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Dvuno Neichavd so Zovre am Ein in der Oberlausitz und darüber hinaus wegen seiner schriftstellerischen Tätigkeit bekannter Mitbürger vollendet am kommenden Sonntag, dem 7. Juli, sein 60. Lebensjahr: Bruno Reichard in Zittan. Durch seine Tätigkeit als journalistischer Mitarbeiter an Zei tungen und Zeitschriften ist das Geburtstagskind in der Lausitz besonders bekanntgewvrdcn, ebenso durch zahlreiche Vorträge und Rezitativnsabende mit eigenen, vorwiegend humoristischen Dichtungen. Ganz besonders war es ihm jederzeit eine Herzenssache, für die Pflege des Heimat gedankens in der Lausitz einzutreten. Als Mitarbeiter in gemeinnützigen Vereinen war seine Tätigkeit ebenfalls sehr rege, und wie so oftmals es Menschenkindern er geht, erntete derselbe neben mancher Anerkennung auch viel Verdruß. Bruno Reichard verfügt über eine reiche schriftstellerische Begabung, aus deren Quellen er für sein. Schaffen schöpfen kann, über tiefen, innigen Heimatsinn und einen schlichten, einfachen Charakter. Wie oft hat er nicht schon heimatliche Zeitgenossen aus unserer Gegenwart gewürdigt und damit ihre Ver dienste der Nachwelt zu erhalten gewußt. In Würdigung seiner Betätigung als Schriftsteller und Pfleger Lausitzer Hetmatsinnes sei anläßlich seines 60. Geburtstages über sein Schaffen und Wirken nachstehendes der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht. Bruno Reichard wurde am 7. Juli 1869 in Dresden-N. als Sohn des Buchhalters Hugo Reichard geboren. Das Einkommen des Vaters war im Verhältnis zur ungewöhn liche« Kopfstärke der Familie äußerst bescheiden, sodaß die Ausbildung der Kinder große Sorgen verursachte. Bruno Reichard besuchte von 1876 bis 1880 die 5. Bürger schule, bekam vom vierten Jahre ab lateinischen Privat unterricht, sodaß er 1880 in die Quinta des Neustüdter Realgymnasiums ausgenommen werden konnte. Reichard konnte bis zur Reifeprüfung durchhalten, da er sieben Jahre lang volle Schulgeldfreiheit genoß, regelmäßige Bücherstipendien bekam und bereits mit 14 Jahren vom Rektor die besondere Erlaubnis zur Erteilung von Privat unterricht erhielt. Als Primus omnium verließ er zu Ostern 1888 die Schule. Sein sehnlichster Wunsch war es, weiter zu studieren, und zwar schwankte er lange zwischen Naturwissenschaften, neueren Sprachen, Germanistik und Literatur. Seine Zukunftsträume wurden aber vier Wochen vor der Reifeprüfung jäh zertrümmert, indem der Rektor ihn mit ziemlich starken Druckmitteln zu einem „prak tischen" Berus zu überreden suchte. Schwer bekümmerten Herzens gab Reichard nach, und am 5. April wurde er als Eleve für den Postdienst vereidigt. Er bekam allent halben die besten Dienstzeugnisse,' besonders beglückte ihn jedoch der Umstand, daß der schwere Dienst der Anfänger jahre ihm immer noch ausreichende Muße ließ, seinen dichterischen Neigungen nachzugehen. Häufige dienstliche Versetzungen in den ersten Jahren boten ihm willkommene Gelegenheit, zahlreiche Orte der Kreishauptmannschaften Dresden und Bautzen eingehend kennen zu lernen. Ent scheidend für sein berufliches Endziel wurde das Jahr 1889. An seinem 20. Geburtstag wurde er zur Vertretung des erkrankten Postagentcn Lange nach Oybin versetzt, wo er sieben Wochen lang glückliche Berufsstunden seines Lebens genoß und zufällig sogar persönliche Fühlung mit dem Generalpostmeister Exzellenz von Stephan bekam. Es folgte eine vorübergehende Beschäftigung bei der .Zeitungsstelle und Geldannahme in Zittau. Der nächste Sommer führte Reichard als Urlaubsvertreter für Post verwalter nach einer ganzen Reihe von Orten des Erz gebirges. Zum frühesten zulässigen Zeitpunkte, am 5. April 1891, meldete er sich zur Sekretärprüfung, die er fünf Tage später mit besonderer Anerkennung seiner sprach lichen Kenntnisse bestand. Nach viermonatlicher Tätigkeit in Sebnitz, einjährigem Fahrdienst, der die in der Brief spedition erworbenen guten geographischen Kenntnisse noch wesentlich vertiefte, und vorübergehender Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei der Oberpostdirektion Dresden wurde Reichard dem Bezirk Liegnitz zugeteilt. Nach kurzer Be schäftigung in Liegnitz wurde R. als ständiger Stell vertreter des Telegraphendirektors nach Görlitz berufen. Nach harten Wochen der Einarbeitung in das bisher nur nebenbei betreute Gebiet entschied er sich, künftig vorzugs weise der Telegraphie und dem Fernsprechwesen seine ganze Kraft zu widmen. Nach fast einjährigem Aufenthalt in Görlitz wurde Reichard noch vertretungsweise mit der Verwaltung des Postamtes Marklissa und der Telegraphcnbetriebsstelle in Hirsch berg beauftragt. Am 1. Dezember wurde R. sodann beim Telegraphenamt in Dresden etatsmäßig an gestellt, am 9. Dezember vermählte er sich und drei Tage später meldete er sich zur höheren Verwaltungsprüfung. Die Zulassung war von der Erfüllung verschiedener Vor bedingungen abhängig, deren Erledigung sich ohne sein Ver schulden unerwünscht verzögerte. Er bestand die Prüfung im Winter 1896 in Berlin nnd wurde am 1. April 1897 als Bürobeamter erster Klasse zur Oberpostöirektion ver setzt. 1902 wurde er Telegrapheninspektor beim Hauptfern sprechamt, 1904 beim Telegraphenamt Dresden und am 1. April 1908 Telegraphendirektvr in Zittau bis zum 31. Mürz 1924. An diesem Tage wurde Reichard mit 54 X Jahren „freiwillig" in den endgültigen Ruhestand versetzt. Schon in Dresden hatte er neben seiner Berufstätig keit ein volles Maß Beschäftigung, teils als Schriftsteller, teils in Vereinen vorwiegend gemeinnütziger Art. In den Sommern 1902, 1903 und 1904 leitete er ehrenamtlich das Naturtheater des Vereins „Vvlksivohl" bei der Saloppe und alle Winteraufführungen des Vereins. Das Natur theater wurde das Vorbild des von ihm augeregten Oy- biuer Walötheaters. Sein Dresdner Spielplan bestand aus schließlich aus eigenen dramatischen Schöpfungen, von denen die meisten starken Anklang fanden und im einzelnen bis zu vierzig und fünfzig Aufführungen erlebten. Von diesen ses waren ausschließlich Einakter) nennen wir: „Winzerfest" (t900), „Ein schwaches Werkzeug" sl90l), „Späte Sühne" (1901), „Die Mär der Christnacht" (1902), „Erdmuthe" (1902), „Bruder Ivo" (1902), „Der letzte Dienst" (1903), „Deutsche Pioniere" (1903), „Heimkehr" (1903), „Rübezahl" (1904), „Mildernde Umstände" (1904), „Bedingte Verurteilung" (1904), „Suprema lex" (1904), das Schillerfestspiel: „Freude, schöner Götterfunken" (1905) und der mit größtem Beifall aufgenommene Schwank: „Die Statue". An größeren Dramen entstanden in den Jahren 1902 bis 1907 „Zwei Welten" (Schauspiel in fünf Akten), „Zweierlei Ehre" (Trauerspiel in 5 Akten), „Edel wild" (Drama in 4 Akten). — 1905 und 1906 war seine ganze freie Zeit durch die intensive Mitarbeit im Dresdner Bolksfestspielverein anläßlich der großen Aufführungen von Otto Devrients „Luther" und „Gustav Adolf" in An spruch genommen, wo er nicht nur in je 28 Aufführungen in großen Rollen mitwirkte, sondern auch in einer großen Anzahl von Sonderausschüssen, namentlich im Presseaus schuß, intensiv zu arbeiten hatte. Auch in Zittau setzte er seine schriftstellerische Arbeit fleißig fort. Hier entstanden für das Oybiner Waldtheater das dreiaktige Drama: „Pater Hilarius" (Emil Olivas Buchhandlung, Zittau, 1912) und „Sonnenkinder" (Schau spiel in 4 Akten), ferner der mittlere Akt „Hochkirch" einer geplanten Einakter-Trilogie „Fridericus Rex" (1912) und das vieraktige Festspiel „König Luschtiks Ende", endlich eine Menge ernster und heiterer Festspiele für den Verein „Globus" und das dramatische Gedicht: „Aus . Zittaus bängsten Stunden" anläßlich des 75. Stiftungsfestes des