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Magenuntersuchungen verwandten Fischreiher verdanke, hatten wir, mein Freund, der Ornithologe W. Scholze- Bautzen, und ich, verschiedentlich Gelegenheit, eine Fisch reiherjagd mitzumachen. Der von dem gut in Deckung stehenden Forstmann mit täuschend ähnlich nachgeahmten Netherschrei angernfene Vogel lenkt meist sofort ein und kommt damit in die Reichweite des Jagdgewehrs. Der daraufhin tödlich getroffene oder verwundete Reiher wirft sich noch etwa 30 Zentimeter hoch, zieht dann die Flügel an den Leib an und fällt wie ein Stein mit ungeheurer Wucht herab. Über das Verhalten des verwundeten Reihers möchte ich eine Notiz aus meiner Kartothek anführen: Der Fischreiher hatte einen Schrot durch den Flttgelknochen er halten, stürzte aber in der gleichen Weise ab, wie ein töd lich getroffener Reiher. Er war jedoch keineswegs tot, son dern suchte in dem ea. 70 Zentimeter tiefen Wasser zu entfliehen und wehrte sich mit dem Schnabel und dem noch gesunden Flügel, als ich ihn einfing.... Der Schrei des todwunden Reihers gleicht entfernt dem Geschrei einer aufgeregten Gans, dem das durchdringende Kreischen fehlt. Der Schrei ist vielmehr trompetend, rührend wehmütig und wütend zugleich, daß einem das tragische Sterben eines Reihers, für uns eines Naturdenkmals, von helden hafter Größe erscheint, tieftraurig und schön ist. — Neben bei möchte ich hier erwähnen, daß ich mir im vergangenen Sommer einmal „Neiherbrust" zubereiten ließ, um sie aus Interesse zu essen. Wenn Krohn 's) selbst Reiherbrüste junger Exemplare als „recht fragwürdige Delikatesse" be zeichnet, kann ich ihm nicht beistimmcn, denn ich muß sagen, daß die nach Art des Rehbratens zubereiteten Brustmus keln des Fischreihers einen ganz hervorragenden Geschmack haben, der dem des Rehs sehr ähnlich ist, aber keinesfalls — was vielleicht mancher denken könnte — mit dem des Wildgeflügels verglichen werden darf. Die interessantesten Wesenszüge des Fischreihers sind jedoch, wie fast immer in der Vogelwelt, in der Brut und Aufznchtzeit zu beobachten. — Außer den einzelnen Exem plaren, die nach verschiedenen Meldungen bei uns über wintern, kehren die Reiher in der Regel Anfang, meist Mitte März zurück. Von Ende März bis Mitte April be ginnen die verschiedenen Paare das Brutgeschäft, so daß die Jungen einzelner Nester in großen Altersunter schieden stehen. Es ist nun interessant, daß sich gerade beim Fischreiher der doch stark verfolgt wird, das gesellschaftliche Brüten in Kolonien erhalten hat, während der Storch diese Brut form, die auch für ihn die Ursprüngliche ist, aufgegeben hat. — Einzelbrutplätze vom Fischreiher sind verhältnis mäßig wenig bekannt, einesteils weil sie weit schwerer ansfindig zu machen sind und andererseits, eben weil sie nicht allzu häufig sind. Nach Krohn f) bestanden am An fang unseres Jahrhunderts in Deutschland (mit abgetr. Gebieten) 92 lebende Reiherstände, wahrscheinlich sind es noch eine Anzahl mehr gewesen, da seine Arbeit ver schiedentlich doch nicht die nötige amtliche Unterstützung fand und verschiedene Lücken anfweist. In unserer Oberlausitzer Heimat besteht die einzige und letzte Reiheransiedlung bei Weißkollm, etwa 10 Kilo meter von der sächsischen Grenze entfernt. Sie ist als einzigartiges Naturdenkmal einer der vielen stummen Zeugen von dem überlebten Tierreichtum, der vor Zeiten unsere Heimat bevölkerte. — Nach den Angaben, die der zuständige Forstbeamte, Herr Förster Schumacher-Weiß- kvllm — in dessen Schutzrevier sich der Koloniefvrst be findet —, und ich selbst von alten Weißkvllmer Einwohnern erhielten, besteht die Kolonie seit „Menschengedenken", be stimmt seit mehr als hundert Jahren, und ist demnach die f) Krohn, Der Fischreiher und seine Verbreitung in Deutschland, Leipzig 1903. älteste der drei heute noch lebenden Reiherkolonien der Provinz Schlesien. Über die ursprüngliche Verfassung der Kolonie liegen mir einige interessante Angaben vor: Der uralte Kiefern forst, in dessen heute noch erhaltenen kleinen Teil die Reiher horsten, hatte nach den an Hand der Revierkarte von Herrn Förster Schumacher angestellten Berechnungen vor 1883 eine Ausdehnung von ISO—160 Morgen. Auf etwa zwei Drittel von diesem Gebiet verteilten sich die Horste der Reiher. Der ücnualige Bestand, der größtenteils frei von Unterholz gewesen ist, war weit dichter, als es aus dem heute noch vorhandenen Rest zu ersehen ist: „Die Kronäste der Riesenkiefern — die schon damals bis über dreißig Meter Höhe hatten — verwuchsen miteinander zu einer fast undurchdringlichen Decke, so daß man im Forst wie im Dunkel stand," erzählten übereinstimmend in ähn licher Weise mehrere alte Bewohner Weitzkollms, die als alte Nestzahl über 300, über 400, ja bis zu MO angaben, Zahlen, die immerhin einleuchten — wenn auch diese Schätzungen der alten Leute nicht allzu genau genommen werden dürfen —, wenn inan mit dem dichten Bestand und den durchaus glaubwürdigen Aussagen rechnet, daß ein zelne Bäume vier, fünf und sechs besetzte Horste trugen (der erste dieser Fälle war sogar noch 1928 vertreten). Nach dem so Jahrhunderte hindurch ein ungeheuer reges Leben in der Kolonie geherrscht hatte, ließ der damalige Besitzer, ein Herr von Lüttichau, in den Jahren 1883 und 1884 den weitaus größten Teil des urwüchsigen Forstes schlagen und muß mit den Unmengen Holz einen ganz riesenhaften Geldbetrag erzielt haben. Eine von Südosten eigens dazu in den Forst eingeftthrte Waldbahn hatte zur Aufgabe, die Stämme abzufahren. Dadurch ist das mächtige Altholz so stark reduziert worden, daß der heutige Bestand nur noch 3,6 Hektar umfaßt. In dem 1884 seltsamerweise verschonten Waldstück mit einer Grundfläche von 3,6 Hektar ist bis heute kein nam hafter Abtrieb mehr erfolgt. In den letzten Jahren muß ten einige Bäume — die keine Horste trugen — heraüs- genommen werden, da sie krank oder vom Blitz getroffen waren. Eine an. einer dieser Kiefern angestellte Jahrcs- rtngzählung (die Ringe waren verschiedentlich so fein, daß die Lupe aushelfen mußte) ergab ein Alter von 216 Jah ren, sicher ist aber, daß ein Teil der ältesten Bäume bis mindestens 260 Jahre überdauert hat. Danach ist das Alter der Bäume in vielen Schriften unterschätzt worden. Wenn ich auch kein Alter von 3—4 Jahrhunderten angeben kann, wie ich es auch schon für den Kolonieforst bei Weißkollm gefunden habe, reicht doch das von Herrn Schumacher mit großer Mühe ausgezählte Alter von 216 Jahren völlig aus, um den Kiefernforst zu den ältesten dieser Art in den Oberlausitzer Wäldern zu zählen. — Die Höhe der Bäume gebe ich mit durchschnittlich mindestens 28—29 Meter an; zwei von mir von oben abgelotete Bäume (Nr. 19 und 1) maßen reichlich 31 und 33 Meter. Der Stammumfang — in Brusthöhe gemessen — der mit Horsten besetzten Bäume schwankt zwischen (1,25 — Ausnahme) 1,S0 und 2,70 Meter. Fast alle diese mächtigen Kiefern sind im Laufe der zwei Jahrhunderte ihrer Lebensdauer stark mitgenommen wor den und stehen entweder schräg oder sind stark gebogen, natürlich, der häufigen Westwinde wegen, fast ausnahms los nach Osten und stellen in ihrer gebeugten Größe ein herrliches Bild urwüchsiger Naturschönheit dar —, sie sind selbst schon allein Naturdenkmäler! Auf diese Bäume sind die Horste der Reiher verteilt, freilich weit mehr als es noch brütende Paare gibt. — Im Frühjahr 1929 habe ich mich oft tage- und nächtelang in der Kolonie aufgehalten, um den Bestand der brüten den Paare genau festzulegen und um ferner einen genauen Plan der Kolonie mit der Lage der einzelnen Horstbäume zu erhalten, der auch nach stundenlanger Vermessung fertig-