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M Gberlauptzer Helmatzeltung Nr. 2Z nahm sie in früher Jugend jeden Lesestoff, zumeist Ka lender- und Gebetbücher, zur Hand. Erst später, als sie schon längst produktiv aufgetreten war, konnte sie sich ge eignete Lektüre zur Fortbildung verschaffen, und zwar er hielt sie dieselbe zumeist vou Geistlichen. Dieselbe war zu meist religiöser Natur. Später schöpfte sie auch aus den damals führenden Zeitschriften, wie z. B. die Garten laube. Sie suchte sich in jeder Weise aus der oft eng herzigen dörflichen Umwelt geistig darüber hinauszu schwingen. Von allen den Persönlichkeiten, die ihre Werke kannten und sich dafür interessierten, hat wohl der Dechant Petters zu Kratzau, ein gebürtiger Wölmsdorfer, das treffendste Urteil abgegeben. Er schreibt in einem Briefe an sie: „Das religiöse Gebiet ist es, auf welchem Sie sich am glücklichsten bewegen." Die Religion ist bei ihr volks tümliches Element, das sie zum dichterischen Schaffen an regt. Am stärksten beeinflußt in ihrer dichterischen Ent wickelung hat sie indes der Dr. Anton Jarisch, jener Geist liche, der sich ihres taubstummen Sohnes annahm. Zwei weitere Kapitel des Buches behandeln die dra matischen Werke und die lyrischen Erzeugnisse der Volks dichterin. Sie schöpfte ihre dramatischen Stoffe mit Vor liebe aus den lebendigen Volksüberlieferungen, was für die Ursprünglichkeit ihres poetischen Schaffens kennzeich nend ist, oder sie arbeitete eine gedruckte Erzählung zu einem Schauspiel um. Die Dichterin verfolgte vor allem auch mvralpüdagogische Zwecke: Sie will veredelnd, ver bessernd auf ihre Heimatgenvssen einwirken. Die Stücke sind entweder in Prosa oder teilweise auch in freien Ver sen geschrieben, die Sprache ist edel. Ihre ersten Versuche waren Mysterienspiele, die sich an die volkstümlichen Überlieferungen ihrer heimatlichen Bevölkerung anlehnen. Eines ihrer bekanntesten Weihnachtsspiele ist „die heilige Nacht oder die Erscheinung der Engel den Hirten". Es ist ein Stück für Kinder aus einein Prolog, im Volks munde das „Hirtenspiel" benannt. Verwandt mit diesem Werk ist das „Dreikönigsspiel", das sich eng an die Bibel anlehnt. Theresia Hentschel hat auch eine Reihe Lustspiele ver faßt, deren Stoff der heimischen Landschaft und ihrem Volkstum entnommen ist. Das beste ist wohl: „Der Kaiser kommt!" Viel Anklang fand auch „Kerlob Jerkel auf der Leipziger Messe". In drei Akten wird in köstlicher Weise der Aufenthalt des Großknechtes Kerlob und der Großmagd in Leipzig zur Messezeit geschildert. Andere Dramen, die in dem Buche besprochen werden, betiteln sich: „Die Verwechslung oder König Wilhelm von Preu ßen und seine Grenadiere", „Die Preußen kommen!", der „Tonnen- und Heubodenritter oder der Onkel und Herr, wie er sein sollte", „Der Hofsattler" u. a. Ernste Dramen sind „Der Christmarkt", das „Jo hanniswürmchen", „Die Silvesternacht" und das beliebte Stück: „Das Müllerröschen oder die Schlacht bei Jena". Als das vollendetste ihrer Dramen sowohl inhaltlich als auch formell wird „Herr und Sklave oder Sieg der Jugend" bezeichnet. Es ist ein Charakterbild in 4 Akten. Mit dpr Inhaltsangabe von „Schuld und Sühne" und „Haß und Sühne" schließt das Kapitel über die drama tische Tätigkeit der Dichterin. Im Schlußergebnis heißt es: „Hier hat ein Original aus dem Volke für das Volk ersprießlich gewirkt, frei von allen Fesseln technischer und literarischer Überlieferungen. Sein höchstes Impuls war der geistige Volksschatz und das landschaftliche Milieu, in dem es unverfälscht wurzelt, voll und frei." Die Lyrik Aus ihren lyrischen Dichtungen spricht ein ausge prägtes Naturgefühl. Die Hauptgruppe nehmen die reli giösen Gedichte ein, worin sie ihre Weltanschauung kund gibt. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den kirchlichen An gelegenheiten ihres Heimatortes. Die Echtheit ihres land schaftlich-bodenständigen Empfindens zeugt von der Tiefe ihrer Lyrik und sie rechtfertigt die Bezeichnung dieser seltenen Frau als „Naturdichterin". In der Schlußbetrachtung, die Dr. Johann Hille gibt, wird darauf hingewiesen, daß die Dichterin in ihrem Leben und in ihren Werken den alten deutschen Volks typus unserer Heimat der damaligen Zeit lebendig ver körpert und daß sie geistige Eigenart unserer Heimat bevölkerung in Ernst und Humor zum Ausdruck gebracht hat. Hille nennt sie ein „spätes Reis, welches der reich blühende Baum religiöser Dichtkunst in der Lausitz auf unserem besonderen Boden hervvrgebracht hat". Über 40 Gedichte bilden den Anfang und geben eine Probe der volkstümlichen Dichtkunst der Theresia Hentschel. Es ist zu begrüßen, daß das Wirken dieser Frau durch dieses Buch der Vergessenheit entrissen wird. Ihre Be deutung ist unverkennbar. Unsere Zeit hat Verständnis für das, was unsere Altvorderen geleistet haben. Es gibt wenige Frauen in unserer Heimat, die sich der Volks dichterin Theresia Hentschel an die Seite stellen können. Ungleich höher ist die Bewertung für die engere Heimat der Dichterin, denn ihr Wert liegt nicht bloß in ihrem geistigen und poetischen Schaffen, sondern auch in ihrem menschenfreundlichen, selbstlosen Wirken. Für den Heimat freund ist die Kenntnis über das Leben und Können der Naturdichterin von hohem Interesse, so daß das Buch bestens empfohlen werden kann. Die Ostritzer Vensmännel in der Heimatsage Wer wäre nicht schon einmal ans einer Wanderung nach unserem schönen Neißtal durch den Ort Ostritz gekom men. Und es ist noch gar nicht lange her, da zeigten die Leute dort den Fremden einen Weg, auf dem die „Bens- mäuuel" ausgezvgen sein sollen. Oder wenn man jemanden in recht kurzen Kleidern sah, sagte man: „Der geht wie ein Vensmännel!" Die Vensmännel waren nämlich ein gutmütiges Zwergenvolk, das kurze, bunte Röckchen trug. Es lebte auf dem bekannten Venusberge, auch Fensberg oder Fens- männelberg genannt. Von ivas es sich ernährt haben mag, weiß niemand. Manche erzählen zwar, die Zwerge hätten sich Milch von den Kühen auf der Weide geholt. Eine alte Frau ans Neudörfl an der Wittig konnte sich z. V. er innern, daß ihre Großmutter oft gesprochen habe von einem Vensmännchen, das an der Wittig in der Nähe der Fens steine im Sommer fast täglich gebleicht habe,' dann sei das Vieh auf der Weide stets unruhig geworden und habe nichts mehr fressen wollen. Sonst aber waren die Vensmännchen den älteren Leuten aus Ostritz als gutmütige, helfende Wesen bekannt. Wenn man z. B. Bier brauen wollte, so lieh man sich von den Zwergen eine Bratpfanne, weil das Bier in ihr einen besonders guten würzigen Geschmack bekam. Nach dem Brauen stellten die Ostritzer die Pfanne auf den Neißesteg und in der Nacht kamen die Männlein und holten sie. Zum Danke legte man immer eine frische Semmel hinein, die von den Zwergen mit herzlicher Freude angenommen wurde. Das ging viele, viele Jahre so, bis eines Tages jemand die Danksemmel aus der Pfanne nahm und Schmutz dafür hineinlegte. Das nahmen die Vensmünn- lein übel und borgten ihre Braupfanne nie wieder. Sie zogen sich ganz und gar in ihren Berg zurück und lebten für sich, bis die Ostritzer ihre Kirchenglocken anschafften. Geradeso wie die Königshainer Buschmännlein das Glockengeläut nicht vertragen konnten und auswanderten, zogen die Ostritzer Vensmännchen wegen des Klingens der Kirchenglocken wo anders hin. Mit Hab und Gut wan derten sie durch die Altstadt von Ostritz den genannten Weg entlang, dem Sonnenuntergang entgegen. Jedes