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Entrüstung um und wollte sehen, wer die heilige Handlung j auf solche Art zu stören wagte. Da erblickte er den Alten, ; welcher gerade wieder die Bockshaut aus dem Munde riß > und den Kopf mit aller Kraft gegen die Tür schleuderte. Bei diesem Anblicke verlor Vanadietrich all seine Ernst haftigkeit, er konnte sich nicht enthalten, laut aufzulachen. Sein Gelächter gab Ärgernis, und die ganze versammelte Gemeinde würde in ihrer Andacht gestört. Nun hatte der Leusel gewönnen, denn der fromme Ritter war unandachtig gewesen und hatte durch sein böses Beispiel auch qsidere verführt. Bald offenbarte sich, daß er dadurch das Mißfallen des Herrn auf sich geladen. Als er nämlich aus der Kirche trat, ließ ihm der Wind den Mantel fallen. Und zu Hause angekommen, wartete Vanadietrich Vergeblich auf den Engel, der ihm ehemals das Essen ge brächt hätte. Nun war der Böse tätig, das Herz des Gefallenen mehr und mehr von Gott abzuwenden. Bald bemächtigte sich ein tiefer, finsterer Grimm des Ritters. Dieser konnte nicht begreifen <wir auch nicht), warum Gott eines so kleinen Fehlers wegen ihn so hart bestrafte und ihm so plötzlich seine große Gnade entziehe. Seine Erbitterung ging soweit, daß er beschloß, die größte aller Sünden zu begehen. Er wußte aber nicht, welches die größte Sünde sei. Des halb ging er zü einem Einsiedler und fragte diesen darum. Et erhielt folgenden Bescheid; Wer sich Brot in die Schuhe legt, diese dann anzieht und so die edle Gottesgabe absichtlich mit Füßen tritt, der verübt die größte Sünde, Dies tat nun Vanadietrich und von nun an wär er wie umgewandelt. Er betete nicht mehr, besuchte keine Kirche, teilte keine Almosen mehr aus, kurz, er hörte ganz auf, ein tugendhafter Mensch zu sein. Statt der heiligen Messe beizuwohnen, trieb er sich in Wäl dern und Einöden umher, und in kurzer Zeit hing er dem Jagdvergnügen mit solcher Leidenschaft an, daß er oft tagelang außerhalb seiner Burg verweilte. An einem Sonntage, da eben fernes Dorfgeläute zur Kirche rief, flog er in einer wüsten Gegend, wie ein Sturmwind, auf seinem feurigen Rosse einher. Da rief eine gewaltige Stimme vom Himmel herab: „Vanadietrich, Vanadietrich! Wie lange willst du noch jagen?" — Der Ritter erzitterte und rief: „So lange als Gott will!" — Es war sein Glück, daß er also gesprochen; denn hätte er frech geantwortet, so wäre er nnverwcilt der Hölle zugeritten. Jetzt aber erwiderte die Stimme von oben: „Nun, so sollst du jagen bis zum jüngsten Tage!" Und noch heute jagt der wilde Jäger. Wer zur Neu mondzeit des Nachts den Wald durchstreift, hört oft plötz lich in seiner Nähe Hundegebell und den Hufschlag eines Rosses, er vernimmt den Ton des Hifthornes nnd den Halloruf des Jägers; aber das Auge vermag nichts in der undurchdringlichen Finsternis zu erspähen; der Wanderer werfe sich zu Boden und drücke das Gesicht in's Gras, auf daß die wilde Jagd über ihn dahinbrause. Diese Sagenüberlieferungen hat nun Siegfried Wag ner mit feinfühlendem Verständnis zu einem dreiakttgen Mustkdrama ausgestaltet, in dem besonders das germa nische Heidentum, in dem die Dietrichsage zum überwiegen den Teile wurzelt, an vielen Orten in dichterischer Ver klärung zur Geltung kommt. Hierher gehört die dem Elfenreiche entstiegene Geliebte des Helden Dietrich von Bern, die holde Lichtgestalt „Schwanweiß". Der Dichter fügt weiter in die Handlung ein: den „edlen Dtetleib", den Kampfgenossen Dietrichs und deren tapferen Wider sacher „Wittich". Eine anziehende weibliche Gestalt ist fer ner „Ute", die ehrenfeste Mutter des Dietletb. In drei verschiedenen Menschenformen erscheint der Teufel, als „Raunerath", als „Flederwisch" und in „eigener Gestalt". Unter den Nebenrollen, die genannt zu werden verdienen, sei der „Hunnenkönig Etzel" erwähnt. Als Schauplatz be zeichnet die Dichtung im ersten Akt „Dietrichs Burghof", im zweiten „Utes Gehöft und Garten" und im dritten „Wald und See — Auf dem Brocken — In der Tiefe des Sees". Der dem Oberlausitzer Sagenkreise entlehnte Stoff hätte wohl den Namen eines Hcimatberges der Lausitz viel folgerichtiger etnzuführen geboten. Die Rücksicht auf die weitbekannte Bedeutung des Brockens als Zanberberg hat wohl den Dichter bewogen, jenen, von dem übrigens im Texte selbst mit keinem Worte die Rede ist, als Ort der Handlung zu wählen. Sicher ist, daß der wilde Jäger unter der deutschslawischen Bezeichnung „Vanadietrich" im Gebiete des Brockens unbekannt ist. In einem Zwiegespräch zwischen Frau Ute und Diet- leib im zweiten Akt der Dichtung kündet letzterer, wie es gekommen, daß Held Dietrich durch Teufels List und Macht zunt wilden Jäger geworden ist. „Weil er in Gottes heiligen Hallen Launisch Lachen ließ erschallen! — Im üüst'ren Walde haust er nun, Irrend, jagend, ohne Ruh'n! Vor ihm die Hirten ängstlich fliehn, Den Vanadietrich nennt man ihn. Seines Hornes Ruf, mit rauhem Klang, Bald hier, bald dort zum Ohre drang, Und weh dem, der auf irrem Pfad Ahnungslos dem Wilden naht!" Gar trefflich ist in der sechsten Szene des ersten Aktes in enger Anlehnung an die vorstehend erzählte Volkssage der vom Höllenfürsten ins Werk gesetzte Vorgang im Dome geschildert. Bevor der Teufel auf den Kirchenstufen durch seine Bewegungen Banadietrichs Gelächter veran laßt, berichtet er höhnend von dessen bisheriger Tugend haftigkeit. „Einstens zwar, ich geb's gern zu, Warst ein frommer Christmensch du! Daß das Volk sich's gern erzählte, Wie Gott selbst dich auserwählte, Wie vom Himmel Englein brav Speise brachten dir im Schlaf. Ja den Mantel — kind'scher Glaube: — Hingst du fest am Sonnenstaube!" Bezeichnend ist auch die Schilderung, die der Böse der aufhorchenden Frau Ute von dem lichten elbischen Wesen, der Nixentochter „Schwanweitz", in deren Armen Bana- dietrich am Ende der Oper Entführung und Frieden findet, mit klug berechnenden Worten entwirft. „Und wer ist diese „Schwanweiß" licht? Wassertümpels gleißender Sproß, Glatt und klebrig, 's wird keiner sie los! Willst du Beweis, befühl mit der Hand Am Saum das Gewand! Ein Eckchen ist da immer feucht." Es würde gewiß den Wünschen der oberlausitzer Freunde Siegfried Wagnerscher Kunst entsprechen, die Oper Banadietrich einmal auf einer heimischen Bühne sehen und genießen zu dürfen. O. Sch. Die Zerstörung des Grenzstädtchens Seidenberg durch die Hussiten Der 14. Mai 1927 war für unsere Stadt wie für dir umliegenden Ortschaften ein gewaltiger historischer Ge denktag. An diesem Tage 1427, also vor 800 Jahren, wur den unsere Stadt und die Burg „Sydenburg" von hussiti schen Mordbrennern verbrannt und die Einwohnerschaft totgeschlagen. Am 6. Juli 1415 war der tschechische Reformator Jo hann Huß in Konstanz verbrannt worden; seine Anhänger unter Führung drs tschechischen Landadels empörten sich gegen ihren Landesherr« Kaiser und König Siegmund und damit begann 1419 -er Hussitenkrieg. Die Hauptfach-