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Aus der Geschichte der Privilegierten Schützengesellschaft Reichenau In der Oberlausitz werden verschiedene Feste gefeiert, die wahre Volksfeste schon immer gewesen sind. Obwohl an den verschiedenen Orten abgehalten, ähneln sie doch in ihren Gebräuchen. Das läßt darauf schließen, daß sie auf Jahrhunderte altes Herkommen zurückgehen. Zu diesen Festen gehört das Schützenfest. Alte Regeln liegen gleich sam zugrunde. So ist überall der gleiche Vorgang zu be obachten: Aufzug der Schützen, Einzug der Bestschützen, Schießen nach der Scheibe, Proklamierung der neuen Würdenträger und Heimbringung derselben. Die Schützenfeste gehen zurück auf die Maispiele der alten Germanen. So wurde 1285 in Magdeburg ein Pfingst fest rittermäßig durchgeführt, wobei ein Mädchen als Preis ausgesetzt war. 1887 wurde in derselben Stadt ein Bogenschießen abgehalten. Als Preis winkte dem Sieger wieder eine Jungfrau. Seit 1300 entstehen in den deut schen Städten Genossenschaften oder auch Bruderschaften der Schützen. 1573 fand in Zwickau ein Schießen statt, wo bei ans 39 Ortschaften 187 Armbrustschützen zugegen waren. In Straßburg waren 1576 70 Orte vertreten, in Regens burg 1586 216 Schützen aus 35 Städten. Nach Augsburg kam 1508 sogar ein deutscher Schütze aus Paris. Die älteste Waffe war der Handbogen mit Pfeil, nach 1400 kommt das Feuerrohr auf, doch wurde die Armbrust beibehalten. Geschossen wurde nach dem Vogel auf der Stange, nach schwebenden Scheiben, nach der Schießwanö, nach der ge malten Holztafel. 1517 wurde in Zittau ein Schießen ab gehalten. Als Preise winkten ein Hengst, ein Ochse und anderes. 1528 folgten Grafenstein bei Zittau, 1536 Schweid nitz, 1543 und 1574 wieder Zittau. 1644 schoß man in Zittau nach einem gemalten Manne. In Zittau durfte der Schützenkönig frei Bier brauen, war er nicht ansässig, so durfte er dieses Recht einem Zit tauer Bürger verkaufen. Der Landesherr hat oftmals den Gesellschaften besondere Privilegien verliehen. So erließ die Kgl. Böhmische Kammer in Prag 1578 eine Verord nung, wonach in den Sechsstädten der Bestschütze ein Jahr lang steuerfrei bleiben sollte, war er ein Auswärtiger, dann erhielt er 10 Taler aus dem „Kayserlichen Oberlausitzischen Einkommen". Mit der Einführung der stehenden Heere verloren die Schützengesellschaften etwas von ihrer Bedeutung, wurden aber als Hilfsorgane der Polizei oftmals in Anspruch ge nommen, so 1734 und 1809 in Dresden. Die Aufrecht erhaltung der Ordnung ging auf die 1830 gebildeten Kom munalgarden über. Alle wehrfähigen Männer bis zum 50. Jahre mußten ihnen beitreten. Zur Pflege der Ge selligkeit uud des Schießsports blieben die Schützengesell schaften als private Vereinigungen erhalten auch über diesen Zeitpunkt hinaus. Durch Gesetz vom 22. November 1848 wurde bestimmt, daß in allen Orten eine Kommunal garde gebildet werden mußte. Ausgenommen waren kleine Gemeinden, die noch nicht 10 Wehrfähige aufbringen konn ten. Offiziere und Unteroffiziere wurden als Instruk toren zugeteilt. Die Gemeinden hatten für die Bewaff nung zu sorgen. Im nahen Hirschfelde geschieht schon 1549 die Erwäh nung einer Vogelstange und unser Reichenau hatte schon 1586 eine uniformierte Schüßengilde. Leider sind aber die Privilegien sUrkunden), gegeben den 19. April 1586 unter Kaiser Rudolf II., der zugleich König von Böhmen war, für Reichenau nicht mehr vorhanden. Ob dieselben den Flammen anheim gefallen oder in Kriegsdrangsalcn ihren Untergang gefunden haben, dar über schwebt ein Dunkel. Möglicherweise ließe sich anneh men, daß sie zu der Zeit, als die zu Böhmen gehörige Oberlausitz an Sachsen zuvörderst verpfändet (1611) und später (1636) gänzlich abgetrennt wurde, die hiesige Schützengesellschaft während der langen und schweren Lei den des 30 jährigen Krieges sich aufgelöst habe. Oder, hätte sie ihr Bestehen gesichert gehabt, doch vergessen, auch beim neuen Landesherrn, dem Kurfiirsten Johann Georg I., um Bestätigung ihrer Privilegien bittend, einzukommen. Über Beides bleiben wir im Unklaren. Erst nachdem die schweren Leiden des 30 jährigen Krie ges (1618 bis 1648), des schlesischen und 7 jährigen Krieges (1740 bis 1763), sowie des bayrischen Erbfolge- oder sogen, einjährigen Krieges (1778-79) vorüber waren, konnte man wieder leichter aufatmeu und bei ruhigerer Zett (1789) daran denken, ein fast 200 Jahre unterbrochenes und bei nahe eingeschlnmmertcs Schützenvergnügen (Volksfest) wieder ins Leben zu rufen. Die neu entworfenen Statu ten bestanden aus 28 Artikeln, welche man „An Jhro Hoch würden und Hochgebornen Gnaden der in Gott andäch tigen Fraun Maria Theresia geb. Gräfin von Hrzan (und Harras) des Königl. Gestifts- und Jungfräul. Klosters zu St. Marienthal Hocherwählter Abtissin und Domina, als eine unterthänige Vorstellung mit der Bitte: das über reichte Memorial gütigst zu autorisieren", übersendete. Unterm 30. Juli erfolgte die Konfirmation (Genehmigung) genannter Artikel. „Geben im Kloster zu St. Marienthal", und unterzeichnet: „Maria Theresia Abtissin (monopro pria)". Darin ist bemerkt: „Daß die vorliegende Schützen ordnung in allen Punkten genau beobachtet und nicht dar wieder gehandelt werde,' jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung: daß sie unferm Klostergestifts Dominio und herrschaftlichen Gerechtsamen auf keine Weise zum Abbruch oder Nachtheil gereiche, so wie wir auch Uns selbige nach oder ganz wieder aufzuheben, vorbehalten." Wenn es fer ner in dieser Zuschrift heißt: „Bei dieser neu errichteten Schützengesellschaft", so dürfte dies wohl eine Anspielung auf die frühere Schützengesellschaft geben. — Die Konfir mations-Urkunde nennt uns auch die erstech Vorsteher und Ältesten dieser „erneuerten Schützengesellschaft". Es waren dieselben (laut Wahl der Ortsherrschaft) folgende Personen: Gottfried Schönfelder, Johann Gottlieb Otto (Apotheker), Gottfried Grusche, Johann Gottlieb Lehmann, Jeremias Trenkler (Gerichts-Ältester), Johann Christoph Rolle, Johann Christoph Trenkler und Johann Gottfried Leupold. Genannte Abtissin hatte auch der Gesellschaft jährlich zwei Scheibenschießen mit festlichem Aus- und Einzuge ge stattet, welches auch bis zum Jahre 1800 ungestört aus geführt, aber von deren Nachfolgerin, der Abtifsin Apol lonia geb. Boigtin, aus der Schützengesellschaft unbekann ten Gründen verweigert wurde. Möglicherweife hatten die in einigen anderen Dörfern entstandenen Unruhen zu die sem Verbote Anlaß gegeben. Da aber derartiges in Reiche nau nicht vorgekommen war, erteilte das Oberamt zu Budissin unterm 9. März 1803 (an welches man sich ge wendet hatte) die Erlaubnis, das Pfingstschießen in ge wöhnlicher Weise mit Aus- uud Einzug abzuhalten, wel ches aber von der Klosterherrschaft der Schützengesellschaft erst unterm 9. Mai mitgeteilt wurde. — In diesem Jahre mußte hier wie anderwärts über die abgehaltenen Jahres schießen an Pfingsten und Bartholomäi ein Bericht an die Ortsherrschaften eingereicht werden. Der Bericht der Schützenältesten über das abgehaltene Bartholomäischießen 1803 an den Klostersekretär Glückselig in Marienthal lau tet: „Das Bartholomäi-Schießen ist in bester Ordnung ab gelaufen und der Häusler und Faktor Christian Herbich hat den Königs- und den Marschallsschuß Gotthels Trau gott Haselbach gethan re. Die Gewinnsumme, 16 Posten, betrug 21 Taler und 6 Groschen." Aber kaum 18 Jahre