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bobert oder aufsprudelt, wie etwa der Bober, sondern wie ein stiller und sachter Regen ihr klares Wasser sachte und unvermerkt von sich flösset". Als ob ein Volk, das nach dem Namen für einen großen Fluß sucht, bis zu den äußersten, im Gebirgswald tief versteckten Quellwiesen hinaufziehen würde und dort Untersuchungen über die Eigentümlichkeiten der Quelle anstellen! Nein, nicht am Oberlauf und an der Quelle empfingen die Flüsse in der Regel ihren Namen, sondern erst da, wo sie als Hindernis von Wanderungen oder anderseits als Verbindungsstraßen in Betracht kommen, im Unter- oder Mittellauf. Ein sehr deutlicher Beweis dafür ist der Umstand, daß oft über die Quellbäche und Quellflüsse, ja über den gesamten Oberlauf eines Flusses lange Zeit hindurch Streit und Un klarheit gewesen ist, was sich darin zeigt, daß mehrere Wasserläufe, die sich dann vereinigen, denselben Namen führen, wenn auch vielleicht durch allerhand Beifügungen unterschieden, und somit den Anspruch erheben, der Haupt quellfluß des betreffenden Stromes zu sein. Wir erinnern an den Vorder- und Hinterrhein, den Roten und Weißen Main, die Wilde und Stille Adler (zur Elbe gehend), die Schwarze, Weiße und Schnelle Korös (zur Theiß), die ser bische und bulgarische Morama, den Schwarzen und Wei ßen Drin, die Dora Riparia und Dora Beltea, den Bar el Asrek und Bar el Abiad. Besonders zahlreiche Beispiele bietet das Elbgebiet. Da haben wir die Schwarze und die Weihe Elster, wobei aber unter letzterer weniger die jetzt so genannte (Leipziger) in Betracht kommt, sondern das Schwarz wasser (bei Königswartha),- denn dies heißt auf alten Karten die Weiße (oder Schnee-) Elster. Die Pockau entsteht aus der Schwarzen und Weißen, die Weißeritz aus der Wilden und Roten, die Mulde aus der Zwickauer und Freiberger, ja, ältere Schriftsteller reden wohl auch von einer Zschopau er. Die Zwickauer wieder ent steht aus einer Roten und Weißen. Unzählige Bei spiele ließen sich den genannten noch anreihen. Eben dahin gehört die nicht seltene Erscheinung, daß die Quellflüsse einen ganz andern Namen führen, als der durch ihre Vereinigung entstandene Fluß. Das berühmteste deut sche Beispiel würden die Werra und Fulda bieten, wenn nicht Weser und Werra auf denselben Stamm zurückzuführen wären. Dagegen gehört die Donau hier her, deren Ouellflüsse Br ege und Brigach sind. Seb nitz und Polenz heißen vereinigt die Lachsbach. Das Lausitzer S ch w a r z w a s s e r wird durch Zusammenfluß der Bäche Schmoliza und Trechowka (auch Langes und Tröbigausches Wasser genant) gebildet. Wir sehen aus solchen Namen deutlich, wie sich die Be nennung der Flüsse vollzog: Der Name entstand am Unter- oder Mittellauf. Aufwärts am Flusse ziehend kam man au eine Stelle, wo sich der Wasserlauf nach oben hin spaltete und zwei etwa gleich große Quell flüsse oder -bäche zusammentrafen. Da war man ratlos und wußte nicht, welches dieser Gewässer den für den bisherigen Wasserlauf bereits festgestellten Namen nun weiter tragen sollte. Zumeist wird man den Quellfluß gewählt haben, an dem man zufällig weiter zog. Andre Ansiedler benannten den andern Quellfluß, an dem sie sich nieder ließen, ebenso. Schließlich blieb nichts übrig, als beide durch ein Attribut zu unterscheiden, wenn man nicht für einen oder für alle beide einen neuen Namen erfinden wollte. Der zweite von diesen drei Fällen mußte cintreten, wenn man bei schärferer Beobachtung allmählich fand, daß der eine Wasserlauf doch bedeutender sei als der andere und deshalb allein den Namen des Haupt st roms zu tragen würdig sei. Das führte zu dem geogra phischen Brauch, den wir als normal zu betrachten ge wöhnt sind, z. B. bei der Elbe. Was hier die Ortsnamen zweifellos machen, ist uns aber auch urkundlich bezeugt. Aus der Oberlausitzer Grenz urkunde von 1213—41 läßt sich nachweisen, daß damals die Schwarze Schöps (Schap-asa) ebenso wohl noch Spree ge nannt wurde, wie die Weiße, die Gersdorfer (^dinckls in rivum, gut Lprows ckioitur at ctekluit pvr (äorbarckasckork etc., dann: in Lprevsm, quäle ciekluit per villnrn 2alom et per ckecur- 8UM eins in rivum leckls eic). Der Name Schöps ist wahr scheinlich von den wendischen Anwohnern schon früher ge braucht worden, während Spree für diese Wasserläufe sich bei den Deutschen noch bis in die neuere Zeit erhalten zu haben scheint. In den Görlitzer Ratsannalen wird bei Ge legenheit der Streitigkeiten, die im Anfänge des 16. Jahr hunderts herrschten, „der wassergenge halben, die durch und neben Horkan aufss Hänichen fließen", die Spree mehr mals genannt. Dagegen verzeichnet Scultetus 1693 auf sei ner Karte den Schöps fluvins: die Unterscheidung der Schwarzen und Weißen Schöps aber gehört erst der neue sten Zeit an,- vielmehr findet sich auf den Karten des 17. und 18. Jahrhunderts öfters für den zweiten Fluß die Be zeichnung der Weißen Elster oder Kleinen weißen Elster. Ist es also mit der Deutung Carpzows nichts, so wäre zu fragen, welche Eigenschaft der Spree für ihren unteren Lauf so charakteristisch ist, daß man darin den Anlaß zur Namengebung finden konnte'? Sehen wir, ob die sprachliche Form dieser Eigentüm lichkeit entsprechen kann. Die älteste Form des Namens haben wir in einer Ur kunde Kaiser Ottos I. von 948 (Erd. dipl. Sax. reg. I, S. 189), wo die Zpriavani als Anwohner der Spree bezeichnet sind. Das ist aber das einzige Mal, daß wir ein t nach dem r finden. Thietmar v. Merseburg erwähnt die Spreva zweimal, also im Anfang des 11. Jahrhunderts, und diese Namensfvrm Spreva erscheint nun meistens bei den Schriftstellern. Daneben aber haben wir Sprehe mit h, und dies scheint der gewöhnlichen Sprechweise am meisten entsprochen zu haben. Denn so schreiben die Geschoß- und Gerichtsbücher der Stadt Budissin im Mittelalter zumeist. Nun ist aber allerdings ein i in dem Worte für eine vor geschichtliche Zeit wohl denkbar, ja es muß vorausgesetzt werden, aber an anderer Stelle und nicht mehr in der Zeit Ottos des Großen. Denn das e in den Flußnamen ist meist erst nach der Periode des Althochdeutschen eingetreten, und zwar unter dem Einfluß eines nachfolgenden i, wie aus der Deklination und Konjugation ja allgemein bekannt ist (vatir - Vater, sprangjan - sprengen). Die Namensformen, die uns die Römer für die Flüsse überliefert haben, be weisen das. Die Elbe heißt ihnen Albis, die Ems Amisa, die Enz Anisa. Demnach erhalten wir als Urform für Spree etwa Sprawi. Doch wäre auch wohl Sprawja anzu setzen, und nichts verwehrt uns, an eine Zusammensetzung mit ana oder aka zu denken. Der zweite, somit unsicher bleibende Bestandteil des Wortes ist für uns aber auch weniger wichtig, das Bestimmungswort mußte aber jeden falls die Mitlaute Spr enthalten. Diese Häufung von Mit lauten am Anfang des Wortes ist in Flußnamen nicht häufig und weckt den Gedanken, daß sie wohl wieder durch Zusammenziehung entstanden ist. Und so nehmen die Sprachforscher in der Tat an, daß die Wurzel spr erst durch Zusammensetzung weiter gebildet ist: hinter der Verbal wurzel liegt die Urwurzel, die nur aus Konsonant oder Doppelkonsonant a bestehen kann. Demnach müßten zwei Wurzeln zu Grunde liegen, entweder sa-pra oder spa-ra. Mir scheint die zweite den Vorzug zu verdienen, doch hal ten wir uns an die gegebene Verbalmurzel spra, die nach der Neigung des r zum Umspringen auch als spar erschei nen kann. Da finden wir nun im etymologischen Wörter buch die Bedeutungen spar, sich sperren, zucken, zappeln, dann bersten, platzen, mit abermaliger Erweiterung sparg platzen, schnellen, spargh streben, eifern, arisch spardh das-