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Heimatfeste, als er die Glückwünsche der Regierung aus sprach. Er betonte aber auch, daß kein Volk, das sich selbst treu bleiben wolle, seine Vergangenheit mißachten dürfe. Heimatfeste seien doch immer eine Sache des Herzens und verschmelzen das Volk zu einer Einheit. Sie bereiten für die schweren Stunden vor, wo man bereit sein muß, alles hinzugeben für das Vaterland. In humorvollen Worten sprach Amtshauptmann Dr. Jungmann von der Zwangs ehe zwischen Stadt und Bezirksverband und überbrachte als Angebinde ein Ölgemälde der Stadt, vom Napoleons stein gesehen, geschaffen von Fritz Kurth. Für eine ganze Reihe von staatlichen Behörden sprach Amtsgerichtsdirek- tor Dr. Börner, für den Sächsischen Gemeindetag Dr. Thetßig, für die Kirche der Superintendent cie8 Fröhlich Bautzen, und Pfarrer Semm, für die Oberschule Ober studiendirektor Dr. Stößner. Glückwünsche, zum Teil auch wertvolle Gaben, brachten auch die Nachbarstädte Radeberg (Dr. Weises, Pulsnitz sStadtrat Beiers, Groß röhrsdorf (Bürgermeister Neutschs, Elstra, Neustadt (Stadt rat . Nttzsche), Stolpen (Bürgermeister Bartschs. Für den Heimatschutz sprach Hofrat Seyffert. Dankesworte des Stadtoberhauptes schlossen den festlichen Akt. Für die allezeit schaulustige große Menge folgte aber nun erst die eigentliche Festfreude, der große historische Festzug. Man hatte im Festausschuß kurzerhand der schnöden Gegenwart einmal den Rücken gekehrt und sich zurück gedacht in eine Glanzzeit sächsischer Geschichte, das Au gusteische Zeitalter. Also lautete das Thema: Kurfürst Friedrich August der Erste hält auf der Reise nach War schau in Bischofswerda Rast; Rat und Einwohnerschaft huldigen ihm. Oberstadtbaumeister Klemm ist der Vater des Gedankens, der eine glänzende nnd doch alle falsche Theatralik vermeidende Verwirklichung fand. Eine Menschenmenge ohne gleichen harrte der Dinge, die da kommen sollten. Punkt 2 Uhr: Herold und Standarten träger, die Hvftrvmpeter mit dem Paukenschläger hoch zu Roß, Kürassiere und Pagen, so hnb der Zug au. Dann der Kurfürst (Karl Eibensteins, die Generalität, die Schweizergarde, die Kurfürstin (Fran Bürgermeister Müller) mit ihren Damen, die Leibkompanie, Dragoner, 2. Abteilung: Die Hofgesellschaft zu Roß und Wagen, in der Sänfte, das Jägerkorps, die Lausitzer Ritterschaft, die Marketenderwagen (die Dresdner Landsmannschaft). 8. Abteilung: Die Bürgerschaft, Schützen, Junggesellen-Fra- ternität, Jungdeutschlaud, Festwagen. Die Stadt, Bürger meister und Senat, die Innungen mit ihren Wahrzeichen und Junungsladen. Die Fleischer tragen eine 130 Meter lange Wurst, die Tuchmacher (Herrmann und Sohn) stel len einen Wagen mit langhinwallenden Stoffen, die Töp fer kommen mit der Drehscheibe in Betrieb und einem Riesentopf, die Bäcker mit Riesenstollen, die Schuhmacher mit Hans Sachs, die Sänger mit Walter von der Vogel weide, die Brauer mit ihrem Gott Gambrinus auf einem Riesenfaß. Mit den Sängern ziehen die Kurrendeknaben im schwarzen Mäntelchen, das sie heute noch tragen. Hei tere Geselligkeit spiegeln die Wagen der „Societät" und des „Frohsinns", Jugendmusik mit Mandolinen, Gitarren und Geigen eröffnet den letzten Zug, der Schlosser und Tischler, Glashüttenleute und Schneider, Sattler und Bau leute bringt. Zigeunervolk macht den heiteren Schluß. Eine wahre Sinfonie von Farben ist vorübergerauscht, eine Unsumme von Arbeit von allen Beteiligten getan. Auf dem Marktplatzpodium huldigt die Bürgerschaft dem Kurfürsten mit Ehrentrunk, zierlichen Tänzen und dem historischen Willkommen der Fraternität — das Spiel ist zu Ende. Am Abend aber flammt eine Festbeleuchtung aus, die kein Fenster dunkel läßt, mit 100 000 Kerzen stärken allein aus beiden Märkten strahlt, Rathaus nnd Stadtkirche und die Denkmäler magisch verklärt, die Straße mit Lichterketten durchzieht. Elstras Handwerk in alten Zeiten Von Siegfried Stürz n er, Dresden Die Privilegien der Handwerker zu El stra haben ein Alter von 400 Jahren. So gehen die Rechte des „Mätzgens" und Schlachtens, der Brauurbar, das Ge wandtschneiden und die Belehnung mit Jahrmärkten auf das Jahr 1528 zurück. 1794 schreibt der Stadtchrvuist, es bestehe hier die vor züglichste Nahrung der Bürger gegenwärtig in der Brauerei und einem ziemlich ansehnlichen Feldbau. Noch vor hundert Jahren waren von den 200 Häusern des Städtleins 114 brauberechtigt. Die 900 Einwohner, die auch das Recht des Reihschanks hatten, konnten nur einen geringen Teil der Brauurbare konsumieren. Das meiste Bier wurde nach den umliegenden Dörfern verfahren, er streckte sich doch der Elstraer Bierzwang über viele, selbst recht entfernt liegende Dörfer, was mit der Aus dehnung der Majoratsherrschaft zusammenhängt. Gar eifersüchtig und streng ward darüber gewacht, daß ja nicht mal ein Richter oder Wirt Kamenzer, Bischofswerdaer oder gar Klosterbier verschenkte, und oftmals entstanden ob der Verletzung der Biermcile langwierige Prozesse. Das erwähnte Recht des Rethschankes finden wir auch in Elstrws Nachbarstädten Bischofswerda, Ka menz, Pulsnitz. An einer langen Stange mit einem Stroh wisch wurde ein Bierkrug oder ein ähnliches Zeichen hoch oben am Giebel herausgehängt zur Straße, um männig- ltch wissen zu lassen, daß man in dieser Woche hier Bier schenke. Abends kamen dann Gevatters und Nachbars leute in der Wohnstube zusammen und probierten bei einer Pfeife Tobak das Gebräu. Auch einen Birkenbusch, ein Fäßchen, einen Kranz finden wir altz Reihschankzeichen, die von den Museen gesammelt worden sind. Noch 1840 bestand in Lohmen das Recht, bei der Geburt eines Kin des sechs Wochen Reihschank mszuüben. So ist es wohl erklärlich, daß die Brauurbai eine wesentliche Grund lage des Wohlstandes der Bürger war. In Elstra bildete neben der Brauerei die Weberei einen wichtigen Erwerbszweig. Zu allen Zeiten ist hier viel gewebt worden. Um das Jahr 1810 stellte man be sondere blaustretfige Leinwand her. Weiter strickte man wollene Strümpfe für die Bautzener Verleger. Seit 1750 ward in dem Elsterstädtchen auch Band gemacht und durch die Fabrikanten auf Märkten und Messen abgeietzt. El straer Leinwand ging bis nach Hamburg. Ein großer Teil dieser Erzeugnisse gewerblichen Hausfleißes wurde auch auf den vier Elstraer Jahr märkten verhandelt. Diese fielen auf Montag nach Oculi, auf den 17. Juni, den Tag nach Bartholomäi und den Montag nach dem 21. Oktober. Früher wurde in dem Städtchen in den meisten Häu sern gestrickt. Jede Woche wurden von hier bedeutende Mengen Strickwaren an die Budissiner Strumpffabriken abgeliefert, von denen dann die Elstraer wieder mit Wolle versorgt wurden. Diese Art Tauschhandel führte zur Ein richtung eines bestimmten Botendienstes zwischen Elstra und Bautzen, der jede Woche ein- bis zweimal verkehrte. So verdienten sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu Elstra mehr als 100 Erwachsene und auch viele Kinder ihr Brot wenigstens teilweise mit Weberei, Stricken, Spinnen und Handel mit diesen Erzeugnissen. Allerdings ging schon damals wegen des verminderten Absatzes ins Ausland das Geschäft lange nicht mehr so stark, wie in früheren Jahrzehnten. Daher legten sich die Elstraer fast nur auf Spinnerei, wo „immer noch was zu machen war". Dadurch wurde wieder der Flachsbau in der Gegend gehoben. Weiter wurden Band und Schnüre ge fertigt. Die Ware ward meist im ganzen an größere Fabri-