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jungen der Kirche sich allenthalben fügt und sich nicht in frevlem Eigendünkel überhebt, wer möchte dann Wider spruch erheben?" erwiderte Arnest. „So sei mein geistlicher Segen mit dir. Gott fördere das Werk deiner Hände. Er gebe dir Kraft, daß du nicht wieder den Schlingen des Satans verfällst, sondern beharrest im Guten bis an dein Ende. Lebe wohl, meine Tochter, Friede sei mit dir." Milde klang des Kirchenfürsten Stimme und gütig ruhte sein Auge aus ihr. Demütig und doch voll Anstand verabschiedete sich Frau Agathe und verließ das Gemach. „Ihr wäret ein milder Richter für die arme Sünderin," bemerkte der Kaiser lächelnd. „Ich gedenke des Wortes des Heilands: Ihr wird viel vergeben werden, denn sie hat viel geliebt. Und wer ist unter uns ohne Sünde, daß er den ersten Stein auf sie werfe? Ich gedenke der eigenen Sünden meiner Jugend." „Ihr, ehrwürdiger Vater, dessen fleckenloser Wandel durch vierzig Jahre vor aller Augen liegt?" „Und doch habe auch ich einst schwer gefehlt. — Ew. Majestät erinnern sich vielleicht meines Jugendabenteuers in Glatz?" „Gewiß, Ihr habt mir seinerzeit davon erzählt, daß Ihr den Zorn der Himmelskönigin einst als Knabe heftig erregt' ich weiß, daß Ihr deshalb der Glatzer Kirche viel Gutes getan, daß sie Euch dort als milden Stifter preisen. Doch ist mir des Einzelnen nicht mehr recht gegenwärtig, worauf Ihr jetzt zielt." „Ich war noch ein übermütiger Page und sang bei der Vesper mit anderen Knaben zusammen eine antiphona vor dem Bilde der Himmelskönigin, die in einer Nische der Kirche öargestellt ist, wie sie in der Rechten das Zepter hält, auf der Linken den Jesusknaben. Während ich sie nun an schaute, da gab mir der höllische Versucher den frevelhaften Gedanken ein, es müsse doch angenehm sein, die schöne Himmelskönigin einmal im Arm zu halten! — Kaum hatte ich das gedacht, so erschrak ich und wurde von großer Furcht und Verwirrung erfaßt über meine Verruchtheit, und Ent setzen packte mich vollends, als ich deutlich sah, wie die Himmelskönigin zürnenden Blicks sich langsam von mir wegwandte und mir den Rücken zukehrte. Ich fiel auf die Knie, beugte mein Haupt bis zur Erde und vergoß bittere Reuetränen. Als ich den Blick dann wieder zu der Hehren zu erheben wagte, sah ich das Bild wieder in seinem vorigen Zustande. Mit frommen Stiftungen habe ich später die Glatzer Kirche bedacht und so den Frevel zu sühnen versucht, aber ich empfand doch immer eine tiefe Scheu, die ganze Geschichte der Welt mitzuteilen. Es war eine falsche Scham, und ich habe beschlossen, ehe ich sterbe, zu Nutzen aller Gläubigen meinen tiefen Fall von dereinst öffentlich zu bekennen. So sehen Ew. Majestät, wie auch ich gegen das sechste Gebot gesündigt, wenn es auch nur eine Ge dankensünde war. Das stimmt mich milde gegen Sünder, die aus Schwachheit des Fleisches fehlen." „Euer Gewissen ist zart, mein Heiliger," sagte der Kaiser bewegt und küßte des Priesters Hand. „Gott sei ge lobt, der Euch zu mir führte,' was verdanke ich Euch doch an geistlichen und himmlischen Gaben." „Nicht lange mehr werde ich Euch etwas geben können, mein König. Ich fühle es, daß ich bald berufen werde, zu den Pforten des himmlischen Jerusalems einzugehen durch Gottes Gnade, die ich erhoffe. Täglich werde ich müder und schwächer. Vielleicht ist es meine letzte Predigt, die ich mor gen im Dome zu Budissin halte." Besorgt drang Karl in ihn, unter diesen Umständen von der Abhaltung des Festgottesütenstes abzusehen, doch Arnest wollte davon nichts hören,- da er einmal versprochen hatte, die Pfingstpreöigt zu halten. Und so erklangen am 12. Mai seine gewaltigen und feurigen Worte von der Kanzel der Petrikirche, und zwar in deutscher Sprache, die er zur Verwunderung seiner Zu hörer so meisterhaft beherrschte, als wäre er nicht im Tschcchenlande geboren. Da das neuvermählte Fürstenpaar zu seinen Füßen saß, hatte er sich zum Gegenstand gewählt die himmlische und irdische Liebe. Er pries die Mutter liebe, die Kindesliebe, die Liebe der Gatten zueinander als etwas Schönes und Begehrenswertes, aber schöner und begehrenswerter sei die Liebe zum Heiland, die sich äußere in Werken der Liebe an den Ärmsten und Geringsten, in denen wir hier die höchste Befriedigung finden müßten. Dabei suchte der Blick des Priesters ein paarmal eine ent fernte dunkle Ecke der Kirchenhalle, wo er eine hehre Frau knien wußte, die mit andächtigen Tränen seinen Worten lauschte. Es war die schöne Agathe. Mit wunderbarer Willensanstrengung hatte der Erz bischof seine gewaltige Predigt zu Ende geführt,' begeistert pries ihn das Volk als einen hohen Propheten. Aber kaum hatte er die Kirche verlassen, in der noch die Kälte des Winters herrschte, so brach seine Kraft zusammen; ein böser Husten suchte ihn heim, und noch am selbigen Abend befiel ihn ein heftiges Fieber. Herr Muschlig, des Kaisers jüdi scher Leibarzt, drang darauf, den Kranken sofort aus der rauhen Luft von Budissin fortzubringen. Und so führte ihn am folgenden Tage ein Reisewagen, ein plumpes Gefährt, mit einer hohen Plane überwölbt, durch die Straßen der Stadt zum Lauentore hinaus. Die Plane war an einer Seite ein Stück emporgehoben, damit der in Kissen ruhende Kranke sich noch mit seinem König unterhalten konnte, der ihm, zu Rosse sitzend, noch ein großes Stück auf der böh mischen Straße das Geleit gab. An den Seiten der Straße aber drängte sich das Volk und begleitete den Scheidenden mit Segenswünschen, selbst bestrebt, von seiner Hand noch einmal einen Segen zu empfangen. Als vor dem Lauen tore der Zug einen Augenblick still stand, fiel des Heiligen Blick noch auf die Frauengeftalt, die abseits vom Wege am Fuße des Galgenberges kniete, und er winkte ihr gütig einen letzten Gruß zu. Auf seiner Burg Raudnitz in milderer Luft erholte sich der Kirchenfürst noch einmal auf kurze Zeit, aber bald kam ein Rückfall und ein Blutsturz machte am 80. Juni seinem gesegneten Leben ein Ende. Sein Jugenderlebnis mit dem Bilde der Himmelskönigin machte er noch in den letzten Wochen seines Lebens bekannt in einer Schrift „Zur Er- ! bauung der Gläubigen und zur Enthüllung seiner eigenen Sündhaftigkeit" und gewährte allen, die diese Schrift lesen würden, eine Jndulgenz von 40 Tagen. In der Kirche der heiligen Jungfrau zu Glatz, die er selbst gestiftet, fand er seine letzte Ruhestätte. Bald erzählte man von Wundern, die dort geschähen, und die Sage rankte sich auch sonst um die Gestalt des als Heiligen verehrten. Von der schönen Agathe aber berichtet uns eine im domstiftlichen Archiv aufbewahrte Urkunde, vom Tage des sel. Bischofs Urban (25. Maij 1371, daß Probst Konrad und das Kapitel ihr, der Beghine Agathe, „genannt die schöne Agathe", und dem weltlichen Vikar Herrn Nico laus von Mysa einen Zins abgekauft haben, der bestimmt wird zur Feier des Festes der 10 000 Jungfrauen in der Petrikirche, mit Messen, Metten und anderen kanonischen Stunden". — Wir sehen, sie lebte damals in guten Ver hältnissen und bestem Einvernehmen mit dem Domstift. Die Beghinenniederlassung in Bautzen hat bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts in Bautzen bestanden: soviel er kennen wir aus den spärlichen Erwähnungen. Ihr Haus lag am Ende des Burglehns am Kloster, das es auch später zu unterhalten hatte. Das Gezugsgeld für die „Heimatzeitung" ist stets im Voraus oder zu Beginn eines ß den Vierteljahres zu entrichten. Die Einzahlungen können an die Geschäftsstelle oder auf Postscheckkonto Amt Leipzig Nr. 275.34 erfolgen,