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Ein Gasthaus nach der alten Weise der Kutscherschenken ist noch die Hohwaldschenke, die sich vielleicht gerade des wegen der Vorliebe verschiedener Städter erfreut, und bis jetzt hat ihr auch die Gästezufuhr durch die sommerliche Sonntagsltnie Steinigtwolmsdorf — Neustadt glücklicher weise noch nichts an ihrer Gestalt innen und außen ändern können. Zwar ist auch sie nicht mehr die ursprüngliche alte Hohwaldschenke; denn diese war ein Balkenhaus nach Art unsrer Lausitzer Weberhäuser, das im Jahre 1872 abge brochen und nach Wehrsdorf versetzt wurde, wo es heute noch als bescheidenes Wohnhaus dient. Aber auch dieses Holzhaus hatte eine Vorgängerin, die als bescheidene Wald schenke auf der anderen Seite der Landstraße gestanden hat. Die Zeit der Planwagen ist vorbei, und Automobile sausen an der alten Straßenschenke vorbei, den Frieden des Wal des mit Motorengeknatter zerstörend, nur das Knarren schwerer Holzfuhrwerke erinnert noch an die alte Zeit, und ein runtergekommener Tippelbruder kehrt wohl auch noch ein, nachdem er sich vorsichtig durchs Fenster erkundigt hat, ob die „Grenzer" wieder fort sind. Forsthausrvmantik haben wir in unserer dicht bevöl kerten Gegend fast garnicht mehr, um so verdienstvoller ist es von der Staatsforstverwaltung, wenn sie Waldwärter häuser im Heimatstile aus Balken mit Fachwerk und grü nen Fensterläden erbaut, wie es an der Neustädter Straße bei Steinigtwolmsdorf steht. Abseits des lauten Verkehrs träumt im waldigen Tale des Golöflüßchens das ehemalige Forsthaus Klunker, das jetzt auch von einem Waldwärter bewohnt wird. Unter alten Bäumen versteckt macht es noch den Eindruck einer entlegenen Försterei, in der man auch früher zu einem Glase Bier und Butter-Brot und Käse einkehren konnte. Die Jahreszahl über der Haustür: 1840 nennt uns nur das Jahr des Neubaues; denn dieses Forst haus wird bereits in dem alphabetischen Verzeichnisse der Mühlen Sachsens aus dem Jahre 1768 erwähnt. Am Rande der Waldwiese plätschert der klare Bach und läßt im Son nenstrahle manch winziges Goldkörnchen aufblitzen, als wollten die Wellen die goldgierigen Menschen locken, noch einmal das Glück zu versuchen und das edle Metall aus dem Sande zu waschen, wie vor vielen hundert Jahren. Steigen wir das verführerische Bächlein aufwärts, das auch den Namen „Lohe" trägt, bis an die Quelle, den Moos born, so kommen wir an den interessantesten Teil des Hohwalöes, den Angstberg, auf dem einst ein Vermessungs gerüst stand, das ein gütiger Herbststurm in die Felsen ge worfen hat. Abseits vom Wege trifft man hier selten einen Menschen, und das zahlreiche Eulen- und Raubvogelgewölle beweist, daß diese Tiere die Einsamkeit hier zu schätzen wissen. Moosttberwuchert sind die gewaltigen Felsklippen, die ein Zeugnis ablegen von den Verwitterungsvorgängen unsers Gebirges. Der Weg steigt wieder hinunter in ein Waldtal, in dem auch ein verlorenes Idyll ist, nämlich die Torfhütte. Auf sumpfigen Waldwiesen, auf denen jetzt hoher Fichtenwald rauscht, wurde von 1846 bis 1886 Torf ge stochen, und in dem kleinen strohgedeckten Holzhause konnte der müde Wanderer ebenfalls bei der Mutter Marx rasten, und klein aber gemütlich wars in der niederen Holzstube, wenn draußen die Regenwolken um den Battenberg zogen. Mit dem Aufkommen der Kohlefeuerung lohnte sich der Torfstich nicht mehr, die baufällige Torfhütte wurde abge brochen und im Jahre 1887 von einem Schlosser in Stei nigtwolmsdorf erstanden und da als Schuppen aufgebaut. Auf der Waldwiese entstaub eine neue Pflanzung, die Grundmauern sanken immer tiefer in den weichen Boden ein, und jetzt wissen selbst nur wenige Einheimische den genauen Standort des kleinen Häuschens anzugeben, und nur der Quell rauscht wie eiust und plaudert von längst vergangenen Tagen. Ein Weg führt von diesem stillen Platze gerade hinauf zum Valtenberge an der Wesenitz- qnelle lauf Karten und Meßtischblättern Weßnitz geschrie ben) vorbei, die der Gebirgsverein gefaßt hat. Da wir uns auch hier auf altem Bergbaugebiete befinden, hat der Verein das Andenken daran dadurch aufrecht zu erhalten gesucht, indem er an diesem ehemaligen Stollen einen Stein er richtete mit der Inschrift: Valentin-Erbstollen 1752—1786. Die alte Steinhalde davor sagt, daß der Stollen auch eine ziemlich beträchtliche Tiefe gehabt hat. Weiter oben auf dem Rückenberge war sogar im Jahre 1668 ein Erzpochwerk zum „Neuen-Segen-Gottes-Stollen", der sich hier in un mittelbarer Nähe befand. Wenn wir nun einmal hier sind, so steigen wir gleich auf dieser Seite abwärts ins Neukircher Tal und kommen wieder in einen stillen Waldwinkel. Zwischen alten Stäm men und moosigen Steinen lugt plötzlich das Dach eines Holzhauses hervor. Auf Gaußtger Revier als Jagdhaus errichtet, mußte es in der Zeit des schlimmsten Wohnungs mangels als Notwohnung dienen und wartet nun seit dem Sommer vorigen Jahres wieder auf die Einkehr fröhlicher Jagdgesellschaft. Auch Mühlenromantik finden wir in unfern Jndustriedörfern selten, und die Georgsmühle, die das einzige Anrecht darauf hatte, eine Mühle am Walde zu sein, allerdings lange nicht mehr mit veralgtem Wasser rade, sondern mit modernster Anforderung einer zeit gemäßen Schneidemühle, ist auch nicht mehr und seit ihrem schaurig schönen Untergang in einer Sommernacht 1927 nur noch eine rauchgeschwärzte Ruine. Wo der Mensch aber in den Wald vordringt, da baut er nicht mehr die bescheidenen Häuschen unserer Großväter hin, sondern er ist großzügig geworden, wie seine Zeit selbst, und er errichtet Bauten, die wie eine kleine Stadt erscheinen, wie die Heilstätte. Aber für die Gesundheit der Menschen ist kein Gebäude zu groß, aber auch kein Opfer. Und so ist das Anwachsen dieser ge meinnützigen Anlage wohl ein gutes Zeichen für unsere Volkswohlfahrt, aber auch leider ein schlechtes für unsere Volksgesundheit. Dem Großstadtmenschen ist gerade in letz ter Zeit so recht zum Bewußtsein gekommen, wie sehr er die Natur entbehren muß, daher findet bei jedem Feier tage eine wahre Stadtflucht statt, und wieder ist es ein stiller Winkel, am Bogelberge, in dem ein großes Gebäude stadtmüden Menschen Gelegenheit geben soll, zur Natur sich zurückzufinden, das Naturfreunöehaus. Ob alle diesen Weg finden? Fast möchte mans bezweifeln und überhaupt an den Großstadtmenschen verzweifeln; denn wenn man die sauberen Anlagen der Stadt betrachtet und sieht den Wald an, wo dieselben Menschen sich „erholt" haben, dann be kommt man ein trübes Bild von dem Herrn der Schöpfung. Es scheint überhaupt sehr wenig wirkliche Naturfreunde zu geben; denn diese gehen stille überraste Pfade und scheuen das laute Leben und den Lärm, ohne den manche sich keinen Naturgenuß denken können. Der Battenberg gehörte bis vor kurzem noch zu den wenigen heimischen Bergen, in denen der Mensch noch nicht mit grausamer Raubgier nach den Schätzen des Granits gewühlt hat, noch keine Detonationen zerrissen die tiefe Waldesstille, verängstigten das Wild und ließen den Vogel sang plötzlich verstummen, sondern heimliche Stille wohnte ans den grauen Felsblöcken unter den hohen Bäumen. Da fingen einige geschäftstüchtige Leute, die zu der Sorte ge hören, die in einem Felsblocke nur die Pflastersteine und in den Bäumen den Holzwert sehen, an, die bemoosten Fel sen, die Zierde unseres Valtenberges, zu zersprengen und Straßensteine daraus zu schlagen. Allmählich ging man auch tiefer und konnte so auch Treppenstufen gewinnen, aber dem Bergfreunde starren nun auch im Valtenbergwalde die zerrissenen weißen Gesteinstrümmer als Zeichen mensch lichen Kulturfortschrittes auklagend entgegen. Nur ein Trost bleibt dem wahren Naturfreunde, das ist die Hoffnung, daß dieser Bruch bald wegen Unrentabilität wieder liegen bleibt und die Zeit heilend ihre moosgrüne Patina über die Wunden legt.