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verboten Unberechtigten Nacliöi-uo^ Erscheint aller ,14 T«ge AreiVags' Druck u. Verlag: Alwin Oliarr,Euchdruckerei und Aeitungsverlag G.m.b.^-.Reichenau i.Sa. Scliristlestung und Geschäftsstelle in A?eschenau,Sa. E5ernsprecherNr.300 Gesck)lcs)te Blatter fÜP ^eimatkunöe rv Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Anthropologie und Llegefchichte der Gbsrlausstz zu Bautzen, der Gesellschaft für Heimatkunde zu Hoyerswerda fowie des Verbandes „Lujatia" der Humboldt-, Fortbildungs- und Gsbirgsvereine der gesamten Tbsrlausitz. Hauptjchristleitung: Gtto Marx Reichenau (Sachsen), unter Mitwirkung zahlreicher bewährter Heimatjchriststellsr. Manuskripten ist Rückporto beizufügsn, da sonst ein Anspruch auf Rücksendung nicht besteht. Llnberschtigtsr Nachdruck aus der „Gberlausstzer Heimatzsitung" wird strafrechtlich verfolgt. Erfüllungsort und Gerichtsstand für Bezieher und Inserenten Reichenau, Sa. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27 534. Bankverbindung: Gswerbsbank und Girokaste Reichenau Nr. 1ö. Gberlausitzer Dank, Abteilung der Allgemeinen Deutschen Lredit-Nnstalt, Sittau. Nr. 11 2S. Mai (Wonnemond) 1929 10. Jahrgang „Großstadt Oberlausitz" Von Theodor Schütze, Hainitz Mit heißem Eifer und unsäglichem Fleiß mühen sich heutigentags viele darum, die Vergangenheit unserer Hei mat auszugraben und ans Licht des Tages zu bringen, sei es aus der kühlen und schweigsamen Erde, sei es aus ver gilbten Blättern und Urkunden. Freilich wäre es manchem besser, seine Arbeitskraft und Denkschärfe den Aufgaben der Gegenwart zuzuwenden und der damit so eng verknüpften Zukunft. Doch wenden sich auch viele Zeitgenossen, denen die Gegenwart allzu trist und sorgenbeschwert entgegen tritt, bewußt verflossenen Zeiträumen zu, wo es nach ihrer Meinung noch mehr Frieden und Behagen gegeben hat als in unseren hasterfüllten Jahren. Von der Zukunft vollends mögen solche Leute nichts wissen,- sie sehen ihr mit den schlimmsten Befürchtungen entgegen und möchten nur allzu gern den Schritt hemmen und nicht in sie hinein marschie ren, wenn nicht der unerbittliche Lauf ihres Lebens sie mit vorwärtsrisse. Die Zett erscheint ihnen als ein entsetzliches Untier, an das sie festgekettet sind und auf dessen Rücken sie ohne Erbarmen die Reise nach gefährlichen Gewässern und dunklen Gestaden mitmachen müssen, bis ihnen das vtelgehetzte, müde und kranke Herz endlich zerbricht. Wollen wir beileibe nicht mit solchem Pessimismus an die Betrachtung der Zukunft gehen, sondern ohne Vorein genommenheit und mit festem Blick das Dunkel vor uns zu durchdringen suchen. Wir werden nicht zur Kartenlege rin schleichen, nicht uns der zweifelhaften Weisheit des Astrologen bedienen, nicht das Mäntelchen irgendeines düsteren Propheten entleihen. Nein, wir wollen nüchtern die Dinge ins Auge fassen, wenn wir von der Zukunft der Heimat reden. Wir wissen, die Zukunft wird hauptsächlich so sein, wie die Menschen sie machen werden. Unsere erste Erkenntnis muß die sein, daß die Zukunft unserer Heimat aufs innigste verflochten ist mit der Zu kunft des Vaterlandes, ja mit der Zukunft der gesamten Menschheit. Wir sind ja nur immer ein Bruchteil des gro- - ßen Ganzen, eine Ader oder ein Muskel eines gewaltigen Körpers, und unser Wohl und Wehe ist untrennbar ver knüpft mit dessen Gedeihen. Diese Abhängigkeit einer Land schaft von der anderen, eines Erdteils vom anderen wird sogar von Jahr zu Jahr deutlicher, und wir merken mit Erschrecken, wie die Erde, die unseren Altvordern unheim lich groß und geräumig erschien, uns Nachfahren kleiner und enger wird, ja in beunruhigender Weise gewissermaßen zusammenschrumpft. Wenn das Vaterland einen Krieg ver loren hat, der fern der Lausitzer Grenze sich abspielte, und wenn es nun unter der Kriegsschuldenlast stöhnt, so leiden wir mit und finden den Zusammenhang ganz in der Ord nung. Aber wir spüren es z. B. heutzutage ganz deutlich an unserem Geldbeutel, wenn einige 1000 Kilometer ent fernt von uns am Mississippi die Baumwollernte mißraten ist, und wenn irgendwo in Asien ein endloser Krieg geführt wird, so können wir nicht mehr, wie jener Bürger in Goethes „Faust", gemächlich am Fenster stehen und unser Gläschen austrinken, sondern wir verspüren ein leises Un behagen. In Zukunft werden uns derlei Zusammenhänge immer deutlicher werden,- denn die Zivilisation, deren rasendes Vorschreiten anscheinend in keinem Erdenwinkel mehr auf zuhalten ist, wird uns von Jahr zu Jahr enger zusammen rücken lassen. Unsere Heimat wird sich ganz und gar ein ordnen in den riesigen Organismus der Erde,- wir werden Freud und Leid der gesamten Menschheit noch mehr Mit empfinden. Dann wird es freilich noch mehr als jetzt aller Kunst der Staatsmänner bedürfen, blutige Konflikte zwi schen den übervölkerten und zusammengepreßten Nationen zu verhindern, und der Völkerbund wird sich wirklich zu einer oft angerufenen und an Befugnissen reichen über staatlichen Autorität entwickel» müssen. Wollen wir hoffen, daß die Idee der Vereinigten Staaten von Europa dann einmal kampflos, automatisch sich verwirklicht. Ferner wird der Gedanke zu erwägen sein, ob die europäischen Staaten, da sie sich kaum noch ausdehnen können und doch stetig an Bewohnerzahl wachsen, nicht dazu übergehen sollten, die Geburtenzahl künstlich zu beschränken. Doch all diese ge wichtigen Probleme können wir hier nur in größter Kürze streifen.