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Seit jenem Vortragsabend warteten unsre Mitglieder auf den heutigen Abend und schauten sehnsüchtig nach unserem Vereinsboten aus. Musik: (Rattenfänger) Wandern, ach wandern — — von Ort zu Ort. Aber hören Sie doch mal, wenn ich von unserem Ver einsboten spreche, brauchen Sie doch nicht gerade das alte Rattenfängerlied zu spielen anfangen. Aber Sie haben auch beinahe Recht; denn wenn er Steuern ein holt, soll er manchmal beinahe als solcher angesehen wer den. Aber trotzdem wandert er unverdrossen weiter von einem zum andern — wir müssen ihm dafür dankbar sein, auch dafür, daß er stil- und formlose Abmeldungen entgegennimmt. Und — sehr verehrte Gäste, das wollte ich ihnen noch erzählen: die Vereinssteuer beträgt im Vierteljahr eine gute deutsche Reichsmark — pro Monat also einen Bierwert. Nun wäre es am Platze, unsere guten Eigenschaften alle auszumalen und aufzuzählen — aber da käme ich als Vertreter des Vereins auch einmal zu guten Eigenschaf ten — und wenn man nicht die — hämische dazu rechnen kann — ist das laut verschiedener Bestätigungen nicht der Fall. Sollte der bisher gehörte Jahresbericht auch darunter ge litten haben, so verzeihen Sie es, liebwerte Mitglieder, mit dem Bedenken, daß verschiedenes zum Ausdruck ge kommen ist, was nicht gesagt worden ist. Lassen sie es vor allem unserem Verein nicht entgelten; denn der Humboldtverein braucht Ihre Liebe — und ist auch mehr Liebe wert. Musik: Weißt du noch, wie's einstmals war? Ja ich weiß es noch sehr gut, wie es einstmals war, wie es vor 8 oder 10 Jahren war — aber wir wissen auch, daß es — wenn es nicht so blieb — daß es nicht örtlich, sondern, von Ausnahmen abgesehen, allgemein so ist. Ich will Sie nicht mit Zahlen belästigen — das haben Sie nicht von mir und meinem Bericht erwartet — ich will nur allgemein gestehen, daß es mich selber immer wundert, wie unser verehrter Kassierer in unerschütter licher Ruhe auskommt, wie er Lesezirkel und Neuanschaffungen für wesentliche Beträge für das Museum genehmigt, von 7 Vortragsveranstaltungen 6 mit Beträgen bis zu 80 Mk. bezuschußt und für Sammlungen und Spenden auch noch leistungs fähig ist. Er hofft womöglich auf Verlängerung des Geschäfts jahres um wiederum ein Quartal. Ich bin ihm herzlich dankbar für seine sorgende Umsicht und Arbeit — und ebenso danke ich jedem Vorstands- unü Bereinsmitgliede, das sich für unseren Verein in irgendeiner Weise einsetzte — und ich danke vor allem auch unseren Wirtsleuten, die uns in diesem Winter nicht frieren ließen. Mit dieser schönen Eigenschaft — dankbar zu sein — be ende ich meinen zehnten Jahresbericht mit dem Wunsche und mit dem Versprechen: dem Humboldtverein, der parteilos einer guten Sache und der Heimat dient und uneigennützig Werte zu schaf fen und zu erhalten sucht, dem halten wir die Treue und stehen zusammen in Treue fest! Musik: Marsch — Trio „In Treue fest!" Ebert. * Vorstehend bringen wir ausnahmsweise einen Jahresbericht zum Abdruck, der in seiner ganzen Auf machung dazu angetan ist, bei den Hörern ein aufmerk sames Ohr zu finden. Er könnte ruhig Schule machen und bei andern Vereinen Nachahmung finden. Freilich, zum Abdruck in der OHZ. sind derartig abgefaßte Berichte nicht geeignet —, sie würden zuviel Platz beanspruchen. Wir können nur kurz abgefaßte und die wichtigsten Vorkomm nisse streifende Berichte gebrauchen. Wir wollten mit dem obigen Bericht nur ein Schulbeispiel bieten. Die Schriftleitung. Aus den Heimatvereinen Ättauer Serchichtt- una Mmeumr-verrin „Zwei alte Keller" lautete das geheimnisvolle Stich wort der Einladungskarte, die der Zittauer Geschtchts- und Museumsverein für Donnerstag, den 30. Mai, hatte er gehen lassen, und die Aufforderung hatte wie ein Runen zauber gewirkt. In einer alle Erwartungen übersteigenden Kopfstärke strömten die Mitglieder mit ihren Damen nach dem Klosterplatz unter den Linden und ergingen sich vor dem Eintreffen des Führers Herrn Museumskustos Dr. Reinhard Müller in heftigem Rätselraten über das mut maßliche Ziel der heimatgeschichtlichen Exkursion. Ange sichts des durstigen Wetters bekam die Hypothese, daß es sich um Weinkeller handeln müsse, Oberwasser. Und in der Tat traf diese Vermutung so ziemlich das Richtige; nur waren die betreffenden Katakomben leider vollständig trockengelegt. Der erste Besuch galt den unterirdischen Räumen des ehemaligen Franziskanerklosters, in dem sich heute das Staötmuseum befindet. Im Anschluß hieran wurden dann die überraschend umfangreichen Kellerräume des Grundstücks Markt 2, in dem sich die Olivasche Buch handlung befindet, besichtigt. Wer nur die unter der Erde gelegenen Geschosse unserer heutigen Mietskasernen kennt, der kann sich nur schwer einen Begriff von der Geräumig keit dieser alten Keller machen. Trotzdem ging es infolge des Massenbesuchs ziemlich eng zu; aber mit lebendiger Anteilnahme lauschte man den fesselnden Darlegungen des Führers, der in seiner bewährten anschaulichen Art die er wünschten Erläuterungen gab. Die erste urkundliche Er wähnung des Zittauer Franziskaner- oder Minoriten- klosters stammt aus dem Jahre 1293, also aus der Zeit kurz nach Gründung der Stadt. Indessen müssen sich die ursprünglich zu unbedingter Vermögenslosigkeit verpflich teten Mönche zunächst mit einem bescheidenerem Heim be holfen haben. Aus der Bauart des späteren Klosters ist zu schließen, daß es im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts errichtet worden ist. Der zweiteilige Kellerraum zeugt von bemerkenswert solider Bauweise; die Grundmauern waren auf eine sehr starke Belastung berechnet. Charakteristisch ist, daß die Wölbung unmittelbar über der mit schlichten Feldsteinen abgepflasterten Fußbodenfläche beginnt. Deut lich sind noch die Bretterfugen des zur Herstellung der Wölbung benutzten Baugerüstes erkennbar. Die mächtigen Räume sind zur Aufstapelung von Lebensmitteln und Brennstoffen benutzt worden. In der einen Kellerhälfte finden wir einen gemauerten Brunnenschacht von 5 Meter Tiefe, der das Kloster von der Außenwelt unabhängig machte. Nicht minder fesselnd gestaltete sich die Besichtigung des zweiten Gebäudes, das aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt, aber leider bei dem im Jahre 1843-44 erfolgten Umbau empfindlich verschandelt worden ist. Das schöne Portal (deutsche Spätrenaissance um 1600), das sich ehedem auf der Marktseite befand, wurde bei dieser Gelegenheit nach der Kohlgasse (der heutigen Johannisstraße) verlegt. Besonders bedauerlich ist die beim Umbau erfolgte absicht liche Demolierung der schönen gotischen Kellerbogen- gerippe, die nur noch im Ansatz erkennbar sind. Bemer kenswert ist der Rest eines unterirdischen Ganges, den der Führer als eine Art Blinddarm bezeichnete. Über seine Bedeutung wurde bei der sich anschließenden geselligen Zu sammenkunft gesprochen. Der Raum hat einmal als städti-