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274 Gberlausttzsr Heimatzeitung Nr. 17 nur Semmel und jeden Sonntag Kuchen äße. Der Graf Heinrich sollte als ein Sohn Napoleons und der Gräfin v. Schönberg fspäter Gräfin Kielmannsegge) 10 00V Taler geerbt haben und schien nun dieses Erbteil skrupellos zu verzehren, als ob Geld nie alle werden könne. Die Gemeindeväter sahen diesem Sichgehaben eine Zeitlang zu, fürchteten dann aber doch, daß bei solch „furt- gesetztem Lebenswandel" die Familie eines Tages der Ge meinde zur Last fallen könnte und stellte den Herrn Grafen unter Kuratel. Mein Vater, welcher damals mit im Ge- meinderate saß, wurde Vormund der Familie. So kams, daß der vornehme Herr alle Wochen — und oft schon eher als die Woche um war — bei meinem Vater am Webstuhle vorsprach und sich sein „Zehrgeld" erbat. Ich höre ihn noch, als obs heute wäre, seine gewohnte Litanei im tiefsten Baßtone heruntermurmeln. So gings Jahr um Jahr bis 1870, wo ihn der Tod von dieser seiner unwürdigen Exi stenz befreite. Was später aus Frau und Sohn geworden ist, ist mir nicht bewußt. Sie verschwanden wieder aus Ebersbach. Mir ifts nur bis auf diesen Tag wunderbar geblieben, wie eine einfache Weberfamilie der Oberlausitz in so verhältnis mäßig nahe Beziehungen zu dem großen Usurpator treten konnte: mein Vater Vormund von einem Sohne Napo leons und ich auf einer Schulbank mit seinem Enkel! Merkwürdige Fügung des Schicksals! Man kann eben nie wissen, wodurch man „berühmt" wird. Die Magd Rohde sApgesch. 12, 13) und der römische Kriegsknecht Malchus lEv. Joh. 18, 10) hätten sich auch einmal nicht träumen lassen, daß ihre Namen in aller Welt genannt und in 250 Sprachen gedruckt werden würden. B. R. Nus den Heimatverernen Isvmdoiatvereil, Zelfdennerraott (MU Sem ^raNivage« na» Ztolpen. Meirren nna Mokitndnrg) Die diesjährige Autofahrt am 3V. Juni galt dem Be suche dreier besonders schöner Punkte unseres Sachsen landes. Kein Wunder war es deshalb, daß sich zu dieser Fahrt 107 Teilnehmer gemeldet hatten. Die IS Mitglieder, die den Anmeldetermin verpaßt hatten, konnten leider nicht mehr mitgenommen werden. Am Postamt wurde ge sammelt. Punkt 5 Uhr 30 Min. traten die drei großen Berkehrswagen die lange Fahrt an. Über Ebersbach, Oppach, den Hohwald und über Neustadt führte der Weg zunächst nach Stolpen, dessen Türme schon von weitem winkten. Auf dem Marktplätze, der durch seine schräge Lage allgemein auffiel, wurde geparkt. Hier gesellten sich noch 14 Mitglieder zu uns, die in drei Privatwagen an der Fahrt teilnehmen wollten. Im „Löwen" war die Kaffeetafel aufs beste vorbereitet,' gut und flott war die Bedienung, sodaß man allen Vereinen! dieses Lokal aufs wärmste empfehlen kann. Unter kundiger Führung wurde in mehreren Abteilungen die Schloßruine besichtigt. Be sonderes Interesse erregten die prächtigen Basaltsäulen, der 83 Meter tiefe Brunnest, der in 22 jähriger harter Ar beit in den Basalt gehauen wurde, die schauerlichen Ge fängnisse und Folterkammern, der Coselturm und die Ruhestätte der Gräfin Cosel, die hier oben 48 Jahre als Gefangene weilte. Vom Coselturm bot sich eine umfassende Fernsicht nach dem Erzgebirge, der Sächsischen Schweiz nnd den Lausitzer Bergen. Bet schönstem Wetter wurde gegen 10 Uhr die Weiter fahrt angetreten!, Auf idealen Autostraßen brachten uns die Wagen durch Weißig, Dresden-N. und die fruchtbare Lößnitz nach dem 1000 jährigen Meißen, das wir in der Mittagsstunde erreichten. Es war für die großen Wagen nicht ketcht, in den engen, winkligen Straßen vorwärts zu kommen, zumal gerade an diesem Tage das Meißner Schützenfest abgehalten wurde. In liebenswürdiger Weise hatten sich uns einige „Afraner" zur Verfügung gestellt, die uns in vier Abteilungen durch die Stadt führten. Die Tausendjährige hatte noch nicht allen Schmuck abgelegt, und so erinnerte uns noch so manches an ihren Ehrentag. Kurz vor 12 Uhr betraten wir den Markt, auf dem schon viele Hundert Menschen standen. Da schlugen die Glocken der Frauenkirche die Mittagsstunde. Plötzlich erklangen zarte Töne in das Geräusch des Marktes. Die Glocken aus Meißner Porzellan spielten den Choral: Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.... Das Glockenspiel weist 37 Glocken auf: weithin sind die gekreuzten Kurschwerter der großen Mittelglocke sichtbar. Ein einzigartiges, sinniges Ehrenmal hat Meißen seinen im Weltkriege gebliebenen Söhnen in der Kriegergedächtniskapelle gesetzt. Eine S28 erbaute Kapelle wurde zu einem herrlichen Ehrenmal um gebaut. Die Wände sind mit den Namenstafeln der Ge fallenen bedeckt. Zwischen den einzelnen Tafeln erheben sich überlebensgroße Figuren. Alles ist aus Meißner Porzellan hergestellt. Tief und nachhaltig war der Eindruck, den diese Gedächtnisstätte auf alle Besucher ausübte. — Das Mittag essen im „Erlanger Hof" entsprach in keiner Weise den Er wartungen, trotzdem es rechtzeitig bestellt worden war. Nach dem Essen führten uns unsere „Afraner" durch die engen, idyllischen Gäßchen, die sich an der Burglehne hin ziehen, hinauf auf die Albrechstburg. Leider litt die Be sichtigung unter dem Menschenstrom, der an diesem Tage Meißen und vor allem die Burg überflutete. Gern hätte der eine oder der andere noch länger in einer der gemüt lichen Kneipen verweilt, um dort noch einen Schoppen zu trinken: leider aber ließ sich dieser nur allzu verständliche Wunsch nicht erfüllen, da die festgesetzte Zeit so wie so schon durch den starken Verkehr überschritten worden war. Auf Umwegen, der führende Wagen hatte sich verfah ren, gelangten wir in der 5. Stunde nach Moritzburg, dessen idyllische Lage alle entzückte. Das einzigartige Wasserschloß mit seinen vier wuchtigen runden Ecktürmen liegt inmitten eines Sees ans einer Terrasse, die mit zahlreichen Pla stiken geziert ist. Wir fuhren zunächst am Schlosse vorüber, um noch der Wildfütterung beiwohnen zu können. Der Besuch der Schaufütterung ist immer lohnend, zumal der gegenwärtige Wildbestand ein sehr reicher ist. Nicht ein gesperrt in enge Gehege, sondern frei ergeht sich das Wild und paßt sich dem Waldbild ein. Hochwild, darunter einige ostasiatische Sika-Hirsche mit ihrem gefleckten Kleid, Wild schafe und eine große Zahl Wildschweine mit ihren Frisch lingen konnten in ihren Bewegungen und Gewohnheiten beobachtet werden. Um 5 Uhr brachten uns die Wagen zum Schloß. Schon die Eingangshalle mit den Geweihen, Sau köpfen und ausgestopftcn Wildschweinen weist auf den Cha rakter als Jagdschloß hin. In dieser Halle erregte auch ein schwerer Gepäckwagen aus der Zeit Augusts des Starken allgemeine Aufmerksamkeit. Im Schloß interessierten vor allem der drei Stock hohe Speisesaal und die gewaltige Geweihsammlnng. War schon der ganze Tag vom Wetter außerordentlich begünstigt gewesen, so wird allen aber der Abend in Moritzburg unvergeßlich bleiben. Golden lag die Abendsonne auf Schloß, Park und Seen, sodaß wir be schlossen, den herrlichen Abend recht auszukosten. Wir um wanderten das Schloß und freuten uns des schönen Parkes. Herrlich spiegelte sich das Schloß im Seewasser. Im Wald schlößchen wurde etwas verspätet Kaffeestunde gehalten. Hier fühlten wir uns so recht wohl. Es ist nicht nur eine idyllische Gaststätte, mitten im Walde gelegen, sondern auch die Verpflegung war eine ausgezeichnete. Alles war aufs beste für unser Kommen vorbereitet. Nur sehr schwer konn ten wir uns zur Heimfahrt entschließen: doch es war 20 Uhr geworden nnd weit noch war der Heimweg. Der Fahrer wegen mußten wir in Bautzen noch eine Rast einfchteben. Durch einen nicht vorgesehenen N stün»