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den letzten Resten des Rests, das bereits zur Hälfte herabgefallen ist. — Sämtliche übrigen Horste sind heute völlig verlassen. Nur vereinzelt streichen noch Reiher über die Kolonie. Der Vollständigkeit und des Interesses halber möchte ich im Anschluß daran noch einen vor mehreren Jahren errichteten Einzelbrutplatz des Fischreihers im Forstrevier Weißkollm angeben. Er befand sich etwa 1 Kilometer nord westlich der Kolonie auf einer Kiefer von durchschnittlichem Alter. Demnach ist die Zahl der Weißkollmer Brutpaare in den letzten Jahren erfreulicherweise stark gestiegen! — Ober förster Förster (früher Weißkollm) meldete Krohn 1902 zu seiner Arbeit über den Reiherbestand Deutschlands 18 be setzte Nester. Stolz traf 1911 12—15 und Herr (Museums direktor, Dr., Görlitz) 1923 nur 7 besetzte Horste an. In den zwei nächsten Jahren muß von irgend einer Seite eine starke Zuwanderung stattgefunden haben, denn Eichner ver anschlagt den Bestand für 1925 mit 15 Brutpaaren. Obwohl ich von 1925 keinen eigenen Beleg habe und Pax in seinem Werk *) schreibt „ . . . diese letzte Angabe (diejenige Eich- ners) ist wahrscheinlich zu hoch gegriffen", möchte ich Eich ner nach meinen Erfahrungen bestimmt Recht geben, zumal die Kolonie 1928 ebenfalls 15 Paare zählte (daneben 13 un besetzte Nester). 1929 sind es nun neben 12 unbesetzten 18 besetzte Nester gewesen und wir wollen hoffen, daß sich der Bestand bei dem derzeit herrschenden Abschuß nicht ebenso schnell wieder reduziert! Eigentlich muß ich sagen 18 Brut paare, denn — wie aus der Statistik hervorgeht — ist in drei Horsten keine Brut hochgekommen, so daß Weißkollm 1929 etwa 50 Jungreiher hochgebracht haben dürfte. Diese Zahl ist allerdings leider nicht genau, da ich nicht für jedes Nest die Zahl der hochgekommenen Jungreiher angeben kann. Die Anlage der Reihernester geht in zwei Methoden vor sich. Die eine Art, das Nest auf dem äußersten Ende des Stammes aufzulegen, die bei Lanbbäumen von selbst wegfällt, da sich bei diesen keine durchlaufenden, geraden Stämme finden, war bei vier Horsten (Nr. 4, 19, 20, 23) sehr gut ausgeprägt, während die übrigen Nester zum Teil auf sehr dünnen Nebenästen angebracht sind, die nun von unten noch schwächer erscheinen, so daß man es kaum glauben sollte, daß sie ein so großes Nest tragen können (geschweige denn auch noch einen Menschen, der das Nest vermessen will!). Diese Annahme ist nun allerdings ungerechtfertigt, denn die Horste der Reiher sind sehr leicht gebaut und hal ten verschiedentlich gerade die Brutzeit aus (S. Nr. 23). Es gibt nun allerdings auch Nester, die Jahre, vielleicht Jahr zehnte hindurch ausgehalten haben, aber dafür auch auf ganz besonders günstigen, festen Unterlagen liegen und jährlich ausgebessert, vergrößert worden sind. Trotzdem ist der Reiherhorst meist viel kleiner als das Storchnest und mißt durchschnittlich 80—85 Zentimeter,' für unsere Kolonie ist ein Nest mit mehr als einem Meter Durchmesser schon ziemlich selten. Deshalb erscheint es mir ganz begreiflich, wenn in einer Arbeit über die Kolonie bei Weißkollm, die ich in einer Tageszeitung fand, von „mächtigen, fast zwei Meter großen Bauwerken aus Reisern" geredet wird. Hätte der Verfasser damit den Umfang der Nester gemeint, so wäre etwa das Richtige getroffen worden, denn der Reiher begnügt sich auch schon mit einem Nest mit 60, ja 55 Zenti meter Durchmesser. — Das Baumaterial der Nester besteht fast ausschließlich aus dürren Kiefernzweigen von aller- höchstens Fingerstärke. Erde- oder Lehmteile werden fast nicht verwendet (bei Storchnestern dagegen sehr viel), da mit die Horste nicht zu stark auf den Asten lasten. Der Nest- boden ist mit Würzelchen, kahlen Heidestengeln, verschie dentlich auch mit Gras ausgelegt, ist in der Brutzeit mehr oder weniger stark ausgehöhlt, wird aber dann von den Jungen ganz flach ausgetreten. — Die Eier, die in Gelegen *) Pax, Die Wirbeltierfauna Schlesiens, 1925. von 3—5 Stück von beiden Alten abwechselnd (!) bebrütet werden, sind nach meinen Messungen 60 bis 64 Millimeter lang, also verhältnismäßig klein, und an beiden Enden ab gerundet, so daß man, so merkwürdig es klingen mag, von keiner Eiform sprechen kann, da ihnen das Typische, die Spitze, fehlt. Sie sind leicht rauhschalig und matt meergrün gefärbt. Die Brutzeit der einzelnen Paare ist sehr verschieden, so daß in manchen Nestern erst die Jungen ausfallen, wenn in anderen die Brut schon aufrecht steht. Jungreiher, die erst wenige Tage alt sind, sind mit grauweißen Dunen be deckt und bekommen etwa nach 12 bis 14 Tagen die ersten Ansätze zu den Schwungfedern. Im Verlaufe der nächsten 30 Tage entwickeln sie sich sehr rasch und werden bald den Alten ähnlich, obwohl sie noch nicht ausgefärbt sind. Sehr kräftig sind vor allem die Ständer entwickelt, während der Schnabel, der schon fast seiner Vollänge besitzt, noch weich und biegsam, vor allem aber erstaunlich erweiterungsfähig ist. Daß Fischreiher und namentlich deren Junge ein häß liches oder wenigstens hämisches Aussehen haben, kann ich nicht unterstreichen. Wenn auch der Jungreiher nicht so sanft und apathisch ist, wie der kleine Storch, muß ich doch sagen, daß ich am Reiherhorst ebenso gern gestanden habe, wie am Storchnest, zumal die Umgebung des ersten, die Baumkronen mit den anderen Nestern, einen so eigen artigen Reiz urwüchsiger Natnrschönheit ausströmt. Die Nahrung, die der Altreiher aus Teichgebieten im Umkreise von 20—30 Kilometer zusammen tragen, wird entweder, wie vom Storch, in den Horst geworfen, oder aber von den Jungen aus dem Rachen des Alten auf gefangen, indem sie mit ihrem Schnabel guer über den des Alten beißen. Meist geht die Fütterung mit lautem Ge schrei vor sich, das sich danu, wenn die Jungreiher die Beute verschlingen, langsam legt. — Anfang Juli fliegen die Jungen aus, einige eher, einige später. Sie fliegen tags über mit den Alten in die Teichgebiete, kehren aber am Abend zurück und werden dann in der Nacht — was noch nicht der Fall ist, wenn die Jungen klein sind — im Nest gefüttert. — Die ersten Jungreiher werden in sächsischen Teichgebieten etwa am 6. bis 8. Juli geschossen. So ist das Leben in der Reiherkolonie auch heute noch ungeheuer rege, und man kann Tage dort verbringen, ohne zu ermüden, das Flugbild des grauen Reihers immer wieder zu beobachten, das mit seiner Eigenart, dem zurück gelegten Hals, so ganz anders wirkt, als das von Storch und Kranich. Freilich konnte ich es auch mehrfach beobach ten, daß der Reiher, namentlich beim Abflug vom Nest, bis weilen eine Strecke mit ausgestrecktem Halse fliegt, aber das sind Ausnahmen, mit denen man für gewöhnlich nicht rechnen darf. — Auf dem Erdboden in der Kolonie finden sich so in der Zeit um Ende Mai die blaßgrünen Eier schalen, oft mehr als zwei Dritteile der Vollgröße des Eis umfassend, daneben liegen vereinzelt Federn und später, wenn die Jungen im Horst stehen, bildet sich ein Kreis von weißem Auswurf unter den Bäumen; alles das vervoll ständigt den eigenartigen Charakter einer Reihersiedlung. Und erst das Aussehen der Kolonie von einer der Riesen kiefern! Tief unten drängt sich das 25 jährige Fichtenholz nm die Horstbäume und hoch darüber steht man und über sieht die weitausladenden, dunkelgrünen Baumkronen, auf denen wie kleine Inseln die Horste der Reiher verteilt sind. Um und über einem ziehen die Reiher, fallen auf den Hor sten ein, atzen die Jungen, steigen wieder hoch und ver schwinden langsam hinter den unendlichen dunklen Kiefern wäldern. Nichts als Sonne, Himmel und riesige grüne Kiefernkronen, die die Reiherhorste tragen, dazu die Reiher selbst, ab und zu ein Bussard, manchmal sogar ein Rauh fußbussard, da fühlt man, daß man auf dem Boden einer unverfälschten Natur steht! Und wenn man dann über die Bäume hinweg den am Horizonte ziehenden Reihern nach-