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Heilige und Schutzherren in der Oberlausitz Von O. Schöne, Löbau Heimatliches vom Georgentag Der 2 3. April ist von altersher dem „heiligen Georg" gewidmet, dem reckenhaften Drachentöter, dem Schutzherrn der Burgen, Ritter und Krieger. Der Tag wird auch als „Georgius- oder Jürgentag" bezeichnet. In den urkundlichen Schriftstücken des Mittelalters trägt er Namen wie „Georientag, Görgentag, Jörgentag, Jürgen tag" und andere. Der Georgentag gilt vielfach, namentlich in slawischen Ländern, als Frühlingsanfang. Die russischen Bauern beginnen in manchen Gegenden an ihm mit der Landarbeit. Man führt den „grünen Georg" umher, einen in Laub gehüllten Burschen, der nachher ins Wasser ge worfen wird, und „läutet mit vielem Getöse das Gras aus". Wie der Haustiere überhaupt, so ist Sankt Georg namentlich auch Schutzpatron der Pferde, die an seinem Tage in feierlichem Umritt „benebiziert" werden. In Schlesien soll man in der Woche um den „Jirgetag" weder Gerste noch Hafer säen. Im Volksglauben und in den Sagen der Niederlausitz spielt der heilige Georg als „Lindwurmtöter" eine bedeu tende Nolle. Noch am Anfänge des 18. Jahrhunderts war in „Zilmsdorf", angeblich einem der ältesten Orte in der Niederlausitz, ein riesiger Stein, der das ausgehauene Bild des Ritters Sankt Georg, wie derselbe auf einem Pferde sitzend den unter ihm liegenden Drachen bekämpft, zu sehen. An ihn knüpfte sich eine Volkssage von einem nahe bei dem Orte hausenden schrecklichen Lindwurm, den der „heilige Jürge" getötet habe. Von ihm heißt es in einem alten wendischen Volks lieder Und der heil'ge Jürge Faßt den Wurm am Halse, Zieht ihn immer weiter Aus dem großen Pfuhle. In der Oberlausitz tragen mehrere „Kapellen" von er wiesenermaßen hohem Alter den Namen des ritterlichen Heiligen, so die „Krypta" der Görlitzer Peterskirche und die „Georgenkapelle" auf dem Rothstein. In ersterer ver weisen einige Kennzeichen auf romanische Bauformen, lassen demnach eine Entstehung zum mindesten am An fänge des 18. Jahrhunderts vermuten. Letztgenannte ist augenscheinlich im Schutze des nahegelegenen „Burgwardes Dolgowitz" errichtet worden und hat jedenfalls zunächst der ritterlichen Besatzung des nach jenem Orte benannten bischöflich-meißnischen Verwaltungsbezirks gedient. Da der selbe vielleicht schon im 11. Jahrhundert, sicher aber im Jahre 1223 urkundlich genannt wird, ist auch der Ursprung dieser Kapelle in früher Zeit zweifelsfrei verbürgt. Bei ihr ist auch die Stellung des heiligen Georg als Schirm- und Schutzherr der Krieger ohne weiteres ersichtlich. Als gewagt müssen wir es aber ansehen, von der Georgen kapelle auf eine ehemalige Burg auf dem Rothsteinc schlie ßen zu wollen. Hier ist auch die 1228, demnach vor reichlich 700 Jahren, begründete Schloßkapelle in der „Bautzener Ortenburg" zu erwähnen. Diese „Georgenkapelle", die urkundlich als „ca- pella sancti Georgi", „capella sente gurgen" und anders bezeichnet wird, diente dem Burggrafen und dem Adel der Umgegend und war von diesem seinem „Schutzherrn Georg" geweiht und mit Stiftungen reich ausgestattet worden. Ein bedeutungsvoller Tag ist der 23. April im Volks glauben, der dem Gebiete der „schlesischen Oberlausitz" an gehörenden Jsergebtrgsbewohner. Hier betrachtet man ihn als bestimmend für die „Sommerzeit" und als deren Be ginn. Der „Georgen- oder Jürgentag" ist der Zeitpunkt, an dem das Gift aus der Erde herauskvmmt, mit anderen Worten, der die Stoffe, welche das Wachstum schädigen, endgültig ausscheidet und zerstört. Deshalb geht man hier an vielen Orten erst vom nachfolgenden Tage an barfuß. Im Hinblick auf das zu weidende Vieh sagt man: „Jürgia sin m'r d' Küh' von d' Weid schürcha". Letzteres mundart liche Wort bedeutet so viel wie „treiben". Ein heißer Jürgentag kündigt für den Sommer viele Kreuzottern an. Ist er düster und regnerisch, so fürchtet man eine nieder schlagsreiche nasse Erntezeit. Gewitter vor dem Jürgen- tage gelten als Vorboten eines gutentwickelten, körner reichen Getreides. In vielen Familien jener Gegenden fällt zwischen Michaelis und dem Georgentage das Nach mittagsvesperbrot weg. In Hindeutnng daraus hat sich der Volksreim gebildet: Jürjatag bringt a Vasp'r satt, Michael trä' a wieder heem. Es wäre gewiß zu begrüßen und für die heimische Volks kunde von Wert, wenn uns jemand von solchem Volks glauben am Georgentage auch aus dem sächsischen Anteile der Oberlausitz in gegenwärtiger oder vergangener Zeit berichten könnte. Vom Marknstage in der Oberlaufitz Der 2 5. April ist dem Apostel Markus gewidmet, der im Jahre 68 n. Ehr. zu Alexandria den Märtyrertod er litten haben soll. Dieser Heilige der alten Kirche wird in den Urkunden des Mittelalters auch als „Sankt Marx" und sein Tag als „Sankt Marchenstag" und ähnlich be zeichnet. Allenthalben in deutschen Gebieten, in denen sich die katholische Lehre erhalten hat, finden zu diesem Zeit punkte Prozessionen und Flurumgänge statt, so z. B. in Schlesien, in Westböhmen, in Tirol und anderswo. Wir dürfen annehmen, daß diese „Bittprozessionen" an Stelle und zur Verdrängung eines alten vorchristlichen Festes, mit dem gleichfalls ein Flurumgang verbunden war, ge treten ist. Es ist dieser Festtag wohl zunächst im Patriarchat von Alexandria durch eine Prozession ausgezeichnet worden zur steten Erinnerung an die Marter, bei welcher der hei lige Markus durch die Straßen des heidnischen Alexandria geschleift worden war. Im Abendlande erhielt die Mar- kusprozession eine erhöhte Bedeutung und Feierlichkeit durch folgende Veranlassung: Im Jahre 589 überschwemmte der Tiber die Stadt Rom und ihre Umgebung und ließ einen gesundheitsschädlichen Schlamm zurück. Daraus ent stand eine fürchterliche Pest, welche unter den Einwohnern schrecklich wütete und kein Haus verschonte. Damals saß auf dem päpstlichen Stuhle der heilige Gregor der Große. Dieser ermahnte das Volk mit beweglichen Bitten zur Buße und veranstaltete öffentliche Gebete. Zur Handhabung einer besseren Ordnung befahl er, daß das Volk in sieben Abteilungen geteilt aus sieben Kirchen auszöge und unter Gebeten in die Mutter-Gottes-Kirche wallfahre zu gemein samer Andacht. Drei Tage lang dauerten diese öffentlichen Gebete, hallten die Straßen wider von dem demütigen Hilferufe: Adjuva nos! et libera nos! Misere nvbis! (Hilf uns! Befreie uns! Erbarme dich unser!) Am dritten Tage erreichte die Pest ihr Ende. Aus Dankbarkeit für die gött liche Errettung wurden diese Prozessionen in Rom all jährlich wiederholt, später in eine zusammengezogen, mit der schon bestehenden Markusprozession verbunden und für die ganze abendländische Kirche angeordnet. Daher mag es kommen, daß an vielen Orten nach dem römischen Vor bild die Bittgänger mehrerer Gemeinden am Markustage in einer Kirche zusammenkommen. Der Markustag fällt in die Tage des Frühlings und damit in jene Zeit, in der Saaten, Wiesen und Frucht bäume hoffnungsvoll zu grünen und zu blühen beginnen und der besorgte Landmann erwartungsvoll nach dem Him mel schaut, woher wohl das erste Ungewitter kommen möge. Da spornt der Blick auf die göttliche Vorsehung zum ge meinsamen Bittgebete um Segen und Schutz vor Gewitter schäden, Teuerung, Seuchen und anderen Plagen an.