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Ne. 18 Gberlaufltzer Holmatzettung 27S froher Plauderei sich und die Eltern ergötzen, sondern die Arbeit selbst» ward ihnen zum innigen Zwiegesang. „Sie macht sich prächtig, die Elsa!" meinte Ehregott manchmal zu seiner Frau. Er war doch recht zufrieden, wie alles gekommen. Wenn er in weißer Schürze und weißem Käppchen die Kunden bediente, strahlte er, und er nickte schmunzelnd, wenn jemand ihm die Schwiegertochter lobte. „Ach, ja ja, sie rührt sich und schickt sich! Sie ver- steht's" sagte er. Der jungen Frau war's eine kindliche Freude, den Leuten auch manchmal die knusprigen Sem meln abzuzählen, den Kuchen zu teilen und zu verkaufen, im Schaufenster fein auszustellen. Da wies sie der alte Meister nicht etwa aus seinem Bereich, er schulmeisterte sie auch nicht. Er schaute ihr still zu und hatte seine Freude, denn er sah, daß sie das Handwerk ehrte, daß sie stolz war, in diesem Hause Wirtin sein zu dürfen. Als Ehregott eines Tages den Vorschlag machte, hie Zügel der Regierung ganz aus der Hand zu geben und mit Alwine zwei obere Stuben als Altenteil zu beziehen, wiesen die jungen Leute es entschieden ab. Denn sie wuß ten, daß die Eltern, die beide noch so gesund und regsam waren, sich schweren Herzens von ihrem Geschäfte trennen würden. „Nein, nein, Vater! rief Elsa. „Wenn Ihr einmal alt und wacklig sein werdet, dann! Aber jetzt brauchen wir Euch noch lange." Das tat seinem Herzen wohl. Er hatte eine gute Tochter. Und so ließen sie's beim Alten. Frau Alwine war Elsa dankbar. Ganz unmerklich ließ sie alle ihre Pflichten und Rechte auf die junge Frau über gehen. Die sollte sich nicht eingeengt und gegängelt füh len. Und Elsa hütete sich, die Güte zu mißbrauchen. Nun war das Glück da, das die Bäckersleute solange herbeigesehnt hatten. Und auch das allerletzte nahte. Aber das sollte Meister Ehregott nicht mehr erleben. Der Tod erschien plötzlich an einem schönen Frühlings tage. Der Mann im Krankenbett erschrak nicht, als der Schnitter zu ihm trat. Er lächelte die Seinen an und sprach mit der ruhigen, zufriedenen Stimme dessen, der sein Leben erfüllt hat: „Lebt wohl, meine treue Alwine und. meine lieben Kinder! Habt Dank für Eure Liebe! Mag Dir das Kind soviel Freude bereiten, Elsa, wie Ihr mir bereitet habt! Lebt wohl!" Dann griff der Schnitter ihn an. Meister Ehregott wehrte sich nicht, er faltete die Hände auf seiner breiten Brust. Aber sein Gebet dauerte nur drei kurze Atemzüge lang. , Da ward es still im Bäckerhause. Ehregott Heidorn ruhte an der Altarseite der Kirche, an dem Platze, den er schon vor einer Reihe von Jahren für sich und seine Gefährtin gekauft hatte. Auch das Eisen gitter um die Grabstellen und der einfache Granitstein wurde nach seinen eigenen Angaben gefertigt. Die Witwe pflanzte Stiefmütterchen und Vergißmeinnicht aus den Hügel, legte, wenn sie am Abend oder vor dem Gottes dienste ans Grab kam, um dem Hingeschiedenen eine Vier telstunde nahe zu sein, einen frischen Kranz nieder. Sie gehörte aber sonst ganz den Lebenden, wie Ehregott es auch gewünscht haben würde. Sie haßte die rühr- und meinseligen Weiber, die nach einem Todesfälle auf der Straße, unter der Tür, und wo sie gerade einen Bekann ten trafen, jammerten und flennten. Auch Elsas wegen mußte sie die Trauer überwinden. Denn die junge Frau litt schwer unter dem so plötzlich und unerwartet gekommenen Unglück. Alwine, die in ihrer Schwiegertochter die Wesensverwandte erkannt, sich ihres klaren, heiteren Sinnes erfreut hatte, verstand diese Wandlung: die werdende Mutter traf jede Erschütterung schwerer. Sie sprach daher nie von dem, was vergangen und nicht mehr zu ändern war, sondern lenkte Elsas Sinn auf die Zukunft. Johann, der Meister, hatte oft den Kopf voll. Der Vater fehlte doch. Und nun gab es die mit dem Todesfälle zusammenhängenden Angelegenheiten zu erledigen. Der Lehrjunge hatte keine gute Zeit. Aber seiner Frau begenete er schonsam, doppelt zart. Und mit dem Verhalten seiner Mutter war er recht zu frieden. Obgleich er abends abgespannt und müde war, ging er mit Elsa oft noch zu ihren Eltern. Die alten Webers leute fühlten sich einsam, seit sie das einzige Kind weg gegeben hatten, und waren glücklich über den Besuch. Vater Liebscher fragte den Schwiegersohn um seine Mei nung über die Tagesereignisse. Der kannte mehr von der Welt, las die Zeitungen und war überhaupt ein kluger Mann. Elsa hatte mit ihrer Mutter allerhand zu bereden. Eines Tages aber wußte der Weber etwas Neues, was Johann sehr interessierte. „Do hoaste noa nischt drvone gehurt? Ja ju, 's ts su, ich hoa 's vir senn Schwoger. Ar will seine Wirtschoaft verkeefen und noa dr Sitte ziehn." Der Bäcker staunte. Er trommelte mit den Fingern auf dem Tische. „Hat er denn schon einen Käufer?" fragte er nach kurzer Weile. Das glaubte Vater Liebscher uicht. Aber der Bungert- Bauer werde sie schon kaufen, wenn sich sonst niemand finde,' denn er ginge auf eine Wirtschaft für eine Tochter aus, die sich bald verheiraten wolle. Damit war die Sache zunächst erledigt. Man sprach von anderen Dingen. Als aber Elsa mit einer Schachtel Puppen und anderem Spielzeug, das sie auf dem Boden aufgestöbert hatte, in die Stube trat, warf er ihr sogleich die Neuigkeit entgegen. „Der Schoner-Gustav will ja verkaufen. Eben erzählt es der Vater." Dann fesselte ihn das Spielzeug. „Puppen? Die kom men später dran. Aber dahier die Rösser, Ochsen, Schafe, die werden wir brauchen," sagte er launig. Elsa fragte ihn, womit er am liebsten gespielt habe. „Ich? Sicher mit der Eisenbahn. Aber davon ist kein Wagen mehr da, die hat zu schweres Unglück erlitten." „Und vorher?" „Wenn ich das noch wüßte! Mit hunderterlei!" „Und am liebsten? — Na? — Soll ich Dir's sagen, Mann?" „Da bin ich doch gespannt." Die beiden Alten waren es auch. „Ja? Heidorns Junge büschelte am liebsten eine blonde Puppe, seine liebe Marie!" „So? Darauf besinn ich mich wirklich nicht mehr!" Und sie hatten ihren Spaß an der komischen Tatsache. Dann aber fing Johann noch einmal von dem Wirt schaftsverkauf an. „Ob er sie nur im Ganzen verkaufen will oder auch geteilt?" Das sei dem Schoner gleich. Wie er sie am leichtesten losschlage. So habe sein Schwager gemeint dem Liebscher gegenüber. „Weißt Du," wendete Johann sich zu Elsa, „die Wiese hinter unserm Hofe wär was für uns." Er entwickelte einen Plan: wenn er die Wiese haben könnte, würde er sie diesen Herbst umackern lassen und einen Garten anlegen, der ihm noch fehle. Darin würde er vor allem Beerenobst anbauen, auch Äpfel-, Birnen- und Pflaumenbäume setzen, damit er die Früchte nicht alle zu kaufen brauche. Elsa stimmte ihm zu. Der Obstkuchen fand immer zu erst Abnehmer, viel konnte da gebacken werben. Und die Obstpächter forderten immer höhere Preise. „Ja, ober luß Dir's ok ni virn Bungert-Bauern weg- schnoppen!" riet Vater Liebscher. Kurz entschlossen machte sich Heidorn auf zum Schoner. (Fortsetzung folgt.)