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blickt, dann ertönt über einem urplötzlich ein Helles, lautes „kjaak, kjaak, kjaak kjak", der scharfe Schlachtruf des schneidigsten, edelsten und — seltensten Raubvogels unserer Oberlausitzer Wälder, des Wanderfalken. Es be rührt einen eigenartig, wenn man hier aus einem so klei nen Stückchen Heimatboöen zwei der schönsten und ver schiedensten Naturdenkmäler beisammen findet. Den Wanderfalken, der bereits vier Jahre hindurch die Brutzeit hier verlebt und seine Jungen mit allerlei Flugwild hochgeatzt hat (die Nummern einiger Brief taubenfüße, die von Herrn Förster Schumacher gefunden wurden, sind von ihm den betreffenden Taubenzüchter vereinen mitgeteilt worden) konnten die Beamten der Weißkvllmer Forstverwaltung, sowohl als auch ich wieder holt dabei beobachten, daß er in seiner Kühnheit auf alte Reiher herabstieß. Es ist ein herrlicher Anblick, wenn der schneidige Räuber dem verängstigten Reiher ins Genick oder in die Schultern fährt, so daß derselbe laute Angstschreie ansstößt, bis ihn der Falke wieder freigibt. Da erlebt man Vergangenheit, Mittelalter, wo man die edle Jagd, die Falknerei trieb und mit Falk und Habicht auf Reiher, Kranich und Birkwild beizte! — Aus dieser Tatsache her aus, daß der Wanderfalke Reiher angreift, warf Herr Oberförster Manthey-Weißkollm die Frage auf, ob durch denselben eine Verminderung des Bestandes eintreten könne. Aus der in den letzten Jahren erfolgten Zunahme und der Beobachtung heraus, daß der Falke bei seinem An griffen nie ernstlich zu Werke ging, sondern meist nur spiele risch auf Reiher herabstieß und selten mehr als einen Meter Flugstrecke auf diesen aufsaß, möchte ich sie ver neinen und trotzdem ist ein Aufenthalt gerade hier, in der Kolonie nicht zwecklos, denn es brüten noch eine Anzahl andere Vögel hier, die man sonst in ausgedehnten Kiefern wäldern zum Teil nicht findet. Obwohl ich es nicht an nehme, ist es möglich, daß der Wanderfalk einen Altvogel vom Horstbaum Nr. 4 geschlagen hat, so daß die Brut um kam, unmöglich ist es aber, daß der Raubvogel den Reiher in seinen Horst bringen konnte und man müßte, falls er es versucht hätte, ihn in Teilen dahin zu bringen, Reste ge funden haben. — 1926 und 1927 brütete der Wanderfalk in einem Horst etwa 130 Meter vom nächsten besetzten Reiher horst entfernt und 18—18 Meter hoch in einer Astgabel lie gend. Im nächsten Jahre ist er dann in Sie Kolonie selbst eingewandert und was darüber wissenswert ist, findet sich in der Statistik. — Wenn man in der Kolonie ist und nicht zufällig beobachtet, wie der Wanderfalk auf Reiher herab stößt, kann man glauben, das Verhältnis zwischen beiden sei ganz gedeihlich. Dem ist aber nicht so, denn jeder Reiher sucht ängstlich ans dem Bereich des Raubvogels zu kommen und ferner ist dafür bezeichnend, daß sich die Reihernester Heuer mehr nach Norden verteilen und die höchsten Bäume, die nahe bei dem Wandersalkenhorst stehen, unbesetzt sind. Ich habe erst angedentet, daß in der Kolonie noch andere Vögel Mitbewohner sind und eventuell als Nah rung des Wanderfalken in Frage kommen. Die Dohle be sucht die Kolonie im zeitigen Frühjahr in größeren Zügen, bleibt aber zur Brut nicht hier, da sie nicht genügend Nistgclegenheiten findet. Hohl- und Ringeltaube brüten hier verschiedentlich, wenn auch zum größten Teil nicht unmittelbar im Kolonieforst. Ferner hat ein drittes Natur denkmal hier gebrütet, die Blaurake, und zwar vor vier Jahren das letzte Mal les wurde damals von Herrn Schu macher eine aus der Höhle gefallene junge Rake gefunden). Hier liegt nun allerdings die Vermutung nahe, daß sie der Wanderfalke ans dem Kerbholz hat — aber ist das nicht nach dem Gesetz der Natur gerechtfertigt, sollte man des halb dem Raubvogel gram sein? — Im Kolonieforst, wahr scheinlich sogar in einem Baume, auf dem Reiher horsten, brütet der Schwarzspecht, dazu als Vertreter der Nacht raubvögel, der Waldkauz und in dem Fichtennnterholz ruht tagsüber die Nachtschwalbe, alle drei wieder Vögel, die man stets gern und nicht allzu häufig sieht, denn der Walökauz hat im letzten Winter stark gelitten. Den Eichelhäher konnte ich Hier ebenfalls mehrfach beobachten und dann frühmor gens das vielstimmige Konzert der kleineren Vögel. Früh in der 4. oder 5. Stunde, wenn einen der nasse Tau und die Kälte weckt — ich habe verschiedene Male im Zelt mit ten in der Kolonie übernachtet, um mir keine Beobachtung entgehen zu lassen —, dann hört man alle die lieben, dem Städter wohlbekannten Vogellaute. Die Schwarzdrossel, unsere Amsel, die wir nur in den Promenaden und Vor stadtgärten der Städte meinen, die Singdrossel, die schon eher in den Wald zieht, und der übermütige Buchfink, sie alle jubeln und — haben ihre Nester hier. Daneben hört man aber noch andere Vögel: Den Pirol mit seinem wohl bekannten „dvüüdlio", die Misteldrossel ? — allerdings nicht genau verhört), div. Meisen, Laubvögel, ja selbst Gras mücken und Rotkehlchen und über dem angrenzenden Kahl schlag trillernde Heidelerchen. Zweimal balzten früh zwei Kuckucke in der Kolonie, das eine Mal unmittelbar unter dem Wanderfalkenhorst, sicher ein Bild, das sich selbst dem Ornithologen nicht oft bietet. — Ja, die grauen Reiher brüten hier nicht allein, ihre Kolonie ist ein Dorado für die verschiedensten anderen Vögel. Die Fischreiherkolonie bei Weißkollm ist wohl in ihrer Abgeschlossenheit das wertvollste Naturdenkmal der Ober lausitz und es ist daher die Aufgabe aller, sie noch über Jahrzehnte hinaus zu erhalten. Von Seiten der Forst- so wie Gutsverwaltung Weißkollm ist ihr ein hervorragender, vorbildlicher Schutz gewährleistet, der mit der Steigerung Ser Notlage des Fischreihers wächst. Deshalb ist jetzt von der Forstverwaltung, von Herrn Oberförster Manthey und Herrn Förster Schumacher der sehr zu begrüßende Plan ausgearbeitet worden, das Betreten der Kolonie durch meh rere Verbotstafeln zu unterbinden, bzw. nur mit beson derer Erlaubnis der beiden Herren zu gestatten. Dieser Plan wird noch in diesem Jahre zur Ausführung kommen und endlich damit Schluß machen, daß jene „Naturfreunde" störend auftreten, die nur ein bewunderndes „Ah" oder „Oh" hervorbringen, im übrigen aber kein Interesse an der Sache haben und es lieber vorziehen, ihren Lagerplatz, wo sie ihr Frühstück aßen, mit Papier, Hühnereierschalenresten und dergleichen Dingen zu markieren und die ohnehin schon scheuen Reiher noch mißtrauischer machen. O — hier in der Kolonie kann selbst der erfolgreichste Vogelschützler zum finstersten Pessimisten werden, wenn er sieht, daß selbst schon die Menschen, die sich wirklich aufmachen, die Kolonie zu besuchen, meist nicht das geringste Verständnis haben, sondern nur aus Neugier, nur um den Reiher nicht nur in zoologischen Gärten gesehen zu haben, hierher kommen. Es wird mir ferner jeder Naturwissenschaftler nachfühlen können, daß es nichts Ärgerlicheres gibt, als wenn man halbe Tage auf einem Baume hockt und aller Stunden eine Kolonie „interessierter" Menschenkinder anmarschiert, die mit ihren bunten Sommerkleidern und ihrem noch auf fälligerem Geschwätz sämtliche Reiher wieder fortjagt, die sich glücklich an den regungslos in der Baumkrone sitzen den Beobachter gewöhnt haben und ohne Argwohn dem Brutgeschäft nachgehen. Und erst wenn die Leute einen er blicken, dann ist es bestimmt das beste, man steigt sofort herunter, denn sonst wird der Baum belagert, mit fabel hafter Ausdauer, da es doch zu interessant ist, wie „der" von der Kiefer herunter kommt. — Ich möchte deshalb Herrn Schumacher und Herrn Manthey auch an dieser Stelle im Namen aller Naturfreunde, die sich mir anschließen wollen, Dank für ihre Bemühungen um die Reiherkolonie sagen, da es allein ihr Verdienst ist, daß Reiher sowie Wanderfalken hier eine Freistatt, ein ungestörtes Brut gebiet, erhalten haben. Wenn aber der Reiherbestand in seinem jetzigen Umfange bestehen bleiben soll, dann muß auch der Fischereiberechtigte sein Teil dazu beitragen, und daß er dies tut, wollen wir hoffen!