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Abendfrieden Von Jrmentraut Leupolt, Wurz-en Angefertigt 1925 im Alter von 13 Jahren für die 1. Klaffe der Höheren Mädchenschule zu Wurzen Wie wunderschön hat doch der große Schöpfer die Erde und die Natur geschaffen! Das kam mir einmal so recht zum Bewußtsein, als ich eines Abends in dem idyllisch ge legenen Oybin einen kleinen Spaziergang unternahm. Mein Ziel war der nahe Wald am Berg Oybin. Die Som mergäste kehrten von ihren Wanderungen zurück. Allmäh lich wurde es stiller auf den Wegen und in den Gärten. Ich schlenderte allein die Dorfstraße hinunter und betrachtete mir die Landschaft. Die hohen Felswände der Felsengasse wurden von den letzten Strahlen der untergehenöen Sonne Magisch beleuchtet. Mancher, der die Alpen noch nicht in Wirklichkeit gesehen hat, würde denken: „So müßte Alpen glühen sein!" Ich war mittlerweile am Fuße des Berges angelangt und stieg nun langsam die in die Felsen eingehauenen Stu fen empor bis zum Talringweg. Dort setzte ich mich auf eine Bank. Ich wollte einmal so recht den schönen Abend für mich allein genießen und alles um mich her vergessen. Ein heimliches Rauschen ging durch die Baumkronen, die sich wie ein Baldachin über mir wölbten. Vielstim miges Konzert erscholl durch den Wald. Die Vögel zwit scherten und trillerten ihre frohen Abendweisen, daß es eine Lust war, ihnen zuzuhören. Bald aber verstummte ihr reizender Gesang. Nur eine Nachtigall flötete noch im Ge büsch eine tragische Weise. Vor mir im Grase schlossen die Gänseblümchen und Blauglöckchen ihre Blütenaugen. Sie nickten mit den Köpfchen auf ihren Stengelein. Nur das Bergwässerlein war noch munter und rieselte, lustig plät schernd, über die Steine auf die breite Walüwiese. Zwei Rehe, Mutter und Kind, kamen aus dem Walde, um sich einen kühlen Trunk zu holen. Doch plötzlich schienen sie mich bemerkt zu haben. Einen Augenblick sahen sie ver wundert zu mir herüber. Dann verschwanden sie wieder mit anmutigen Sprüngen im Walöesdunkel. Am Himmel blitzten einige Sterne auf und im Osten glänzte die silberne Scheibe des Mondes. Mir war ganz feierlich zu Mute. Unwillkürlich kam mir ein Gedicht in den Sinn, das wir im vorigen Jahre in der Schule gelernt hatten: „Herr, du bist groß! so ruf ich, wenn im Westen der Tag sein Auge sanft bewältigt schließt, wenns in den Wäl dern schallt von Liederfesten und süße Wehmut sich aufs All ergießt. Wodurch, o Herr, stimmst du das Herz uns milder, als durch den Zauber deiner Abendbilder." Während ich bas Gedicht vor mich hinsprach, läutete in die Stille des Abends hinein das Glockenspiel vom Turm des Vergkirchleins den Choral: „Nun danket alle Gott!" Andachtsvoll erhob ich mich von meiner Bank und lauschte, bis die letzten Töne verklungen waren. Dann trat ich den Heimweg an. Ein Jahresbericht mit musikalischen Zwischenrufen 65. Stiftungsfest des Humboldtvereins Eibau am 4. Mai 1929 Sehr verehrte Gäste! Es ist im Humboldtveretn ein Brauch von nunmehr zehn Jahren, daß der Gesamtvorstand oder der Anf- sichtsrat unseres Unternehmens vom Vorsitzenden zum Stiftungsfest einen Jahresbericht wünscht oder gar ver langt — und unsere geschätzten Mitglieder haben sich auch daran gewöhnt, diesen Bericht zwischen Musik und Gesang über sich ergehen zu lassen. Dann brauche ich den Mitgliedern gegenüber heute keine besonderen Entschuldigungsphrasen zusammen zu suchen. Sie — verehrte Gäste, wollen sich bei diesem Punkte der Tagesordnung ganz nach Ihrem Belieben verhalten. In den Statuten des Verbandes Lusatia heißt es: Die Versammlungen haben teils wissenschaftlichen, teils geselligen Charakter. Den wissenschaftlichen Charakter der heutigen Ver einszusammenkunft stellt der Jahresbericht — weil viele Mitglieder gern wissen wollen, was der Verein, dem sie angehören im vergangenen Jahre gemacht oder nicht gemacht hat. * Am 12. Mai vorigen Jahres feierten wir mit grü nen Birken und Blumen den 84. Geburtstag des Hum boldtvereins. Heute fehlt es an Blumen im Revier und so muß ten wir auf den Vorschlag des seligen Herrn Goethe zu kommen und geputzte Menschen dafür nehmen. Die Elßnerkapelle hielt uns am letzten Stiftungsfest sehr lange auf — hoffentlich heute auch — aber am näch sten Tage, am 13. Mat, war Wanderversammlung des Verbandes Lusatia in Reichenbach. Musik: Hänschen klein, geht allein in die weite Welt hinein. Aber nein! Das dachte ich erst auch — aber trotz alledem war der Eibauer Humbolötverein durch 8 Personen ver treten. Bei solchen Wanderversammlungen muß man feststellen, daß die Verbandsvereine reichhaltige Wander programme für den Sommer aufgestellt haben. Mehrfache Versuche unsererseits — Musik: Turner auf zum Streite! Tretet in die Bahn. Nicht Bahn — Bau muß es heißen —, aber das war nur in dem vergangenen Sommer und außerdem dürfte es bekannt sein, daß wir auch auf andere Rücksicht zu nehmen verstehen. Für den engeren Vorstand, die Ar beitsbienen — ich möchte aber hier gleich betonen, daß ich Sen Bienenvergleich nicht weiter ausgeführt habe — also für die Arbeitsbienen gab es in der vorjährigen natürlichen Wärmezeit auch allerhand Arbeiten zu ver richten. Da galt es zunächst — nachdem Quartiermacher in Tätigkeit gewesen waren — die alte hundertjährige Neueibauer Feuerspritze in die Museumsfiliale über- zuführen und dieses wie jede Spritzentätigkeit mit einer Sitzung zu verbinden. Hierbei mußten für das Museums hauptgeschäft die sonntäglich ehrenamtlichen Dienste sicher gestellt werden —, wobei sich manche so anstellen, als ob sie nicht im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte wären. Musik: Das Wandern ist des Müllers Lust — Nein doch! Ich deutete schon an, daß dazu keine Zeit war. Es waren von uns auch die Vorbedingungen zu einem geordneten Wandern für Fremdlinge zu schaffen. Der LL-Wanderweg mußte neu durchmarkiert werden und eine ganz neue Wegemarkierung — aus dem Böh merlande über den Hohen Stein kommend — mutzte von uns von der Sorgeschenke über den Beckenberg nach der Kottmarschenke weitergeführt werden. Sie hörten eben, daß die Begrenzung unserer Markierungsstrecken klang- und annehmbar ist. Musik: Das muß ein schlechter Müller sein, dem niemals fiel das Wandern ein. Aber hören Sie doch! Wir sind doch keine Müller! Und außerdem sind einzelne — aber nur einzelne sehr zweckmäßig mit Rodehacke und Schaufel durch Walddorf nach dem Ehrenmal an der Spreequelle gewandert und haben sich dem Zug der Zeit folgend an den heißen Juli sonnabenden mit Walddorfer Humboldtvereinsmitglie- dern sportmäßig betätigt, indem sie Steine rollten, scho ben und hoben, das Denkmal ausbesserten und nach ihrer