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und zu verstehenden Erscheinung. Sind die Beziehungen der Gräfin Cosel zu unserer engeren Heimat, der Ober lausitz, nur geringfügigerer und dazu noch nicht genügend aufgehellter Art (ihr angeblicher Aufenthalt in Schloß Oberlichtenau bei Pulsnitz ist sehr fraglich), so steht die Gräfin von Kielmannsegge dagegen in einem weit innige ren Verhältnis zu derselben und es ist ein Blick auf ihren Lebensgang sicherlich für uns noch anziehender. Gräfin Charlotte von Kielmannsegge war am 8. Mai 1777 in Dresden als die Tochter des kurfürstlichen Haus marschalls August von Schönberg geboren. Ihre Mutter, eine geborene Gräfin v. Hoym, soll eine große Schönheit gewesen sein. Auguste Charlotte hat, obwohl sie bas ein zige Kind ihrer Eltern war, eine einsame und freudlose Jugend verlebt, wie sie selbst im späteren Leben erzählt hat. Sie verlor ihre Mutter im Alter von 12 Jahren und wuchs, wenig beachtet und geliebt von ihrem Vater, der seiner Gemahlin bereits zu deren Lebzeiten innerlich ent fremdet war, auf sich selbst angewiesen auf. Manche rätsel hafte und überspannte Seite ihres Wesens während ihres ferneren Lebens mag darauf zurückzuführen sein. Ihr Vater war in der Oberlausitz begütert. Im Jahre 1763 hatte er das Rittergut Schmochtitz, nordwestlich von Bautzen, durch Kauf an sich gebracht und 1786 Dürr hennersdorf, Neusalza und Spremberg, süd westlich von Löbau, vorher gräflich v. Hoymscher Besitz, erworben. Beim Tode seiner Gemahlin 1789 wird Peter August v. Schönberg als Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Schmochtitz, Spremberg, Neusalza und Dürrhennersdorf bezeichnet. Seinem Kunstsinn verdanken das Schmochtitzer Schloß sowie die reizvollen Denkmäler seines damaligen Parkes ihre Entstehung. Sein Werk sind außerdem daselbst der eigenartige freistehende Glockenturm und der ebenso einfache wie wirkungsvolle „Sonnentempel", ein eindrucks volles Zeichen seiner freimaurerischen Gesinnung. Im Jahre 1796 vermählte sich Charlotte v. Schönberg mit dem Grafen Rochus Augusit Lynar, Erb- Herrn der freien Standesherrschaft Lübbenau in der Niederlausitz, und beschenkte ihren Gemahl im folgenden Jahre mit einem Sohn Hermann Rochus. Diese Ehe ist keine glückliche gewesen. Nach 1797 reiste die Gräfin mit dem Dresdner Maler Grafsi nach Italien. Hier war so eben der Frieden von Campo Formio geschlossen und die ersten Heldentaten Napoleons in aller Munde. Ihres leb haften Geistes bemächtigte sich sofort eine schwärmerische Begeisterung für den nachmaligen Franzosenkaiser, dessen glühende Verehrerin sie bis zu ihrem erst 66 Jahre später erfolgten Tode geblieben ist. Es gilt als feststehend, daß sie, bevor Napoleon 1812 und 13 längeren Aufenthalt in Dresden genommen hat und in Verkehr mit ihr getreten ist, denselben schon vorher in St. Cloud besucht und ge sprochen hat. Als Geliebte des allgewaltigen Korsen wäh rend der vorerwähnten Zeit ist auch ihr Name ein viel genannter geworden. Von ihrer Italien-Reise zurück gekehrt, empfand sie ihre Ehe mit dem Grafen Lynar immer mehr als eine drückende Fessel. Plötzlich, am 1. August 1800, starb derselbe, erst 27 Jahre alt. Das sofort entstehende Gerücht, die Gräfin habe ihn vergiftet, ist bis heute weder durch glaubwürdige Beweisgründe erhärtet noch widerlegt worden. Die gräfliche Witwe, die sich in folge ihres zur Schau getragenen Stolzes beim Volke wenig „gemein" und beliebt zu machen verstanden hatte, verließ Lübbenau und zog nach Dresden. Sie war zuvor, da ihr Vater inzwischen gestorben war, in Besitz von dessen reichen Oberlausitzer Gütern gelangt. Peter August von Schönberg war 1791 in Schmochtitz verschieden, aber erst nach fast neunjähriger Vormundschaft erhielt seine Tochter das väterliche Erbe. Im Oktober 1802 verheiratete sich die Gräfin in zwei ter Ehe mit Ferdinand Hans Ludolf v. Kiel mannsegge, welcher als hannoverscher Ge sandter in Dresden lebte. Sie siedelte mit demselben nach Hannover über. Aber auch dieser Verbindung war kein Eheglück beschieüen. Es sind in erster Linie wohl die verschiedenen politischen Meinungen der Ehegatten ge wesen, welche die nachmals erfolgte Trennung derselben veranlaßte. Napoleon Bonaparte, der seit dem Frieden von Campo Formio in rascher Aufeinanderfolge bis zum Kaiserthron emporgestiegen war, bildete für die Gräfin nach wie vor den Gegenstand leidenschaftlicher Schwärme rei. Daß sich das Verhältnis zu ihrem gut deutsch gesinn ten Gemahl für die Dauer als unerträglich erwies, liegt klar auf der Hand. In der Familienchronik derer v. Kiel mannsegge heißt es: „Der Graf sah sich veranlaßt, sich von seiner Frau zu trennen, zumal dieselbe auftauchenden Gerüchten zufolge eines Verkehrs mit Agenten der ge heimen französischen Polizei verdächtig, ihn der Gefahr ausgesetzt hat, sestgenommen zu werden." Die Gräfin ver ließ daher Hannover und kehrte nach Dresden zurück, ihre Kinder, eine Tochter Natalie, geboren 1803, und einen Sohn Alfred, geboren 1804, in Hannover zurücklassend. In der sächsischen Hauptstadt war sie fortan einzig und allein von dem Streben beseelt, Napoleon kennen zu lernen und seiner Sache zu dienen. Bei ihrem in diese Zeit fallenden Besuche desselben in St. Cloud soll sie sehr ehrenvoll aus genommen worden sein. Über die großartigen Vorberei tungen zu dieser Reise wußten noch in späteren Jahren ihre damaligen Kammerzofen aus Neusalza viel zu erzählen, ebenso ein spanischer Diener, der sie darauf auf ihre Oberlausitzer Güter begleitete, um seiner Ge schwätzigkeit willen aber schließlich entlassen wurde. Er be richtet auch von dem ungeheuren Aufwande der Gräfin, welchem sie in Paris bedeutende Summen geopfert habe. Die reichen Erträge ihrer Oberlausitzer Güter vermochten ihr kaum die erforderlichen Mittel hierfür zu liefern. Hat sich doch ihr dortiger Vermögensverwalter, der Ge picht s dir e kcho r Hentsjchel in NLusalza- Spremberg, selbst dahin geäußert, daß die Gerichts stube in Spremberg kaum das „Geld in Silber fassen könnte, was nur er allein der Gräfin übermittelt habe." Ein besonders gut unterrichteter Schriftsteller der Folgezeit (Dr. Severus) berichtet im Jahre 1863: Die Gräfin suchte sich in ihrer Heimat, besonders in Neusalza und Spremberg, immer nur die hübschesten Mäd chen, wie sie dort in der schönen Gebirgsgegend nicht sel ten zu finden waren, als ihre Begleiterinnen auf ihre weiteren Reisen nach Paris und anderwärts aus, die sie mit schönen Kleidern ausstattete und ihnen oft gelegentlich gute Verhaltungsmaßregeln erteilte. Eine, der sie be sonders Vertrauen schenkte, begleitete sie auch einmal nach dem Städtchen Heyda in Böhmen, wo die Hauptniederlage der Glashütten von Kreibitz war. Von Neusalza und Spremberg aus geht der Weg dahin über Rumburg. Unterwegs las die Gräfin zu wiederholten Malen mit sichtlich freudiger Erregung ihrer innersten Gefühle, aber recht geheimnisvoll, in einem, wie jene gesehen zu haben glaubt, von Napoleon I. selbst unterschriebenen Briefe. An Ort und Stelle angekommen, ließ sie, ohne sich Zeit zur Toilette zu gönnen, sich sogleich in die reichsten Magazine von den besten und teuersten Gattungen an Tafelgeschirr von geschliffenem Glas führen und da von allem sehr viel, aber nur das allerfeinste, geschmackvollste und bestgearbei tete aussuchen. Sie zahlte nicht geringe Summen für die großen Sendungen, die sie nach Schmochtitz bestellte, um sich daselbst, ihrem damaligen Lieblingsaufenthalt, für Napoleons sicher versprochenen Besuch und lange vor bereiteten Empfang nicht nur gastlich, sondern glänzend, prächtig, mit allem Luxus und Lebenskomsort einzurich ten und um den großen Genius, der, wie es schien, auch ihr Schutzgeist werden sollte, durch geniale Schöpfungen, durch geschmackvolle Kunst- und Naturgenüsse möglichst lange dort zu fesseln. Durch Ungunst der Verhältnisse