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Seele, mit der ganzen inneren Anteilnahme seiner Per sönlichkeit tut, dann wächst sie zur Wertarbeit, die er in den Schatz der Kulturgüter einreihen kann. Das Dorf kennt solche beseelte Arbeit von der Saat bis zur Ernte. Der Bauer, der Sonntags durch die Felder geht, der Knecht, der vom Morgen bis zum Abend seine Tiere betreut, die Magd, die der Bäuerin unverdrossen zur Seite steht, sie bilden eine enge, in Freud und Leid ver bundene Arbeitsgemeinschaft. Sie tragen alle ein Stück Verantwortung, sie fühlen sich aber auch alle abhängig von höheren Gewalten. Darum besteht von alters her jene innige Verbindung von Landarbeit und Religion, die aller Dorfkultur heute noch sichtbares Gepräge gibt. Auch die Handwerker, die dem Landwirt an die Hand gehen, Schmied, Stellmacher, Sattler, Tischler erhöhen den Kulturwert ihrer Arbeit durch die besondere Liebe, die sie ihr angedeihen lassen. Ein solcher Meister arbeitet nicht nnr um Lohn und Brot. Er hat selbst Freude an der Arbeit und will mit dem abgelieferten Stück Freude machen. Mit diesem Streben kommt er zu dem, was Kultur bedeutet. Dort, wo Arbeit als die sinngemäße Anwendung der über kommenen Lebensgüter auftritt, wo sie getan wird, um durch sie zu einer harmonischen Lösung der Daseinsfragen zu kommen, wo man sie gewisser Gesetzmäßigkeit unter wirft und jeder Willkür entreißt, um sie, gesteigert im Wert, einem Ganzen einzuordnen: dort ist Kultur. So bedingt Kultur zunächst Kultur des einzelnen, zielt aber hin zur Gemeinschaft. So will wahre Dorfkultur also zur Dorfgemeinschaft. Sie hat ihren Grund wiederum in der „guten und getreuen" Nachbarschaft. Deputate, Jahr markt- und Weihnachtsgeschenke sind alte Zeichen wahrer Dvrfkultur. Sie haben sich vielfach noch in Sitte und Brauch erhalten. Sv gibt es auch Dörfer, wo der Sonntagsgottes dienst schon früh um 7 Uhr stattfindet. Um 9 Uhr wird dann Mittag gegessen, damit die Leute ordentlich einen freien Tag haben. Alles das sind Erscheinungen, die beweisen, wie sehr auf dem Lande Arbeitsgemeinschaft Lebensgemeinschaft be deutet, und wie zwischen Herrn und Knecht, Magd und Bäuerin besteht die Gemeinschaft unter den Dorfgenossen. Das ganze Zusammenleben drückt bestimmte Gesetzmäßig keit aus. Das weithin sichtbare Zeichen dafür ist oftmals die Kirche mit ihrem Turm. Welch eindrucksvolles Bild, wenn sich Höfe, Häuser und Hütten um die Getreue scharen! Und wie von dieser ge drängten Fülle Strahlen der Kraft mit Gärten, Wiesen und Feldern hinausdeuten ins Freie und doch wieder hin überweisen zur neuen Gemeinschaft und Gebundenheit, das ist sinnvoll und schön. Die Kirche hört Bauernbitte und Bauerndank. Pfarrer und Kantor verkörpern ein Stück Dvrfkultur, und ans dem schön gestimmten Gesamtbild sind auch die pausbackigen, lobpreisenden Sängerbuben und die eifrig-frohen Kirchenposaunisten nicht wegzudenken. Die kirchlichen Feste geben dem Dorfleben jeweils ein besonders charakteristisches Gepräge. Oft genug bedeutet die Kirche zudem mit Portal, Türen, Altar, Taufstein und Kanzel ein Stück Kulturgeschichte. Das Kirchenbuch ist Dorfchronik zugleich. Alle Grabsteine, schöne Denkmäler, schmiedeeiserne Kreuze bleiben dazu die unvergeßlichen Sinnbilder der Dorfheimat, an die der Dorfmensch auch in der Fremde fester gekettet ist, als man gemeinhin glaubt. In der Nachbarschaft der Kirche steht die Schule. Altersschwache Häuser dort, wo Armut zu Hause ist, oder wo man sonst nicht viel für sie übrig hat, förmliche Paläste aber auch dort, wo man ganz modern ist. Der Lehrer, als Erzieher ganzer Generationen in vielen Dorfgemetnschaften allgemein geachtet und verehrt, wir- oft mit vielen Posten bedacht, er wächst vom Schullehrer zum Volkslehrer und gibt so durchaus das Bild einer totalen Persönlichkeit. Auch die Schule soll organisch aus dem Dorfganzen wachsen. Das Schulhaus soll nicht elend und mangelhaft sein, wenn das Dorf reich ist, es soll aber auch nicht prun ken, wo die anderen darben. Den Gedanken der Gemein schaft macht sie zuerst in den Kindern lebendig, und je mehr sie deren Herzen an sich und unter sich verkettet, um so segensreicher ist ihr Wirken. Neuerdings geht man beim Bau von Landschulhäusern einen Schritt weiter als früher. Man will aus dem Haus ein Heim machen. Neben Schul- rünmen soll es da einen Vortragsraum mit Ltchtbildappa- rat und Rundfunkgerät geben, die auch der Allgemeinheit dienen. Ja, man denkt daran, in dieses ideale Dorsschul haus auch ein Bad, eine Bibliothek, ein Zimmer für den Arzt mit einzubauen. Wo die Verhältnisse zu solcher Ent wicklung hindrängen, soll man sich ihr nicht entgegenstellen,' denn Dorfkultur verlangt, daß sich jeder auf seinem Dorfe wohlflihle. Damit — das ist ein allgemeiner Grundsatz der ländlichen Wohlfahrt- und Heimatpflege — steuert man zu seinem Teil der' Landflucht, die immer noch eine dunkle drohende Gefahr für unser Volk ist. Auch in der Erfüllung der hygienischen Forderungen, die dem Volk durch Ge wohnheit immer mehr Gesetz werden, liegt ein Stück vom Weg zur Kultur. Mjt diesen Dorfheimen, die ganz gewiß aus der Zeit wachsen, werden die Dorf w i r t s h ä u s e r entlastet. Aber auch sie bedeuten, solange sie ihrem Wesen nicht entarteten, immer ein Stück Dorfkultur, besonders dort, wo der Wirt zugleich Bauer war. Der Gedanke der Dorfkultur, der von der Arbeit auf dem Acker ausgeht, zur Wertarbeit der einzelnen und zur Harmonie mit der Gemeinschaft hinführt, wäre nicht zu Ende gedacht ohne Erwähnung der Form, die zur Förde rung des sozialen Lebens und zur Steigerung der Leistung wirtschaftlich zusammenschließt und Verbindung nach außen sucht: Die Genossenschaft. Alle Dorfkultur will allgemeine Wohlfahrt. Die Wohlfahrt des Dorfes ist aber abhängig von seiner Wirtschaft. Es kann nun heute vorkommen, daß der ein zelne, sei er auch noch so tüchtig und umsichtig, von den traurigen Zeiten verwirtschaftet wird. Hier bedeutet die Genossenschaft einen Akt der Selbsthilfe. Die Ge nossenschaft verlangt zwar gesteigerte Arbeit der einzelnen und kontrolliert sie,' sie schafft aber anderseits die Möglich keiten für den einzelnen, daß er sein Leben in der Arbeit und über der Arbeit zum Kulturwert gestalten kann. Dazu gehört nicht Reichtum,' denn Kultur ist durchaus nicht an Reichtum gebunden. Sie will Harmonie des Lebens, und überall, wo wir etwas von dieser Harmonie spüren, sprechen wir von Kultur. Das Bauernhaus, das gediegen ist in Gebäuden und Hof, umblüht von einem Garten, sauber getüncht, mit Türen, Zäunen, Ställen, Scheunen und Geräten durchaus in Ordnung, im Innern wohnlich und gemütlich warm, ohne polierte, lackierte, schablvnisierte Möbel, aber stolz im Schmuck von alten Truhen, Schränken, Stühlen, Tischen: Das atmet Kultur. In Norddeutschland findet man solche bauernstolze Höfe noch oft genug. Eichen stehen davor, und gekreuzte Pferde köpfe am Dachgiebel sind sinnvolle Zeichen. Wo sie stehen, braucht es kein Dorfmuseum. Wo Kultur, also dörfliches Eigenleben, aber immer mehr zugrunde geht, da soll man gern eins einrich- t e n. Altes Gerümpel soll ruhig auf dem Oberbvden blei ben. Anderseits hüte man sich, wertvolle Gegenstände sich von Gewinnsüchtigen abschwatzen zu lassen. Kein Stück sollte aus dem Dorfe gehen, bevor es nicht vom Pfarrer, Lehrer oder sonst einem Kenner begutachtet worden ist. Das ist man dem ererbten Gut schuldig. Durch solchen in und a» -er Heimat bewiesenen Geist beweist das Dors sei»«