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13S Gberlaufltzev Heimatzeltung Nr. S Auch in unserer Oberlausitz haben sich in Orten mit vorwiegend katholischer Bevölkerung Flur umgänge und Prozessionen zur Frühlingszeit in verschiedener Form bis auf unsere Tage erhalten. So be richtet das „Röslersche Heimatbuch" von dem aufblühenden Spreetalstädtchen Schirgiswalde bet Erwähnung alter Volksbräuche: „Leider besteht die Sitte des Saatreitens, wie sie im benachbarten Nordböhmen noch üblich ist, in Schirgiswalde nicht. Dafür ziehen am Sankt Markus- tage sowie an den Bittagen (drei Tage vor Himmelfahrt) die Schirgiswalder in der Prozession, voran wehende Fah nen, unter Absingen kirchlicher Lieder, um die Felder." In der katholischen Wend ei unserer Lausitz findet die Markusprozession innerhalb der Kirche statt, und zwar „nach der heiligen Messe". Dann sammeln sich die Priester, Chorsänger und Laien am Altarplatz und es singt der führende Celebrans: Procedamus in pacem! (Lasset uns wandeln in Frieden!), worauf der Kantor: In nomine Christi amen! entgegnet. Nach Absingen der Antiphon folgt die Allerheiligen-Litanei im Wechselgesange zwischen Vor sänger und Volk. Ministranten und Altardiener tragen Fahnen und Insignien des Osterfestes: Osterfesteskerze und Auferstehungsstatue: die Priester folgen im Schmuck der kirchlichen Gewänder, mit brennenden Kerzen in den Händen. Au den letzten drei Tagen vor dem Himmelfahrtstage, den „Bittagen", werden ähnliche Bittprozessionen abgehal ten. Ergreifend wirkt es sicher auf das Gemüt des stillen Wanderers, wenn er in den grünenden, blühenden Fluren einem Zuge solch vertrauensvoller Waller begegnet, oder ihm der Schall von Liedern und Litaneien ins Ohr tönt, wie „Prosymy cze, wulysch nas!" (Wir bitten dich, erhöre uns!) Auch sonst spielt der Markustag im Glauben des wen dischen und deutschen Landmanns eine Rolle. Oft schaut der Bauer nach der Höhe seines gesäten Kornes. So heißt es beispielsweise in Baden: es mutz sich darin verbergen kön nen am Jörschidag (Georgentag) e Kü (wohl eine Krähe), am Marschedag e Stö (am Marküstage ein Pfau), am Walbridag e jähriger Eischl (am Walpurgistage ein jäh riger Esel). In den Wetterregeln des schlichten Landbewoh ners nehmen die „Hciligentage" eine bevorzugte Stelle ein, es ist demnach nicht unwahrscheinlich, daß auch der Markus tag in irgendeiner Beziehung zu diesen, unbefangener Naturbeobachtung entsprungenen Wettervoraussagungen steht. Mancher ältere dürfte sich vielleicht noch auf solche Merkverschen des alten „Bauernkalenders", soweit er in der Ober lau sitz gang und gäbe war, besinnen können. Nächtliche Bergfahrt Eine Walpurgiserinnerung von Rudolf Wagner, Schirgiswalde Die Sonne ging blutrot zur Rüste. Langsam bricht der Abend über das frühlingsdürstende Land herein. Heute wird es noch nicht gleich Ruhe finden, denn heute ist der Tag, an dem sich alt und jung nach langer Winterpause das erstemal hinaus ins Freie flüchtet, nach alter Gewohnheit den Frühling zu begrüßen. Unser Zug ist zum Brechen voll. Jungens und Mädels schäumen vor Übermut. Wandervögel stimmen sorgfältig ihre Laute. Ein schweres Stück Arbeit bei all dem Trubel. „Sinkwitz!" Türen knallen, viele entströmen dem engen Wagen, kaum eine Lücke hinterlassend. Großpostwitz folgt. Hier lassen auch wir uns mit dem Menschenstrome ins Freie reißen. Ein eiliges Begrüßen vor dem Bahnhof, kurze Wiedersehensfreude, Tritt gefaßt und schon gehts plaudernd in die Abendstille. Unter uns gurgelt die Spree. Die schmale Großpostwitzer Kirchturmspitze winkt einen Gruß herüber. Durch enge Gassen marschieren wir dem Dorfaus gange zu. Ein kühles Lüftchen umfängt uns draußen. Die Dorfbuben schauen dem sonderbaren Bergtroß mit neu gierigen Augen nach. Sie haben heute ihren großen Tag. Seit Wochen schon ist kein Besenstil vor ihnen sicher. Nun schleppen sie noch die letzten Reisighausen zn ihrem Hexen altar, der bald in Hellen Flammen gen Himmel lodern wird. Ein Bächlein murmelt in der dunklen Tiefe. Wir setzen tastend darüber. Jetzt führt der Weg langsam bergan. Ein Licht nach dem andern blinkt allmählich aus den trauten Häuseln des Cunewalder Tals. Da muß auch der Himmel seine Laternen anzünden. Von Ferne dröhnt gedämpfter Hörnerschall. Nur droben im Drohmbergwald rührt sich kein Lüftchen. Jetzt ist das letzte Dörfchen, das zwischen zwei Berg ketten eingeklemmt ist, erreicht. Unser Blick kann von hier aus zum letzten Mal rückwärts über die kahlen Äcker schweifen. Da, sieh! Die ersten Walpurgisfeuer lodern auf. Hier eins und dort zwei, weiter drüben noch mehr! Die große Stunde rückt immer näher, in der Geister und Hexen ihr zauberhaftes Wesen zu treiben beginnen. Vom sagen grauen Brocken senden sie ihre Boten über den Insels berg und Fichtelberg herüber zu unseren Götterbergen, dem Czorneboh und Bieleboh. Immer dichter rücken die schlanken Fichten zusammen, der Weg wird holpriger. Da müssen wir unsere Laternen anzünden. Zusammenhalten heißts, denn wer heute vom Wege abgleitet, ist den Geistern des Berges verfallen. Wild zausen diese in den himmelanstrebenöen Baumkronen. Da pirscht sich wieder eine Melodie heran. „Das Lieben bringt groß Freud, das wissen alle Leut — — —!" Taschen lampen geistern bald darauf durchs Gebüsch und schließlich löst sich die Begegnung in schallendes Gelächter auf. All mählich verstummen die vorlauten Stimmen. Jeder hat für sich selbst zu tun, wenn er nicht ein Opfer des steinigen Pfades werden will. Wir passen uns unwillkürlich unserer Umgebung an, denn der Boden unter unseren Füßen ist geheiligte Hromaönik, ü. h. Versammlungsberg, nennen sie den Vorberg des Czorneboh. Die Sage berichtet uns, hier seien einst die gläubigen Wenden in langer Prozession zu geheimnisvollem Tun heraufgezogen. Im Waldesdunkel glänzt ein kleiner Wasserspiegel: das Teufelswaschbecken. Ob hier einst die Priester ihre Gebete gemurmelt? Ob sie sich hier zum Opfer reinigten? Weit und ungewiß liegt das alles zurück, aber es umfängt uns doppelt geheimnis voll im nächtlichen Düster. Wildes Geröll liegt zu beiden Seiten des Weges im Dickicht zerstreut. Schwarz heben sich die Gipfelklippen gegen den sternenbesäten Nachthimmel ab. Bei Tag erkennst du dort das Teufelsfenster. Einst sprach man seine Fragen ins Frageloch. Dann ließ sich ein gnädiger Gott wohl durch den Mund seines Priesters ver nehmen. Was würden wir wohl jetzt für eine Antwort er heischen? — Schon sind wir unbemerkt dem grausigen Ort ent ronnen. Nur vorwärts streben alle. Sekundenweise lichtet sich der Wald. Ach, wenn sich unser Blick jetzt weiten könnte, um wie sonst über die sanften Wellen unserer lieben Lau sitzberge dahinzustreifen! Im Süden grüßen vom Bieleboh lichte Feuergarben. Friedlich schlummert Cunewalde zwi schen den beiden Bergbrüdern. Einst klapperte dort der Webstuhl hinter den gemütlichen Rundbogenfenstern der niedrigen Lausitzer Holzhäuser. Und heute erscheint uns das alles wie ein Märchen .... Ein scharfer Luftzug braust uns hier oben um die Ohren. Möchte er sich nur bald in ein „Mailüftchen" ver wandeln! Wir bekommen nun endlich einmal Sicht nach der Schattenseite unseres Berges. Weit hinter uns, im Ge- glitzer unzähliger Lichter, können wir Bautzen ahnen. Wei ter im Osten häufen sich die Häuser ängstlich nm eine Kirch-