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Nr. 12 Gberlaujrtzsr den Sattel gesetzt. In dieser Zeit ließ die Gesellschaft ihren Stiftern zu Ehren Gedenkmünzen mit ihren Bildern prä gen mit der Aufschrift: „Serit frugss uitsri sseulo xirofu- turss. pistus soeistutls I.usutise." Die Blüte der Gesellschaft, die so recht beim 25. Jubi läum 1804 zur Erscheinung kam, wurde durch die schlim men Jahre 1806 und 1815 geknickt. In den ersten dreißig Jahren wurden neben den wissenschaftlichen Bestrebungen auch gemeinnützige Zwecke verfolgt. Vornehmlich wollte man dem traurigen Zustande des damaligen Volksschul wesens aufhelfen und Seminare errichten. Die Teilung des Markgrafentums Oberlausitz 1815 vollendete den Ruin der Gesellschaft. Der noch lebende Stifter Anton war schon im Begriff, die Gesellschaft aufzulösen, da trat ermunternd und för dernd die preußische Negierung auf, deren Minister von Herzberg und Hardenberg schon früher mit Aufmerksam keit die Arbeiten der Gesellschaft verfolgt hatten. Zwar drang Anton mit seiner Bitte, die Universität Wittenberg nach Görlitz in das Gesellschaftshaus zu verlegen, nicht durch, aber durch das Eingreifen der preußischen Regierung war der tote Punkt überwunden. Die folgenden Jahr zehnte wurden in stiller, rastloser Arbeit hingebracht. Nach dem Befreiungskriege verengte man die Tätigkeit. Zu nächst hörte man im allgemeinen .mit der gemeinnützigen Tätigkeit auf und überließ die Aufgabe den Städten und Staaten oder Sonöervereinen. Dann verzichtete man auch nach und nach auf die Forschung über heimische Natur. Die Görlitzer Naturwissenschaftliche Gesellschaft, wenn man will ein Tochterverein unserer Gesellschaft, übernahm diesen Teil der Forschung. So sehr auch das Zeitalter der Ro mantik für die Wissenschaft und insonderheit für die Staatsgeschichte und Rechtsgeschichte bedeutsam und grund legend war, für die Provinzialgeschichte hatten sie wenig übrig. Doch bald gewann man als Mitglieder hervor ragende Träger der damaligen geistigen Bewegungen. War schon der große Oberlausitzer Fichte Mitglied gewesen, so jetzt die Gebrüder Grimm, dann Büsching, ein Dobrowsky, der nordische Gelehrte Rafn, Wilhelm Wackernagel, An dreas Schmeller, Lachmann, Moritz Haupt, Pertz, Waitz, von Raumer, Wattenbach, Homeyer, Hoffmann v. Fallers leben, Alexander v. Humboldt, Fürst Pttckler-Muskau u. a. Ein befruchtendes, sehr förderndes und man möchte sagen politisches Ziel verfolgte in den Jahren von 1815 bis 1866 die Gesellschaft, indem sie die Einheit der Gesamt oberlausitz betonte und den schlimmen Trennungsstrich am Löbauer Wasser und nach Südvsten hin minder fühlbar zu machen suchte. Neben der heimischen Geschichte, in der viel Kleinarbeit geleistet wurde, spielte die Pflege der allge meinen Wissenschaft noch ihre Rolle. Man beschränkte sich nach und nach auf das Heimatsgebiet. Die Arbeiten um fassen einen schier unerschöpflichen Stoff. Denn die scharf umrissene Landschaft der Oberlausitz hat eine große Ge schichte und zeigt jetzt noch Besonderheiten wie kaum eine zweite in Deutschland: Kampf und friedliches Zusammen sein von Deutschen, Wenden, Meißnische, Askanische, Böh mische, Kursächsische, Preußische Oberherrschaft, Selbständig keit des Landes in Kultur, Politik und Wirtschaft, ein Sechsstäötebund von erfolgreichster Betätigung, Blüte der Baukunst vornehmlich in Frührenaissance wie kaum anderswo, erfolgreicher Kampf gegen tschechische, hussitische Angriffe, hervorragende Männer wie Jakob Böhme, Tschirnhaus, Lessing, Fichte, Lotze, Rietschel, bedeutende Musiker, alles das klingt uns entgegen. Die Zeit der Ro mantik und die Biedermeierzeit zeigen in den Leistungen gegen die Zeit der Aufklärung einen gewissen Rückschritt in der Sammlung, Wertung und Bearbeitung der Urkun den. Erst gegen den Ausgang des 19. Jahrhunderts nahm die Gesellschaft die Arbeiten, und zwar mit großem Erfolg wieder auf. Seit etwa 1890 steht die Sache so, daß das hoch bedeutende Görlitzer Ratsarchiv sozusagen die Nährmutter Hoimatzsiiung 181 der Gesellschaft geworden ist. Was hat nun die Gesellschaft in den 150 Jahren geleistet? Zunächst vier Zeitschriften, die letzte das Neue Lausitzische Magazin, das seit 1821 ununter brochen erscheint und auf 104 Bände angewachsen ist. Die Mittel, die uns heute Reich, Preußen und Sachsen bereit willigst gewährten, sie werden die Forschungen weiter fort setzen. Großes, ja Einzigartiges haben unsere Mitglieder auf dem Gebiete der Adelsgeschichte der Oberlausitz ge leistet. Drei Namen gilt es hier zu nennen, Jakob Gott lieb Kloß, Hermann Knothe und Walter von Boetticher. Ferner haben das angewandte, aber auch theoretische Sach senrecht, Städtegeschichte, die kirchlichen Verhältnisse, die Reformation, das Schulwesen (höheres und Volksschul wesen), die Glocken, Sagen, Flurnamen, die Kolonisation, die wirtschaftlichen Verhältnisse, die bäuerlich-gutsherr lichen Verhältnisse, die Dorfschöppenbücher, die Flurver hältnisse eingehende und anerkannt tüchtige Behandlung gesunden, desgleichen die großen Oberlausitzer Johannes Frauenburg, Bartholomäus Scultet, Johann Haß, Ehren fried Walter von Tschirnhaus, Jakob Böhme, Leopold Schäfer. Die Namen der verdienten Forscher und Autoren in den 150 Jahren aufzuzählen verbietet die Zeit. Bauern, Großgrundbesitzer, Pfarrer, höhere Lehrer, Juristen, auch Ärzte unserer Landschaft sind von jeher wegen ihres ge schichtlichen Sinnes und ihrer Betätigung in Geschichts schreibung rühmlich bekannt. Ja bis 1870 übertrifft die Oberlausitz in heimischer Geschichtsforschung alle Neben länder. Das ist natürlich in unserer Zeit anders geworden. Breslau mit seiner Universität, dem Staatsarchiv und den rührigen und streng wissenschaftlich arbeitenden Vereinen, Dresden und Leipzig, diese großen Mittelpunkte für Kunst und Wissenschaft, auch die Deutschen in Böhmen, regten sich in erfolgreichem Wettbewerb für ihre Landschaften. Da hieß es für unsere Gesellschaft und die Oberlausitz, die frühere Stellung nicht bloß aufrecht zu erhalten, sondern auch den Fortschritten der Wissenschaft gemäß neu zu gestalten. Vor 50 und wohl auch noch vor 30 Jahren war es schlechter dings ausgeschlossen, daß die Dozenten der Universitäten auf den Lehrstühlen für deutsche Geschichte sich mit dem Wesen und der Geschichte der engeren Heimat beschäftig ten. Man darf doch nicht vergessen, daß schließlich die Reichs- und Staatengeschichte sich gründet und aufbaut auf der Erforschung einzelner stammlicher Einheiten. Die Oberlausitz ist aber solch eine Einheit, fest sich abgrenzenö nach West, Ost, Süd und Nord. Und die schöne Aufgabe, das Wesen, die Sonderheit in Kultur, Wissenschaft, Kunst und Politik wissenschaftlich zu erforschen, hat unsere Ge sellschaft seit 160 Jahren zu lösen versucht. Sie will hier mit der allgemeinen deutschen Geschichte eine brauchbare Unterlage geben. Anschließend an den Festakt im Gymnasium fand im großen Saale der Stadthalle ein Festessen statt, bei dem in zahlreichen Ansprachen die wissenschaftliche Bedeutung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gewürdigt wurde. — Aus Anlaß des Jubiläums waren Erinnerungs stücke und besondere Schätze der Gesellschaft in dem Hause der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Neiß- straße 30, ausgelegt und ist eine Festschrift erschienen, die einen eingehenden Aufschluß über die Arbeiten der Gesell schaft gibt. Neben zahlreichen literarischen Ehrengaben sind tele graphische Glückwünsche eingegangen von der Preußischen Akademie der Wissenschaften Berlin, der Akademie der ge meinnützigen Künste in Erfurt, des Gymnasiums in Bautzen, der Erfurter Bibliotheksgesellschaft, des preußi schen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der Stände der Niederlausitz, des Parochtalverbandes in Görlitz, des Kreishauptmanns von Nostitz-Wallwitz, des Domstifts Bautzen, des Verbandes der Schlesischen Presse, des Kreishauptmanns von Kraushaar-Dresden, des Herrn Landeshauptmanns von Eichel u. a.