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Vas die Elstraer Chronik von 1794 erzählt! Von Siegfried Stürz n er, Dresden Bischofswerdas und Kamenz' Nachbarstädtchen Elstra rüstet zur 400-Jahrfeier. Nach dem Vvrbilde anderer Sachsenstüdte will es nun auch seinen Ehrentag festlich be gehen. Schon im Herbste vergangenen Jahres bez. im Spät sommer konnte es auf den Tag zurückblicken, an dem ihm vor 400 Jahren durch König Ferdinand vom Prager Hradschin aus Stadtgerechtsame ver liehen worden waren. Es war dies am 14. oder IS. Sep tember 1828. Wenn Elstra erst etwas verspätet sein Jubel fest feiern ivill, so sind vielleicht die Kamenzer mit ihren Lessingfestlichketten oder die Bischofswerdaer mit ihrem Stadtjubilüum schuld, daß das kleine Landstäötchen be- schetdentlich zurücktrat und zuschante, wie man dort so ge lungene Heimatfeste veranstaltete. Hätten die Elstraer ihren Jubeltag rechtzeitig feiern wollen, so iväre es viel leicht zu viel der Festivitäten für die kleine Pflege gewor den. Und ein Geburtstagsfest kann man ja auch nachträg lich begehen. Wenn eine Heimatstadt ein Jubiläum feiert und wenn es gar das 4llll jährige ist, so ist es wohl am Platze, einiges aus dem Leben des Jubilars zu erzählen, von seiner Jugendzeit, seinem Erstarken, von seinem Schicksal und von seinen Nöten und Mühen zu berichten. Über Elstras Werdegang gibt uns in vortrefflicher Weise ein handgeschriebenes Büchlein Auskunft. Vor 138 Jahren hat es ein Oppacher Pfarrer der Öffentlichkeit übergeben, ein Heimatforscher, der einst in Prietitz bei Elstra lange Jahre als Geistlicher amtierte. Das Manu skript trägt den Titel: Kurze Topographie . von den Landstedtgen Elstra im Budißinischen Niederkreise von Ehristian Gottlieb Heydrich, Pfarrer in Oppach. 1794. Heydrichs Elstraer Chronik hat, soviel ich erfahren konnte, nie eine Drucklegung erlebt. Der Verfasser widmete das handschriftliche Exemplar, das noch heute erhalten ist, der Ob e r l a u s i tz i s ch e n Gesellschaft der Wissen schaften in Görlitz. Michaelis 1794, kurz nach seinem Wegzug von Prietitz nach Oppach händigte er sein Lebens merk der genannten Vereinigung aus. Da er selbst aus der Görlitzer Pflege stammte — sein Geburtsort war Nikrisch — lag schon äußerlich für ihn ein Grund zur Wid mung gerade an die Görlitzer Gesellschaft vor. Heydrichs handgeschriebene Chronik von Elstra benutzte u. a. der bekannte Kamenzer Arzt und Wohl täter D r. Johann Gottfried Böhnisch mit zur Abfassung seiner Kamenzer Chronik, eines treff lichen Werkes, das 1828 bei Krausche erschien. Der Erlös dieser Stadtchronik wurde von Bönisch zur Erbauung des «och heute bestehenden Lessing- oder Barmherzigkeitsstiftes in Kamenz verwendet. Bönisch selbst besaß keine Reich tümer, und er verfaßte die Kamenzer Chronik nur, um den Armen, Alten und Kranken seiner Vaterstadt helfen und ihnen ihr Los erleichtern zu können. Böhnischs Buch trug den Titel „Historisch-geographisch-statistische Topo graphie oder geschichtliche Beschreibung der Stadt Kamenz". Heydrichs Handschrift über das Landstädtchen Elstra kam später in den Besitz des Kamenzer Lokal historikers Klix. Dessen Nachlaß an Büchern und Manuskripten kaufte das Dresdner Antiquariat von Win ter (Galeriestraßei. Von ihm erwarb es das Sächsische Hauptstaatsarchiv. Hier hatte ich Gelegenheit, in das Manu skript des verdienten Elstraer Heimatforschers einsehen und es durcharbeiten zu dürfen. Pfarrer Heydrich schrieb übrigens noch eine Topo graphie, und zwar seiner späteren Wirkungsstätte Oppach. Auch dieses Werk widmete er 1794 der Ober- lausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Eine dritte Schrift behandelt Prietitz, wo Heydrich ja lange Jahre als Geistlicher tätig war. Christian Gottlieb Heydrich war der 18. (evangelisches Pfarrer von Prietitz bei Elstra. Er wirkte hier von 1783— 1792. Im letztgenannten Jahre wurde er als Seelsorger nach Oppach berufen. Die Veranlassung seines Wegzugs von Prietitz war wohl der große Brand des Dor fes Prietitz am 2. M a i 1 792. Am genannten Tage traf Heydrich das Unglück, daß in der Pfarre Feuer aus brach. Bei einem starken Sturm nahm der Brand trotz aller Löschversuche so an Umfang zu, daß nicht nur das Pfarrhaus völlig niederbrannte, sondern auch noch vier nahe Bauerngüter, drei Häuslerwohnungen und eine Scheune in Flammen aufgingen. Heydrich büßte bei diesem Brande den größten Teil seiner Habe ein. Die Bauern von Prietitz schrieben ihrem Pfarrer und seiner Unvor sichtigkeit wohl die Schuld an dem großen Brande zu, so daß Heydrich sich bewogen fühlte, Prietitz zu verlassen und in Oppach einen neuen Wirkungskreis zu suchen. Er war hier der 21. Ortspfarrer seit der Reformation, amtierte aber nur zwei Jahre in Oppach, wo er bereits 1796 starb. Heydrich hat seine beiden Chroniken von Elstra und von Prietitz noch zur Zeit seiner Prietitzer Amtstätigkeit geschrieben. Der letztgenannte Ort war von 1300—1674 der Sitz einer weitreichenden, mächtigen Herrschaft, mit ber auch Elstra vereinigt war. Sie war Besitz der Herren von Ponickau. Erst 1674 wurde die Besitzung in zwei Herrschaften, Prietitz und Elstra, geteilt. Sie kamen durch Erbe au zwei von Pvnickausche Linien. Wir werden über diese Erbteilung in der Heyörichschen Chronik noch hören. Die 1794 fertiggestellte Heydrichsche Topographie des Landstädtchens Elstra ist wohl die ausführlichste und beste Beschreibung des Ortes und seiner Umgebung. Der Ver fasser behandelt darin folgende Themen: 1. Abschnitt: Lage, Grenzen, alte Geschichte. 2. Abschnitt: Von gegenwärtiger Beschaffenheit des Ortes. 3. Abschnitt: Getreide, Obstbau, Viehzucht, Fischerei, Steine, Waldungen, fließende Wässer. 4. Abschnitt: Von den älteren und neueren Herrschaften in Elstra. 5. Abschnitt: Von den kirchlichen Verfassungen, den Pfarrern und Diaconis. 6. Abschnitt: Schule, Schulverfassung, Schullehrer. 7. Abschnitt: Einige Elstra betreffende Denkwürdigkeiten. * Schon aus dieser kurzen Inhaltsangabe läßt sich die Reichhaltigkeit der Heydrichschen Chronik von Elstra er kennen, aus der nun im Folgenden einiges — mit Er gänzungen und Berichtigungen — miedergegeben werden soll. Elstras Lage Der Verfasser erzählt hierüber in seiner Schreibweise: „Elstra, ein Landstädtchen im Budisinischcn Nieder kreise, hat eine sehr angenehme Lage, denn es liegt in der anmuthigen und fruchtbaren Gegend des Klosters Marienstern, von welchem es, so wie von der Sechs- stadt Kamenz, nur eine Stunde entfernt ist. Auf der Seite gegen Mittag und Abend zu ziehen die in einiger Entfernung davon liegenden Berge eine solche Bergkette