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Ein sächsischer Kolumbus Bon Fr. Bernhard Störzner Bon Tausenden wird alljährlich die romantische Berg welt der Sächsischen Schweiz besucht und bewundert, die allerwenigsten denken aber wohl kaum an jenen Mann, der die Sächsische Schweiz einst entdeckt und seine Mitmenschen dann in begeisterten Schriften darauf aufmerksam machte! Es ivar ein schlichter Dorfpfarrer, der nun seit 1825 auf dem schönen Kirchhofe zu Lohmen seine letzte Ruhestätte ge sunden hat: Der Lohmener Pfarrer Nicolai. Sein Grab ist noch erhalten und wird pietätvoll gepflegt. Das massige Sandsteinkreuz, das den Grabhügel bezeichnet, trägt die Inschrift: „Hier ruhet Herr Heinrich Nieolai, kam ans Licht am 26. Noveknber 1739 in Berlin liebend und geliebet, gesegnet und segnend vollendete er — Diener der Kirche — die wunderbare 84 jährige Führung am 18. Sep tember 1823." — Jahrhunderte hindurch sind die Menschen an den Schönheiten des Elbsandsteingebirges wie mit ver bundenen Augen vorübergegangen, bis sie doch eines Tages von einem Manne entdeckt und erschlossen wurden, der jener Landschaft auch den Namen gab, der heute gebräuchlich und in aller Munde ist. Wie das nun kam, erzählt der ver dienstvolle Pfarrer Nicolai selber. Er schreibt hierüber wörtlich: „Ich bereiste im Jahre 1798 von Dresden aus mit einem geborenen Schweizer die Gegend um Rathen an der Elbe. Und als wir auf dem berühmten sogen. Kanapee saßen, rief er ganz entzückt aus: Ach Gott, hier ist es ganz wie in meinem Vaterlandes das ist die Schweiz im Klei nen! — Das faßte ich auf und nannte die Gegend nun die Sächsische Schweiz. Als ich nun 1799 nach Lohmen kam, fand ich hier den Vorhof von dieser Schweiz. Alle, die mich be suchten, führte ich nun herum und machte sie mit den Herr lichkeiten dieser Schweiz bekannt. So ward der Name Säch sische Schweiz immer bekannter und unter den Bewohnern Dresdens geläufiger. Mehrere von denen, die ich herum führte, rühmten meine Bekanntschaft mit der Gegend und munterten mich auf, eine Beschreibung davon zu liefern. Das wurde mir endlich wichtig und weckte den Entschluß, die Merkwürdigkeiten zu beschreiben und den Reisenden den Weg durch sie zu bezeichnen. Ich bereiste darauf die ganze Gegend und fing an, zu versuchen, was ich leisten konnte, und es wurde ein „Wegweiser durch die Sächsische Schweiz" daraus. Ein gewisser Pinther in Dresden bat mich, ihm das Manuskript in Verlag zu geben. Ich tat das, und das Büchlein machte sein Glück, obgleich die Karte er bärmlich gestochen war. So wurde der Name „Sächsische Schweiz" allgemein. Die Benennung wurde von manchen Seiten angefochten und bestritten, sie blieb aber. Ich ver teidigte sie mit Belegen aus Reisebeschreibungen von der Ähnlichkeit dieser Gegenden mit der großen Schweiz in der Monatsschrift, welche bald darauf in Pirna unter dem Namen „Magazin der Sächsischen Schweiz" herauskam. Im Jahre 1806 mußte das Schriftchen zum andern Male auf gelegt werden. Da ließ ich eine bessere Karte dazu stechen. Im Jahre 1816 war die dritte Auflage notwendig. Da ar beitete ich das Werk ganz um, und Herr Arnold in Dres den ließ eine noch bessere Karte dazu stechen. In dieser 3. Auflage habe ich dann die Benennung gerechtfertigt. Nun, vom Jahre 1801 an, wo die erste Auflage heraus gekommen war, wurden die Reisen in die Sächsische Schweiz immer gebräuchlicher. Zuerst kamen die Bewohner Dres dens häufig und besahen sich die Merkwürdigkeiten mit dem Buche in der Hand. Diese rühmten es den Fremden, die nach Dresden kamen und brachten diese heraus. Die breite ten das weiter aus, und so wurden die Reisen immer häu figer. Viele von den Reisenden besuchten nun den Ver fasser des Wegweisers auch mit, sie wollten auch den ken nen lernen und manche nähere Zurechtweisung von ihm haben. Viele Fremde, worunter sehr achtbare Männer, suchten mich auf als den Pförtner der Sächsischen Schweiz: Hohe und Niedere Staatsöiener, Gelehrte, Künstler und Schöngeister, alle befragten sich bei mir um die dazumal noch ganz unbekannten und unbetretenen Wege, wie auch nach den merkwürdigsten Stellen und schönsten Aussichten. Es kamen Preußen, Schweden, Russen, Polen, Engländer, kurz alle Nationen: was lernte ich da für Menschen kennen!" — Pfarrer Nicolai war ein begeisterter Naturfreund. In freien Stunden zog er über Berge und durch Täler und durchwanderte die Umgegend von Lohmen mit schauenden Augen. Und beim Anblick all der Herrlichkeiten, eines Lilien- und Königsteins, des Schrammsteingebietes u. a. m. ging ihm das Herz auf, und er konnte vor all diesen er habenen Naturwundern andachtsvoll lange stehen bleiben. Und was ihn bewegte, das teilte er gern andern mit. Selbst in seinen volkstümlichen Predigten wußte er das Loblied der Bergwunöer in Lohmens Umgegend zu singen, wodurch er seinen Zuhörern die Augen für die Schönheiten der heimatlichen Landschaften öffnete. Und bekam er Be such aus Dresden, dann führte er ihn hinaus in Lohmens Umgebung. Manchmal mochte ihn aber doch des Besuches zu viel werden: denn es verging kein Tag, daß Nicolai nicht von Fremden als Führer und Erklärer in Anspruch genommen worden wäre. Dann wußte er keinen anderen Rat, als schon früh die Haustür des Pfarrhauses zu ver riegeln und alle Fensterläden zu schließen, damit die ihn suchenden Fremden glauben sollten, er sei verreist. Treu zur Seite stand ihm in dem Bestreben, die landschaftlichen Schönheiten der Heimat zu erschließen, der Neustädter Pfarrer Götzinger. Von ihm in einem besonderen Auf sätze! — Wer die Bastei besucht Hat und über die Bastei brücke ging, Fem wird die Gedenktafel nicht entgangen sein, die da an einem Felsen angebracht worden ist, und die auf jene beiden verdienstvollen Männer, Heinrich Nico lai aus Lohmen und Leberecht Götzinger aus Neustadt auf merksam macht. — Bemerkt sei noch, daß Nicolai ein Original, ein Auto didakt im wahrsten Sinne des Wortes war. Ursprünglich war er Tischlergeselle, aber durch Selbststudium ward er Stadtschullehrer, Rektor, Seminardirektor am Friedrich stadter Seminar zu Dresden und dann Pfarrer. Er hatte kein Gymnasium und keine Universität besucht. Lateinisch, Griechisch, Hebräisch lernte er ohne Lehrer. Er war bei diesem Sprachunterricht sein eigener Lehrer. So versenkte er sich auch durch eifriges Studium in die Kirchengeschichte und Dogmatik und legte in Dresden vor dem Oberkonsi storium eines Tages ein glänzendes Examen ab. — Von Nicolai lernen wir, wie man durch Selbststudium auch etwas werden kann. Wie viele könnten sich an ihm ein Beispiel nehmen! In seinen ersten Amtsjahren in Lohmen beschäftigte sich Nicolai viel mit Naturkunde. Er hielt oft phisikalische Vorträge in seiner Gemeinde und war bestrebt, die Lohme ner geistig zu heben. Benjamin Franklins Erfindung er probte er in Lohmen dadurch, daß er Blitzableiter aus Blechstreifen fertigte und mit ihnen Pfarrhaus und Kirche, dazu auch die kurfürstliche Försterwohnung armierte. Er verfaßte auch eine kleine Schrift über Blitzableiter. — Eine andere Schrift von ihm ist eine 604 Seiten umfassende Sammlung von Predigten über Epistel zur Förderung praktischen Christentums, die er auf Drängen seiner Ge meinde 1821 heraus gab. — 1822 trat er in den Ruhestand und starb am 23. September 1825. Durch seine Werke hat er sich unsterblich gemacht. DverlauMer andMeute vefteN« und aDc » lest bte