Volltext Seite (XML)
zu Sem Ergebnis, daß wir für unsre ostdeutschen Namen, zu denen die Spree gehört, die Kelten unberücksichtigt lassen können. Diejenigen, die an der mittleren Spree wohnten, waren nach Tacitüs Angaben zu seiner Zeit zweifellos die germanischen Semnvnen. Aber da stellt sich eine andre zunächst sehr beachtlich scheinende Schwierigkeit heraus. Während der Völker wanderung räumten doch die Ostgermanen das Land öst lich der Elbe, um nach langem Umherwandern und helden haften Kämpfen meist elend zugrunde zu gehen. An ihrer Stelle drangen Ende des 5. Jahrhunderts slavische Stämme ein und setzten sich westlich bis zur Elbe und Saale fest. Sind nun die germanischen Stämme vollzählig, ohne Rest, ausgewanöert, oder sind Teile dieser Völker zurückgeblie ben? Und wenn letzteres der Fall war, wie haben wir uns das Schicksal der Zurückbleibenden zu denken? Die Beantwortung dieser Fragen ist für unsre Namenforschung von Wichtigkeit. Denn die Übernahme von Namen einer älteren Bevölkerung durch eine neue setzt voraus, daß noch jemand da war, der den alten Namen nennen, überliefern konnte. Da ist denn nun von vornherein wahrscheinlich, daß noch ein Rest der auswanöernden Bevölkerung zurück blieb. Zwar berichtet Cäsar, daß die Auswanderung der Helvetier nach Volksbeschluß in ihrer Gesamtheit erfolgt sei. Aber sollte dies auch damals völlig durchgeführt wor den sein? Sollten nicht Kranke und Alte, die sich vom Boden der Heimat nicht trennen wollten, die Strapazen des Zugs scheuten und auf väterlicher Erde zu sterben wünschten, fanatische Priester, die ihre Heiligtümer nicht verlassen wollten, allein oder mit ihren Angehörigen zurück geblieben sein? Handelte es sich hier nur um Einzclfälle, so wird es auch ganze Gaue gegeben haben, die keine Lust hatten, mit in die Ferne zu ziehen, um so mehr, als ihnen der Abzug ihrer Stammesgenossen, deren Äcker sie an sich nehmen konnten, das Dasein erleichterte. Wir haben ein berühmtes überliefertes Beispiel an den Vandalen, von denen nach Prokops Bericht ein Teil im alten Stammsitz zurückgeblieben war und dann später eine Gesandtschaft an Geiserich in Afrika schickte, mit der Bitte, daß er ihnen das geräumte Land schenken sollte. Neuerdings hat auch die Erforschung der Gräberfunde und Siedlungsstellen Beweise erbracht, daß Germanen auch in den ersten Jahrhunderten nach Chr. Geb. in Ostdeutschland gewohnt haben müssen. Ich erinnere nur für die Oberlausitz an die Funde von Litten mit burgundischer Kultur, an die Gräber im Seit- schener Hay usw. Berge und Landstriche, die den Slaven anheimfielen, haben ihre alten Namen noch in die geschicht liche Zeit gerettet. So hieß das Erzgebirge in Karls des Großen Zett noch Fairguna, und später noch mit einem ebenso altgermanischen Namen Miriqniüi, „dunkler Wald", ein unter slavischer Herrschaft stehender, den Daleminziern benachbarter Gan im Jahre 808 Hwerenefeld, der Zobten- Berg in Schlesien Slenz sder, wie der Lanöesname der Schlesier von den Lilingern abznletten ist). Welche Behandlung erfuhren nun die nach dem Vor ausgegangenen als sicher anzunehmenden Trümmer der ehemaligen Bevölkerung? Biele wurden wohl von den eindringenden Feinden nieöergemacht, andre blieben ohne Zweifel als Hörige der Slaven, der neuen Landesherren, wohnen. Man konnte sie doch als Arbeiter, als Führer und des Bodens Kundige brauchen. Bon ihnen konnte man also auch die alten Namen von Flüssen, Bergen und Örtlich keiten sonst erfahren. Handelte es sich um größere Gruppen der alten Bevölkerung, so zogen sie sich wohl auch auf schlechtes Land, in Gebirgstäler zurück, indem sie sich den neuen Herren unterwarfen und ihnen das bisher bestellte Land überließen, ähnlich, wie zur Zeit der Wieöereindeut- schung der Ostmarken bekanntlich die alten finnischen Be wohner nicht ausgervttet, aber verdrängt und auf schlech- > tere Acker zu siedeln gezwungen wurden. Auf solche ger manische Siedlungen weisen die vom altslav. nsmici, poln. niemiec, oberlausitzisch-wend. nsmc, der Deutsche, abgeleitet sind, hin, wie Nimbschen bei Grimma, Niemtsch bei Guben, Niemegk am Flättming (was allerdings auch ein von den Flämmingen mitgebrachtes „Nymwegen" sein könnte), Neh mitz bei Lucka, vielleicht auch Nimschütz bei Bautzen u. a. So konnten die Wenden aber nur die vereinzelt in ihrem Gebiete befindlichen Siedlungen von Germanen nennen. Die weitere Frage, wie lange solche germanische Über bleibsel zwischen den Slaven ihre Eigenart behaupten konn ten und behauptet haben, kommt für uns wenig in Betracht. Je wichtiger eine Örtlichkeit war, desto öfter hörten die neuen Bewohner den Namen, und desto sicherer nahmen sie ihn an und in ihre Sprache auf. Zu den bedeutendsten und ostest genannten geographischen Gegenständen gehör ten aber die F l üf s s e. Sie boten in ihreiüTälern die wichtig sten Verkehrsstraßen, an ihnen lagen die meisten Ortschaf ten. Die Namen der kleineren Wasserläufe, die sich durch das noch dünn bevölkerte Land zogen, gingen dagegen ver loren, wenn nicht an ihrem Ufer zufällig eine germanische Siedlung fortbestand. Ein flüchtiger Blick über die physikalische Karte irgend eines Gebiets, mit dessen Sprache und Geschichte wir einigermaßen vertraut sind, bestätigt uns den Satz. Je größer oder auch sonst bedeutender ein Fluß, desto schwerer aus dem Wortschatz der neueren Sprache zu erklären, also desto altertümlicher ist sein Name. Ein Cunewälder Bach oder eine Biele sind ebenso einfach zu deuten und nüchtern verständlich, wie ein Rhein und eine Spree rätselhaft nnd etymologisch umstritten. Um ein Beispiel aus einem andern Erdteil zu bringen, so vergleiche man Nordamerika. Wenn auch hier die europäischen Kolonisten zahlreichere Bewoh ner des Landes vorfanden, als die Slaven in Ostdeutsch land, so ist doch immerhin lehrreich, daß nicht nur die Namen der großen Ströme ohne Ausnahme einheimisch sind Mississippi, Missouri, Ohio, Kansas, Arkansas), son dern die indianischen Namen sogar noch bei kleineren über wiegen. Im Stromgebiete des Ohio z. B. sind dieser Ab stammung: Tenessee, Wabasch, Alleghany, Kentucky, Mo- nonganela, Muskingun, Tuskarawas, Mahonina, Kanawka, Aoughiogheny, Guyanöotte. Die englisch benannten Wasser läufe sind im Durchschnitt viel kleiner und weniger be deutend: Cumberland, White River, Green River, Big Sandy River, Duck River usw. Die Beibehaltung der alten Namen ist hier noch besonders deshalb bemerkenswert, weil sie eine Europäern ganz ungewohnte Länge und Sprach schwierigkeit zeigen. Werfen wir nun zunächst einen Blick auf die Flüsse Deutschlands im allgemeinen und mustern einige der größeren in Hinsicht auf ihre Namen. In Süd- und Westdeutschland ringen infolge der ur alten Kultur dieser Länder besonders Kelten und Ger manen, daneben etwa noch die Ligurer, um die Ehre, Namengeber der großen Flüsse gewesen zu sein. So soll der Rhein (mit Zeuß, Mahn, Vacmeister) vom kelt. renos sskr. ri, re-gehen, fließen) oder (mit Jak. Grimm) vom deutschen hrinan, tönen oder rennan, rinnen, kommen, wozu sich noch ein ligurischer Stamm rei sfließen) gesellt. Von den Ligurern, denen Jubainville (les Premiers habi- hanty de l'Europe 1889) eine weite Verbreitung durch Mitteleuropa geben wollte, können wir aber für Deutsch land wohl im allgemeinen absehcn, da wir es hier mit einem Bergvolk der Mittelmeerrasse zu tun haben, die in Deutschland nach den Schädelbeobachtnngen sonst kaum sest- zustellen ist. Alle Forscher sind auch darin einig, daß das Volk wenigstens seine größte Blüte und Hauptentwicklung im südwestlichen Europa gehabt hat. Da wir eine Jsara sJsere) in diesem Gebiete finden, könnte inan allenfalls die bairische Isar ihnen zuschreiben, die aber ebenso gut von