Volltext Seite (XML)
rück. Daß im stolzen Bewußtsein selbstvollbrachter Tat die Bevölkerung an dem Bau lebhaftesten Anteil nahm, darf nicht verwundern. Überhaupt hatte man damals durch den Bau der Bahnlinien Dresden—Görlitz und Löbau—Zittau in den Jahren 1846—48 und durch den erhofften Ausbau vorhandener Eisen- und Salzquellen zu einem Heilbade außerordentlichen Sinn für Verkehrsfragen. Im Triumph zug brachte man die eisernen Turmteile auf bekränzten Wagen auf den Berg. In jugendlicher Begeisterung schlepp ten die Schulkinder auf kleinen Schlitten die Ziegel für den Fundamentbau hinauf. Innerhalb 9 Monaten stand das stolze Werk vollendet. Ein tragisches Ereignis trübte zum Schluß die Freude. Der Erbauer hatte dem Turm den Namen des regierenden Landesfürsten, Friedrich August II-, zugedacht und der Monarch wurde zur Einweihung er wartet. Da ereilte den beliebten König am 9. August 1854 ein jäher Tod durch einen Reiseunfall in den Alpen. Der Nachfolger auf Sachsens Thron, König Johann, besuchte noch im Oktober gleichen Jahres den Löbauer Berg und seinen prächtigen Turm. Der Bau des Turmes wurde zum Anlaß für den wei teren Ausbau des gut gepflegten Wegenetzes. Alljährlich erfreuen sich Tausende an der herrlichen Aussicht von den drei Galerien des Turmes. Da der Löbauer Berg am Nordrande des Lausitzer Berglandes liegt, breitet sich von hier das Heiöeflachland bis in dämmernde Fernen. Im großartigen Panorama bauen sich nach Süden, Osten und Westen die Berge der Oberlausitz bis zu den Höhen des Jser- und Erzgebirges auf. Für die Einheimischen wird das seltene Bauwerk stets ein Wahrzeichen hingebender Heimatliebe und ein Ehrenmal für seinen Erbauer bleiben. Ein Herrnhuter Maler Von dem deutschen Landschaftsmaler Adolf Lier aus Herrnhut, der die Stimmungsmalerei sPaysage intime) auf deutschen Boden verpflanzte, ist der breiten Masse wenig bekannt, obwohl es zahlreiche Quellen gibt, die über sein Leben und Werk Aufschluß geben. Außerdem befinden sich in größeren Bildersammlungen Werke von ihm, von den uns am nächsten gelegenen seien Dresden, Görlitz und Bautzen genannt. Am 21. Mai 1826 wurde Adolf Lier in Herrnhut als Sproß einer mecklenburgischen Familie geboren. Der Vater war ein Sohn eines Hofkttrschnermeisters in Schwe rin. Als Handwerksbursche wanderte er aus und kam nach Herrnhut, wo er als Goldschmied zuerst im Brüüerhaus und später in einem der jetzigen Schurterhäuser arbeitete. Infolge eines Konkurses eines Materialwarengeschäftes wechselte er seinen Beruf und gründete die noch heute be stehende Firma A. L. Lier. Er verheiratete sich mit Sophie Keiler, die schon längere Zeit der Brüdergemeine ange hörte, und wurde so auch Herrnhuter. Mecklenburger Blut und herrnhutischer Erziehungsgeist mögen so also auf den Knaben eingewirkt haben. Auf einer Reise nach Dresden empfing er die ersten Anregungen zur Malerei bei einem Besuche der Gemäldegalerie. Nach Mitteilungen der letzten persönlichen Verwandten, seiner Nichte Marie Lier, stammt das Maltalent aus der Keilerfchen Familie. Sie schreibt: „Eine Tante, Marie Emilie Keiler, hatte sich durch treff liche Kopien und Porträts einen guten Ruf in Dresden erworben. Demselben Zweig der Familie gehörte auch der Maler Arthur Gerlach, Schüler von Schnorr von Carols- feld, an, der später bis an sein Lebensende künstlerischer Direktor der Josephinenhütte bet Schreiberhau war. Ebenso zeigte eine früh verstorbene Schwester des Malers aus gesprochenes Zeichentalent." Adolf Lier wurde aber nicht gleich Maler, sondern be suchte 1840 die Baugewerkeschule in Zittau und leistete da bei auch in drei Semestern praktische Maurerarbeit. Hier auf folgte 1844 ein Besuch der Polytechnischen Schule in Dresden, wo Semper Lehrer war. Nun begann sein Wan derleben und die Umkehr zur Malerei. Hier hat er viel geleistet: der Reiz seiner Bilder ist seiner Veranlagung und seiner Liebe zur Natur, mit der er die Seele der Land schaft erfaßte, zuzuschreiben. Zur Malerei kam er 1849 in München durch den Ein fluß des Münchener Malers Zimmermann. Vorher war er 1848 nach Venedig gekommen, hatte auf der Rückkehr in Basel Aufenthalt genommen und war unter Hecker be geistert der badischen Revolution gefolgt. Als Lier nach München kam, war München der Sitz der stillen Land schaftsmalerei. Die Motive fand man leicht in Oberbayern, am Starnberger See, im Chiemgau und in Tirol. Neue Wege zeigten 1851 Spitzweg und Schleich: Paris, Barbigon. So schnell konnte sich aber Lier nicht entschlie ßen, erst 1861 ging er nach Frankreich. Zunächst war er über seine Reise nach Paris sehr enttäuscht, da die Erwar tungen, die er daran gestellt hatte, nicht erfüllt wurden. Erst nach der Rückkehr in die Heimat reiften die Früchte fran zösischen Einflusses. Die Rückreise erfolgte über Honfleur, Etretat, Brüssel, Antwerpen, Düsseldorf. In der deutschen Heimat verfolgte ihn bas Gute und Schöne der Landschafts malerei der französischen Meister Dupre, Daubinger, Corot, Rousseau. Das, was sich ihm aufdrängte, machte ihm klar, daß die wirkliche Poesie der Lanöschaftsmalerei in der schö nen, einfachen Natur selber liege und nie durch künstliche Mittel herbeigezaubert werden könne. Lier sagte selbst: „Von diesem Augenblick an glaube ich, erst wirklich das Verständnis für Kunst empfangen zu haben." Auf einer Reise l1868) nach Berlin folgte 1864 eine zweite Reise nach Frankreich. Der Aufenthalt erstreckte sich diesmal auf die Dauer eines Jahres und zeitigte ein gutes Ergebnis: Kopien nach Ruisdael und Hobbema, eine Lehre bei Dupre und eine Freundschaft mit dem Lehrer. Weitere Reisen führten ihn nach Holland und England. Von 1866 an finden wir ihn wieder in München, wo er bis 1878 eine sehr gesegnete und fruchtbare Zett verlebte. Weitesten Kreisen wurde er 1867 durch die Pariser Welt ausstellung bekannt, es war zur Blütezeit Menzels. Bei der Münchener Internationalen stellte er 1869 den franzö sischen Teil. Sein Haus an der Schwanthalerstraße in München zog viele Schüler an, von denen schon am An fang einige genannt wurden. Am 80. September 1882 starb er an einer Herzlähmung in Vahrn bei Brixen. Die neuere deutsche Landschaft kam von ihm. Über seine letzte Lebens zeit schreibt die schon erwähnte Nichte: „1882 durfte ich län gere Zeit im Hause des Maleronkels auf der Schwanthaler Straße in München weilen. Damals stand das fast voll endete Werk des Meisters auf der Staffelei, die Theresien- wiese mit der Bavaria, das er im Auftrage der Pinakothek ausführte. Eine gewisse Mattigkeit fiel bei dem sonst so lebenssrischen Manne auf. Den Monat August verbrachten wir auf der Rottmannshöhe, von der aus er noch größere Spaziergänge unternehmen konnte. Bald nach seiner Rück kehr nach München, Anfang September, stellten sich schwere Herzasthmaanfälle ein, die sich in bedrohlicher Weise wieder holten. Auf Anraten der Ärzte entschloß er sich zu einer Reise nach dem Süden Während einer Unterbrechungs-