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Nr. 5 Gbsrlauflher Heimatzeitung 67 erwähnten Urkunde des Jahres 1349 schon genannt wurde. Da, wie schon gesagt wurde, die Pulsnitz die Grenze zwi- scheu Böhmen und Meißen bildete und die Gründer Ohorns von den dem König von Böhmen lehnspflichtig gewesenen Burggrafen von Kamenz yerbeigerufen wurden, so werden sich diese ersten Siedler Ohorns auch nurauf der böhmischen, das ist die rechte Seite der Pulsnitz, haben ansiedeln dürfen. So entstand zuerst Böhmisch-Ohorn. Meißnisch-Ohorn, auf der linken Seite der Pulsnitz gelegen und zur Markgraf schaft Meißen, dem späteren Kurfürstentum Sachsen, ge hörig gewesen, entstand später, ist aber doch schon 1607 mit Böhmisch-Ohorn vereinigt worden. So finden wir bei Ohorn die auch anderwärts beobachtete Tatsache, daß es bis zum Jahre 1635 zwei Ländern angehörte: Böhmisch-Ohorn zu Böhmen, Meißnisch-Ohorn zum Kurfürstentum Sachsen, der früheren Markgrafschaft Meißen. 1635 kam die bis dahin zu Böhmen gehörige Lausitz zu Sachsen. Trotzdem behielt jeder der beiden Orte — wie schon seit 1607 —seine eigene Verwaltung. Jeder hatte einen Richter (Gemeinde vorstand) und mehrere Schöppen oder Schöffen (Gemeinde verordnete). Nur das Steuer- und Armenwesen hatten sie gemeinsam, sodaß sie eine Interessengemeinschaft bildeten. Das Erscheinen der Landgemeindeverordnung vom Jahre 1838, die den Gemeinden verschiedene Freiheiten gewährte, zeitigte bei Ohorn eine ganz eigenartige Erscheinung. Es entstanden nämlich — wohl infolge übereilter Selbständig keitsbestrebungen — vier politische Gemeindeoerbände mit je einem Gemeindevorstand, je einem Gemeindeästesten und je 4 oder 5 Ausschußpersonen. Die vier Gemeindeoerbände, die Steuer- und Armenwesen ebenfalls gemeinsam hatten, waren: 1. Ohorn, Lausitzer Seite, Rusticalanteil (vom La teinischen rustimis ländlich, bäuerlich, also auf bäuer lichem Grund und Boden befindlich): Das heutige Ober- und Mitteldorf rechts der Pulsnitz. 2. Ohorn, Lausitzer Seite, Dominialanteil (vom Lateinischen äominus -- Herr, also auf herrschaftlichem Grund und Boden befindlich): die Fuchsbelle und der Gickelsberg. 3. Ohorn, Meißner Seite, Rusticalanteil, Ober- und Mitteldorf links der Pulsnitz und die Röderhäuser; 4. Ohorn, Meißner Seite, Dominial anteil, die heutigen Waldhäuser. Zwei Besitzer des Ritter gutes Ohorn, Graf von Breßler und seine Tochter, die Gräfin zu Solms-Sonnewalde, hatten am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiches Baustellen land locker gemacht, und so entstanden zu dieser Zeit auf herrschaftlichem Grund und Boden die Fuchsbelle, der Gickelsberg und die Waldhäuser, deren Anbauer Dominial- häusler hießen im Gegensatz zu den Rusticalhäuslern, die ihre Anwesen auf bäuerlichem Grund und Boden erbaut hatten. Diese Dezentralisation unseres Ortes war seiner gedeihlichen Entwicklung natürlich nicht förderlich. Sie dauerte glücklicherweise auch nur bis zum Jahre 1857. Laut Verfügung der Königlichen Kreisdirektion Budissin (Kreishauptmannschaft Bautzen) vom 20. November 1856 löste der Königliche Gerichtsamtmann Litzkendorf zu Pulsnitz am 28. März 1857 die vier politischen Gemeinde verbände Ohorns mit ihren bisherigen Vertretungen auf und es trat mit diesem Tage an ihre Stelle die Gesamt gemeinde Ohorn mit einem Gemeindevorstand, zwei Ge meindeältesten und dreizehn Gemeinderatsmitgliedern: Vier aus der Klasse der Begüterten (Bauern), drei aus der Klasse der Gärtner (Wirtschastsbesitzer), vier aus der Klasse der Häusler und zwei Unangesessene. Die jetzige, auf Grund der Gemeindeordnung und der Gemeindewahlordnung des Freistaates Sachsen vom 1. August 1923 gewählte Ge meindevertretung Ohorns besteht aus dem Bürgermeister, zwei Gemeindeältesten, die zusammen mit dem Bürger meister den Gemeinderat bilden, und fünfzehn Gemeinde verordneten. Die erste schwere Erschütterung brachte der Hussitenkrieg unserm jungen Orte. Er wurde samt dem Nachbarorte Bernsdorf (Bernhardsdorf) vollständig eingeäschert. Wäh rend Bernsdorf nicht mehr erstand, ließen Heimatliebe und zäher Fleiß der Ohorner unfern Ort wieder aufbauen. Zweihundert Jahre später brachte der Dreißigjährige Krieg aufs neue „wüste Besitzungen" und fegte ganze Familien weg, die vor dem Kriege hier angesessen waren. Auch die Beulenpest wütete schrecklich unter den Bewohnern. Gleichen Drangsalen ist der Ort im Siebenjährigen Kriege wie im Jahre 1813 ausgesetzt gewesen. Und zu all dem Elend des Krieges kam hinzu die Drangsalierung einzelner Besitzer des Rittergutes den erbuntertänigen Bewohnern unseres Ortes gegenüber. Besonders brutal sind die Herren von Schönberg gewesen, deren Schreckensregiment gerade in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges fiel. Es erscheint uns heute rätselhaft, wie unsere Vorfahren alle die drückenden Lasten der Bau- und Wachdienste, der Frondienste oft Tag für Tag, des Botschaftlaufens, des Gesindezwangdienstes, des Jagd- und Hutunqsrechtes der Rittergutsherrschast, neben zahlreichen geldlichen und Naturrallasten an Herr schaft?- und Landesabgaben, des Erbzinses, der Lehnware, der Kopf- und Quatembersteuern, und wie sie sonst noch heißen mögen, jahrhundertelang mit solch stoischem Gleich mute haben tragen mögen. Zudem war der Erbherr zu gleich auch Gerichtsherr. Bei Streitigkeiten zwischen ihm und seinen erbuntertänigen Bauern war er also Partei und Richter zugleich, und so ist manche Rechtssache aus Partei lichkeit oder Eigennutz oft jahrelang verschleppt worden. Die späteren Besitzer des Rittergutes Ohsrn, die Herren von Maxen, von Carlowitz, der Graf von Breßler und die Gräfin Solms-Sonnewalde führten ein milderes Regiment. Unter dem Pulsnitzer Handelsherrn Friedrich August Hem pel, der das Rittergut von der zuletztgenannten Besitzerin Neujahr 1828 kaufte, begann endlich die Ablösung aller Dienste und Lasten. Die Untertanen wurden frei, und es wurden Jahrhunderte lang bestandene, unwürdige Zustände, die zuletzt auch von der Rittergutsherrschaft als lästig emp funden wurden, aus der Welt geschafft. Der Ort konnte sich nunmehr entwickeln und blühte auf. Während vor hundert Jahren 1100 Einwohner vorhanden waren, wies die Volkszählung vom 16. Juni 1925 eine Ein wohnerzahl von 2546 auf, 1230 männlichen und 1316 weib lichen, die sich auf 432 Wohnhäuser und 722Haushaltungen verteilten; und während er bis in das 18. Jahrhundert rein landwirtschaftlich war, trat er um diese Zeit mit der Ein führung der Bandweberei durch Michael Prescher in die Reihe der Industrieorte ein. Uber die Einführung der Band weberei in Ohorn schreibt der vor 100 Jahren hier amtierende Lehrer Kleinstück folgendermaßen: „Dieselbe verpflanzte sich von Großröhrsdorf nach Pulsnitz Meißner Seite. Von wo dieselbe aber nach Ohorn gelangte, ist unentschieden. Hier war ein gewisser Michael Prescher, gewöhnlich der alte Bandmacher geheißen, der erste in dieser Profession. Doch brachten dieselbe erst dessen Gesellen und Lehrlinge in Flor. Dieser Prescher war im Jahre 1712 geboren und ist, wenig- stens 30 Jahre alt, nach Ohorn gekommen, und man kann somit das Jahr 1750 als die Zeit der Einführung dieses Gewerbes in Ohorn betrachten". Diese Angaben Kleinstücks sind richtig, denn im Einwohneroerzeichnis von Ohorn,