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Zeigt sich die Besonderheit des Stils, der Übergang vom Romanischen zur Gotik, bereits am Choräußeren in den Kapitalen der Runddienste und den spitzbogig verlaufenden Umrahmungen der noch rundbogigen Fenster, so ist sie noch deutlicher und charakteristischer in der Form und Ornamentierung der Kapitale und Konsolen im Inneren der Kirche ausgesprochen. (Abb. 2. Arkade im Chor.) Eine bemerkenswerte Erscheinung bildet hier der achteckige Querschiffpfeiler, an dessen Kops das primitive Maßwerk der schrägen Dreiecksflächen das einzige schon entschieden gotische Merkmal am alten Bau der Kirche darstellt. (Abb. 4. Querschiffpfeiler.) Ungeachtet der in bailgeschichtlicher Hinsicht wertvollen Teile der Kirche hat sie innerlich und äußerlich jedoch gegenüber dem Zustande vor ihrer Er neuerung im Jahre 1897 einen großen Teil ihres überaus stimmungsvollen Reizes verloren. An die Stelle des früheren Reichtums ihrer inneren Ein richtung und Ausstattung ist vielfach nüchterne Alltäglichkeit getreten. Was sie noch vor 30 Jahren zu einem wahren Zaubergarten heimischer Kunst und Kultur machte, in dem sich das Blühen und Knospen draußen auf den Gräbern, die bunte Farbenpracht der Blumen und der vielgestaltigeDenkmalsschmuck in der bunten Mannigfaltigkeit und formcnreichen Sprache der Erzeugnisse heimischen Kunstfleitzes und alter ge diegener Handwerksbetätigung fort setzte, ist zum größten Teil beseitigt oder in einer dem bloßen Zweckbedürf nis dienenden Weise ersetzt und er neuert worden. Wer von den älteren Bewohnern der Stadt die Kirche in ihrem früheren noch unberührt ge wesenen Zustande gesehen hat, kann nur das Gefühl des Bedauerns darüber haben, daß so viel Kunstsinn und Har monie, so viel Liebe und Eigenart, wie sie unsere Altvorderen bei der Ausschmückung der Kirche bewiesen haben, unwiederbringlich dahinge schwunden sind. Wir wollen uns nicht weiter dabei aushalten, daß der Fuß boden der Kirche um eine Stufe erhöht und dadurch das Maßverhältnis im Raume gestört worden ist. Aber schade ist es um das alte, mit derbem Schnitz werk an den Gangseiten verzierte und den Raum mit dem warmen Hauch der Naturfarbe des Holzes erfüllende 6. Altar' Gestühl, schade um die hübschen alten Emporen, die bis auf die Emporenbrüstung der westlichen Empore abgebrochen worden sind, um die in verschwenderischer Fülle an Pfeilern, Wänden und Emporenbrüstungen angebrachten Gedenk- und Erinnerungstafeln, die vielen kunstvoll gerahmten Epitaphien mit den Familienbildern ihrer Stifter, ihren In schriften und religiösen Darstellungen, die so beredtes Zeugnis ablegten von dem frommen Glauben und der pietätvollen Ge- sinnung vergangener Geschlechter der Stadt. (Abb. 3. Blick in den Chor vor dem Umbau von 1897.) Was so den Innenraum der Frauenkirche vor allen an deren Kirchen der Stadt zu einer einzigartigen Stätte der Kunst und Kultur einer vergangenen Zeitepoche machte, das beschränkt sich heute im wesentliche» auf die Kanzel, den Altar und die wenigen der Kirche verbliebenen Epitaphien, mit denen Nordwand und Brüstung der westlichen Empore geschmückt sind. Es ist immerhin noch ein reicher und kostbarer Besitz, den die Kirche in diesen Stücken ihrer früheren Ausstattung ihr eigen nennen darf. In der Kanzel vor allem haben wir ein Werk von hohem künstlerischen Werte vor uns, eine meister haft erdachte und ausgesührte Arbeit aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, geschmückt mit ausgezeichneten Schnitzereien und Einlegearbeiten im Renaissancestil. Die Buchstabenzeichen in dem sandsteinernen Sockel bezeichnen wohl nur, wie hier beiläufig bemerkt sei, den Steinmetzen Mjchel Greger, der den Sockel hergestellt hat, nicht aber, wie von anderer Seite an genommen wird, auch den Künstler, aus dessen Hand die Kanzel hervor gegangen ist. (Abb. 5. Kanzel vor dem Umbau von 1897.) Eine vortreffliche Arbeit von guter, raumfüllender Wirkung, wenn auch nicht von gleicher Höhe künstlerischer Vollendung, ist der Altar, derselben Zeit entstammend wie die Kanzel, aber mit schon deutlicher ins Barock ge henden Zierformen. Er nimmt die Aufmerksamkeit nicht zuletzt wegen der dem Mittelschrein eingesetzten schönen Marienfigur in Anspruch, die bei geöffnetem Schrein mit den zwei feinen, die Verkündigung Mariä dar stellenden Schnitzreliefs auf den Innen seiten der Flügel eine anmutige Gruppe bildet und wesentlich zur Belebung des Ganzen beiträgt. (Abb. 6. Altar.) Wie dem Inneren der Kirche, so sind auch ihrem Außenwerk die Er- neuerungsarbeiten von 1897 nicht zum Vorteil gewesen. Der Forderung der vielgebrauchten Worte Heimatschuß und Heimatkultur im Sinne der Er haltung wertvollen Kulturgutes ist auch bei den Außenarbeiten nicht annähernd so Rechnung getrogen worden, wie es in vorbildlicher Weise bei den Er- neuerungsarbeiten am Zwinger und an der Frauenkirche in Dresden ge schieht. Statt ihrer ist eine schema tisierende Nachbildung getreten, die dem leitenden Baugedanken zuwider- läuft und darum fremdartig und aus dringlich wirkt. So erhielt der Haupt eingang an der Westseite ein gotisieren des Portal mit darüber befindlichem Fenster, ebenso wurden die drei alten gotischen Fenster des südlichen Seiten schiffs durch neue erseßt, doch ohne das Maßwerk der alten Fenster. Eine Nebenpforte, im Rundbogen geschlossen und mit durchkreuzten Stäben profiliert, die auf der Westseite ins Seitenschiff führte, wurde vermauert und verputzt. Da auch die an die Kirche sich anschließenden Gruftbauten beseitigt wurden, verdankt sie das, was ihrem Nahbilde an Stimmungswerten verblieben ist, den teilweise noch gut er haltenen Denkmälern aus dem ausgehenden 16. und dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, die die Süd-, West- und Nord wand der Kirche umsäumen. Als bemerkenswerte Zeugen alter Grabmalkunst seien hier nur das Heller'sche und das Eichner'sche Denkmal erwähnt, zu denen sich im sonstigen Bereiche der Kirche noch weitere Beispiele hier und da über den Gräbern des alten Friedhofs verstreut und an der Kirchhofsmauer auf finden lassen. Die ernste über den Gräbern ausgebreitete Stimmung des memerito mori und die beim Geläut der Sterbeglocke die Kirche umschwebende des mortuos planAo findet bei den meisten von den Geschäften des Tagewerks, den Freuden und Belustigungen, Sorgen und Nöten des Daseins nur allzusehr in Anspruch genommenen Menschen keinen Raum,'und doch