Volltext Seite (XML)
sollte die Gesellschaft sich dieses Glückes erfreuen, denn ihre Zahl wurde immer schwacher, wodurch auch der Wert der Schießfeste sank. Am 5. August 1817 wurde vom Kloster Judicio St. Marienthal auf eine vom Königl. Oberamte zu Budissin den 4. Dezember 1801 von dem Kloster Judicio abgeforderte Anzeige in Betreff der Entstehung des in Reichenau jähr lich abzuhaltenüen Scheibenschießens nunmehr mittelst hoher Oberamtverordnung am 23. Juli d. I. anhero in- sinuirte Allerhöchste Reskript der Schützengesellschaft in Reichenau hiermit abschriftlich zugefertigt mit der Bedeu tung: „Daß, wenn diese Gesellschaft ihr Schießen fortstellen zu können wünschet, sie solches zum Behuf nachmaliger Suplikatiou vorher» geziement anzuzeigen und darum nachzusuchen hat." Schon untern: 11. Juni war uns aus Budissin berichtet worden: „Daß der Frau Äbtissin (Lau- rentia Knothin) des Klosters Marienthal erklärten Ent schließung, die Schützengesellschaft wiederum aufzuheben (man) es bewenden lasse, wie das unterm 21. v. M. an hero ergangene Reskript mit mehreren ersehen läßt — und der Erklärung der Fran Abtissin nunmehro behürig nachzukommen." — In einer Königl. Verordnung Dres den am 21. Juni 1817 wird den Ortschaften Hirschfelde, Neugersdorf, Ober- und Niedercunnersdorf und Haine walde das Abhalten der sogenannten Scheibenschießen nur insofern gestattet, daß sie sich künftighin des Mißbrauches des Warenverkaufes in Schrägen und Buden zuzulassen, fernerhin enthalten, bei namhafter Strafe auch sofortigen Wegfall des Schießens. „Übrigens ist der Abtissin zu St. Marienthal ihrer Erklärung gemäß die Aufhebung der Schützengesellschaft zu Reichenau und deren Artikel auf zugeben und begehren das nöthige weiter zu verfügen." — Diese Nachricht glich einem Blitzstrahl aus heitrem Him mel! — Aber ein Sprichwort lautet: „Es kann vor Nachts leicht anders werden, als es am frühen Morgen war." — Nach Verlauf einer sehr verhältnismäßig kurzen Zeit war das fernere Bestehen der Schüyengesellschaft geborgen. — Man höre und lese: Am 17. August 1817 kursierte ein Zirkularschreiben unter der Schützengesellschaft, welches 40 Mitglieder unterzeichnet hatten, von denen sich aber 12 wieder streichen ließen. Wir entnehmen demselben folgen des: Nachdem es die Auflösung der hiesigen Schützen gesellschaft zufolge hohen Befehles bekannt gegeben, fügt es noch bei: Die Mehrzahl der Mitglieder der Gesellschaft wünscht das Fortbestehen des Schießens, und geben sich auch der Hoffnung hin, ohne irgend eine Beschränkung in der Kleidung, oder sonstern, es durch ein unterthänigstes Suplik um Ertheilung einer Königl. Concession zu er langen. Denn: a) Dieses Verboth rührt blos von einem 1801 entstandenen Mißverständniß, welches beim jetzigen allgemeinen Auf heben der Landschießen erst zur Sprache gekommen zu sein scheint und b) wird Reichenau bei seiner Volksmenge, ansehnlichen Fabriksgeschäften und bedeutender Leistung von öffent lichen Abgaben, gewiß gegen andere Dorfschaften nicht zurücke gestellt werden. Sie erwarte diese Begünstigung auch schon deshalb, da ein Schießhaus und die zum Schießen nöthigen Jnventarten- stücke vorhanden sind und halten es für Pflicht, deshalb zu suppliciren und alle Mitglieder zum Beitritt einzuladen. Verweisen ferner: Auf ihre Artikel und Seren ordnungs volle Innehaltung. Bemerken auch: Daß auf dem Schieß hause und den vorräthigen Jnventarien noch 411 Thaler 2 Gr. 5 Pf. Schulden haften, welche in 6 Jahren durch ^jährige Raten gedeckt werden sollen. Es sollte pro Rate zahlen: Elteste, Officiere rc. 12 Gr., jeder Unterofficier 8 Gr., jeder Gemeine 6 Gr. Durch diese Beisteuer wurde jedes Mitglied von dem Aus- und Einzugsgelde befreit und wurde zugleich Mit besitzer des Schießhauses und der dazugehörigen Jnven- tariumsstücke. Wer binnen 8 Tagen unterschreibt, selbst wenn das Schießhaus bezahlt ist, muß 5 Thaler in unzer trennlicher Summe an die Kasse sofort entrichten und wird dann Miteigenthümer des Schießhauses rc. Es soll auch beim Abgänge jedes Mitglied zwei Drittel von seiner Bei steuerung, und wenn er mit Tode abgeht, die Seinigen das Ganze zurück erhalten. Außer er schenkt es freiwillig der Kasse. Die Zahl der Schützen darf Hundert nicht überstei gen. (Die Statuten vom 26. August 1817 bestimmten 8 1 nur 80 Schützen.) Neue rücken erst an offene Stellen ein. Wer sich jetzt unterschreibt oder unterschreiben läßt, wird nach dieser Nummer in die Schützenliste eingetragen, wer nicht unterschreibt, wird als ausgeschieden betrachtet rc. Dieses Supplik war mit einem ganz besonderen Glücks sterne begleitet. Schon am 26. August waren die geprüften Statuten von der Abtissin unterzeichnet, welche dann auf dem K. S. Schlosse Ortenburg zu Budissin am 14. Septbr. vom Kreisamtshauptmann Ernst Carl Gotthelf von Kiese wetter konfirmiert wurden. Von Dresden aus war alles schon am 22. August genehmigt worden. Der Schützengesell schaft wurde es erst am 19. Oktober 1818 publiziert. In das alte Gleis zurückgekehrt, waren die Tage der jähr lichen Schteßfeste nach althergebrachter Weife erhebende Freudentage nicht nur für die Schützenbrüöer, sondern es waren auch Volksfeste im wahren Sinne des Wortes. Gegen Ende der fünfziger und ganz besonders Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Mitgliederzahl der Schützengesellschaft um ein bedeu tendes gehoben, insbesondere durch Bildung einer Jäger kompanie rc. Ihr Areal vergrößerte sie durch Ankauf einer Wiese von der Klosterherrschaft, Erbauung eines neuen Schützenhauses und Zeltes. Letztere Bauten ließen sich nicht eher ins Leben rufen, bevor nicht eine Abänderung resp. Neugestaltung der Statuten ausgeführt war. Am 18. September 1868 abends 8 Uhr geschah deshalb die Neu wahl von 12 Ausschußpersonen im Saale des Zittauer Gutes, wo sich 128 Schützenmitglieder versammelt hatten. Es wählten die Blauuniformierten, die Jägerkompanie (grauen) und die Nichtuniformierten je 4 Ausschußmtt- glieder. Welche Bekleidung die Gesellschaft der Schützen 1686 trug, ist uns unbewußt. 1789 bestand dieselbe in dunkelblauer Farbe. 1878 geschah eine neue Uniformierung, Helme und Waffenröcke (blau). Die Jägerkvmpanie (grau). 1900 wurde der letzte Major und Kommandant zu Pferde von der Gene ralversammlung in der Person des Herrn Gutsbesitzers Karl Gottlieb L e u b n e r gewählt. In der Generalversamm lung am 28. April 1906 wurde die Umkleidung der Schützen- und Jägerkvmpanie, sowie Musikkapelle in deutsche Schützen uniform beschlossen. Der damalige Hotelier Emil Meyer wurde zum ersten Kommandant, Maschinensabrikant Max Ullrich als Stellvertreter gewählt. Im Jahre 1911 wurde der Gutsbesitzer Reinhard Staub als erster Kommandant zu Pferde, und als Adjutant Gasthofsbesttzer und Fleischer meister Paul Hartmann-Markersdorf gewählt. — Der Ehrenhauptmann der früheren blauuniformierten Schützen kompanie, Schmiedemeister Karl Tietze, war 68 Jahre lang ununterbrochen Mitglied der Gesellschaft und starb im Jahre 1916 im Alter von 86 Jahren. Als Förderer und Freund des deutschen Schützen wesens verstarb am 1. September 1919 der Ehrenvor sitzende der Gesellschaft, Herr Ernst Wilhelm Leub- n e r. 1866 trat er als Mitglied ein, 1884 wurde ihm das Amt eines Ältesten übertragen. 1891 übernahm derselbe den Vorsitz. 1916 konnte er auf eine 50 jährige Mitglied schaft zurückblicken. Wegen vorgerückten Alters und An hänglichkeit legte der sich um die Gesellschaft große Ver dienste erworbene Schützenbruder 1919 sein Amt als Vor sitzender nieder und wurde zum Ehrenvorsitzenden er nannt.