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Auch andere Neujahrstage brachten wichtige Änderungen im Reiche. So zum Beispiel bas Neujahr 1875. Mit diesem Tage kamen deutsche „Postalische Bezeich nungen" auf, die endlich dem Deutschtum Rechnung tragen wollten. Hören wir folgenden Reim aus dieser Zeit: Die deutsche Post. Daß kaiserlich nicht nur allein, -aß deutsch die Post auch möge sein, ist in des heil'gen Stephan Orden von Neujahr Alles Deutsch geworden. Postauftrag heißt das Postmandat, und wer's mit Briefen eilig hat, schreibt statt Expreß in solchen Fällen: „Durch eil'ge Boten zu bestellen." Briefumschlag heißt das Briefcouvert und Fahrschein heißt es, wenn man fährt jetzt mit der Post in jedem Falle; mit Passagierbilletts ist's alle. Wo mit Charge, Recommandirt man wicht'ge Briefe sonst geziert, Sa schreibt man heute „Eingeschrieben", 's ist nicht, wie sonst es war, geblieben. Nur möcht ich wissen, ob man dreist den Secretair jetzt Schreiber Heißt, Postleiter jetzt den Postdirektor, Postreisenden den Posttnspektor. Zehn Jahre später galt eine neue Verordnung dem trauten Chausseehause. Mit dem Neujahrstage 1886 hörte der Wegezoll auf, wo er noch bestand, und das Leben und Treiben am einsamen Chausseehaus war vorüber — vorüber eine poesievoll umgebene Stätte! Wird nicht man cher an dies oder jenes Einnehmer-Häuschen an der Land straße denken, wenn er folgende Zeilen liest? Des Einnehmers Abschied vom Chausseehause am 31. December 1885. Beim Düppelsturme wurde mir zerschossen mein Bein. Seitdem spürt' ich des Siechthums Keim, doch Hat des Königs Gnade mir erschlossen ein Wegezollhaus als ein schützend Heim. Dort baute ich den kleinen Blumengarten, für meinen Tisch pflanzt' ich daneben Kohl; die Mühe, dieses Hetligthum zu warten, that meinem Leibe, meinem Geiste wohl. Allda erzog ich schlicht und bieder meine Knaben, die, ward des Tages Last und Sorge mir zu schwer, im Dienste halfen, und schon längst geleistet haben den Fahneneid in meines Königs Heer. Stets sind die Nachbarn freundlich mir begegnet; wenn schwer der Wagen durch den Schlagbaum schwankt', mit überreicher Erntefrucht gesegnet, hab' ich mit ihnen bei der Kirchweih Gott gedankt. Mit Trauern hab' ich ost den Schlag gezogen, wenn man zur Ruh' den Kriegskam'raden trug. Schnell ist die Barre in die Höh' geflogen, wenn mit Musik genaht der Hochzettszug. Und eine Zeit, die werd' ich nie vergessen, die golöne, die procentereiche Zeit; wo vor dem Schalter an den Leipz'ger Messen mit Sechsgespann der Wagenzug sich reiht'. Die Zeit entfloh! — Ach, von wie vielen Straßen zog der Verkehr zur nahen Eisenbahn. Das Posthorn schweigt. Lang' hört ich nicht mehr blasen das Mantellied, des Klang mir wohlgethan. Nun ist auch mir die Kunde zugeflossen: (Schon längst lag in der Zetten Schooß ihr Keim) „Mit Neujahr wird der Wegezoll geschlossen. Die Volksvertretung will's. Such dir ein andres Heim." Kam sonst der König durch das Land gefahren, schmückt ich sein Bild mit frischem grünem Reis. l Er frug mit Huld nach meinen Kriegesjahren, ! für die mich ziert der Ehrenmünze Preis. Zum letzten Mal', umrankt vom Kranz der Raute, grüßt' überm Pförtchen mich das Wappenschild, dann meide ich das kleine Haus, das traute, und nehme mit mir meines Königs Bild. Neujahrsgruß *) Mein Heimatblatt, dir gilt mein Gruß Am ersten Jahresmorgen. Bracht dir das alte Jahr Verdruß Und oftmals bittre Sorgen, So strahl im Hellen Sonnenschein Dirs neue Jahr entgegen. Es fülle sich dein Kassenschrein Mit Gold und Silbersegen. Doch halt, da fällt mir etwas ein, Man darf mit Gold nicht prahlen Wie einst, jetzt tut's der Kassenschein, Wenn alle pünktlich zahlen. Dann bist zufrieden du fürwahr Und wirst dich drüber freuen. Das ist der Wunsch zum neuen Jahr Von einem deiner Treuen. *) Beifolgender Gruß ging uns aus unserm Leserkreise äu. Dem freundlichen Einsender hiermit unfern besten Dank. 5llte Volkslieder und Sedicbte Oer Leiermann aus Meißen Schönen Srutz, ibr lieben Leuts, Mit dem Kasten an der Seite Erst ick krok zu eucb keran. vsr eucb grüht, Kat sicb soeben Erst aus Meisten weg begeben Llls ein lust'ger Leiermann. Und von Sause nun zu Sause Und von Scbmauss fort zu Sckmause Sckon mein kroker klang srscboll. Immer mutz ick drekend rasten, Venn so'n kopk als Leierkasten Ist von neuen weisen voll Jungs Burschen, lust'ge Brüder, Wollt ibr kroke Schelmenlieder, Wollt zum Laut ibr mutig. — Mädcksn, wollet ibr es wissen, Wie trotz allen Bindernissen 2u besiegen das Ssscbick Männer, wollet ikr vernekmen, Wie die Weiber zu bezäkmsn, Zu bescbwickt'gen wie ein Kind. Weiber wollet ikr es kören, Wie dis Männer zu bekekren, Selbst die incurabel sind? Ikr, die mürrisck und verdrossen, Wollt zu Euren Lext ikr Slosssn, Oie dem Mißmut widerstekn. Männer, Weiber, Mädcken, Knaben, Miss lust'ge sollt ikr kaben, vark nur meins Leier drekn. Nur nack Ssukzen, Seknen, Klagen vürkt bei mir ikr nimmer kragen, Vicht nack Srabe und Lkoral, Und die Mengs, die ick singe, findet, mein ick guter Vings, Cndlick selber die Moral. — Was ich kabe, will ich geben, Wie das irische muntre Leben Es gestaltet, es ersann, frok komm ich zu euch gezogen, freundlich bleibet drum gewogen Nur dem kroken Lsiermann. (Sekunden in einem Buche in Bernstadt ISIS)