgern des Neiße- tals zu halten. Wenn es dann Mitternacht schlägt und man zum Aufbruch rüstet, fällt der Blick auf ein Gemälde, das die Burg um die Geisterstunde im fahlen Lichte des Mondes zeigt — der Ritter reitet, von seinen Knappen be gleitet, in den Burghof ein. Und es soll vorkommen, daß man dem Ritter noch jetzt in stürmischer Herbstnacht be gegnet. Wer es nicht glaubt, besuche die Burg und lasse sichs vom Förster erzählen. R. Grußdorf. Dverlttusrtzex d anSMeMe vefteltt W lest vte vtertEüyrliM L.LS »irr