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Nr. IS Gbsrlaufltzer Helmatzettung 24S dem immer bänglicher ums Herz würbe und der fürch tete, diese ganze Geschichte könne doch zuletzt recht übel Mausen, meinte endlich, die Sache läge doch wohl so, daß der Herr Major sich beständig verzählt habe. Deshalb solle er ihm einmal erlauben, die Dukaten nachznzählen. Das war nun der gewünschte Augenblick für den schlauen Schalk Kyaw. Schon, nachdem der Jude das Geld zum zweiten Male dnrchgemustert hatte, war die Sache in Nichtigkeit. Scheinbar hocherfreut, meinte nun der Hebräer, er freue sich höchlich darüber, weil sonst der Herr Major hätte auf den Gedanken verfallen können, er habe cs mit keinem ehrlichen Juden zu tun gehabt. Kyaw aber, der mit ungemeiner Freude beobachtet hatte, wie listig und geschickt der Jude die entwendeten Dukaten aus der Tasche wieder herausgehoben und unter die Dukaten auf ^em Tische geschoben hatte, sprach mit lachendem Munde, daß er sich ebenfalls über die Wiederkunft der Dukaten freue. Er halte sich aber verpflichtet, des Juden ganz besondere Kunst im Zählen hervorznheben und werde diese bei jeder Gelegenheit aufs beste rühmen. Der Hebräer aber, der wohl verstand, was der Herr Major mit diesen Worten meine, lehnte dieses Lob entschieden ab und bat ihn, von seiner vermeintlichen Kunst schweigen zu wollen, wofür er ihm allerwege recht dankbar sein werde. Also war der Jude entlassen. Kyaw aber pflegte später gerade dieses ergötzliche Stückchen gern zu erzählen und rühmte sich hierbei, daß er durch bloßes Zählen einen Dieb gezwungen hätte, verschiedene, ihm gestohlene Dukaten wieder zur Stelle zu bringen. Bauern Kunst E. Nierich, Neukirch Es gibt wohl kein Heimatmuseum, das nicht als be sonderen Schatz eine vollständig eingerichtete Bauernstube aufweist, in der am mächtigen Kachelofen die bunten Sacktücher trocknen und das große Himmelbett mit reinen gemusterten Bezügen hoch aufgetürmt in der Ecke steht. Freundlich leuchtet die Sonne durch die geblumten Gar dinen, aber sie lacht auch an trüben Tagen wie im hei teren Widerschein von den bunten Möbeln aus. Das war die Zeit, in der man noch von Bauernkunst reden konnte, in Ser man sah, mit welcher Liebe der Besitzer an jedem einzelnen Stücke hing, verrieten doch Namenszug und Jahreszahl, daß es sein eigener Schrank, sein eigenes Bett war, wie es ein Anderer nicht so aufzuweisen hatte, denn eigens hatte er aus der Bibel diesen Spruch ge wählt und Farbe und Blumenmuster angegeben und mit entworfen. Stolz konnten auch Söhne und Enkel auf diese Erbstücke einst sein. Und das Holz war aus dem eigenen Walde von den stärksten Bäumen, die dazu ihr mehr hundertjähriges Leben geben mußten. Warum gehört diese Dorfkunst der Vergangenheit an? Kommen wir jetzt in ein Bauernhaus, so sehen wir fast überall das unzweck- wäßigste aller Möbel, „Vertiko" genannt, mit kunstvoll gedrehten Säulen und recht viel Geschnörkel, in das sich der Staub festsetzen kann. Selbstverständlich stehen minder wertige Porzellanfiguren von den Jahrmärkten der letz ten zehn Jahre, verstaubte Sträuße künstlicher Blumen und eine Unmenge Lichtbilder in vergoldeten Rahmen darauf. Auch die steifen Stühle, auf denen man ohne Kreuzschmerzen nie lange sitzen kann, haben gedrehte Beine und Knöpfe, von denen immer einer fehlt. Post karten der geschmacklosesten Sorte stecken am geschliffenen Spiegel. Kommt man in ein Haus, wo vor einigen Jah ren, vielleicht in der Inflationszeit, die junge Frau eine Ausstattung mttgebracht hat, dann sieht man sogar ein Muffet, selbstverständlich in Eiche schwarz gebeizt, und gar ein Schreibtisch ist für den Hausherrn da, der aber wirk- kich nicht weiß, wie er zu dem Namen gekommen ist. Aber man will doch zeigen, daß man mit der Zeit fortschrettet, und was die Städter können, kann man sich auf dem Lande auch leisten. Darum fuhr der Schwiegervater in das größte Möbelgeschäft der Stadt, wo die Stuben zu Dutzen den fertig zur Schau aufgestellt waren, und nach zehn Minuten hatte man ohne Kopfzerbrechen eine „moderne" Einrichtung. Nur eines ist aus der alten Zeit geblieben, das man natürlich störend empfindet, das sind die nied rigen Holzstuben mit den schönen Deckenbalken. Darin stehen nun die protzigen Möbel nüchtern und kalt tn einer fremden Welt. Der Bauer will oft städtisch werden, da ihm das glücklicherweise nie gelingt, entfremdet er sich selbst und bleibt bodenlos zwischen Heimat und Fremde hängen. Wie ganz anders sah es im Heime unsrer Groß- und Urgroßväter aus. Das wichtigste Möbel war der Schrank, und man sah es ihm an, daß er sich seiner Stellung be wußt war. Massig und breit nahm er die halbe Wand seite ein. Doch wir dürfen nicht ungerecht gegen unsere Zeit sein. Auch damals hatte man den Wunsch, die Vor nehmen nachzuahmen, aber, da es meist an Mitteln ge brach, begnügte man sich damit, die Einlegearbeit der Renaissance, die Säulen und Schnitzereien des Barock und die Intarsien und Bronzebeschläge des Rokoko aufzn- malen. Aber der kühne Schwung des Aufsatzes, die ab geschrägten Ecken, aufgesetzten Goldleisten und Formen der Beine verraten die weit vornehmeren Vorbilder. Die Bemalung der Füllungen zeigt aber meist mit den steifen Blumenkörben oder entzückend naiven Darstellungen von Szenen aus dem Landleben die schönsten Blüten der Bauernkunst. Als nächst wichtigstes Stück lagerte sich die Truhe oder später Lade breit und wuchtig hin. Da sie meist als Sitzgelegenheit dienen mußte, war die Deckel fläche in einfacherer Bemalung gehalten; denn sie wurde ja einmal bald abgesessen. In den Schlössern und Schar nierbändern, die oft über die ganze Tiefe des Deckels gingen, zeigte der Schmied, daß sein Handwerk ebenso kunstvoll war, Ivie das des Schreiners. Die Kommode tritt meist später auf und da in Verbindung mit einem aufgesetzten Schrank, aus dem später der berüchtigte Glas schrank entstanden ist. Diese Zweiteilung des Schrankes, die zuerst am auffälligsten im Barock auftritt uud wahr scheinlich aus Italien stammt, finden wir bei den Bauern möbeln bei Stücken mit gebauchten Flächen und geschweif ten Linien, ein Zeichen der Einwirkung des Rokoko. Er staunlich groß ist oft die Zahl von kleineren Kästchen und Schiebern, und die Geheimfächer verraten, daß man auch damals schon Geld zu verbergen wußte, um der Steuer eine Nase drehen zn können. Ein nur dem Lande eigenes Ausstattungsstück ist das Topfbrett, das das Geschirr für den täglichen Gebrauch enthielt, aber auf der Schauseite eine Reihe buntbemalter Teller öarbot, die „aus Liebe", „aus Freundschaft" Geschenke von Verwandten zu Fest lichkeiten darstellten. Ob die Treue wirklich so standhaft gewesen ist wie die Inschrift einer Schüssel: „Wen Ich dich mein Kind verliefe, wirt der Himmel «allen ein, 1788", wollen wir nicht nachprüfen, aber das Bierglas des Junggesellen mit den inhaltschweren Worten „lebe ein sam" und dem darunter gezeichneten Herzen, das einsam unter einem Dache brennt, sagt, daß der Besitzer dieses Gefäßes anderer Ansicht ist. Was der Schrank in der Stube, das ist das Himmel bett in der Kammer. Breit und massig lagerte es an der Wand für mehrere, mindestens aber für zwei Personen berechnet. Die nie fehlenden Sprüche betonten, daß ein gut Gewissen das beste Ruhekissen sei, oder sie mahnten den Menschen, an den Bruder des Schlafes, den Tod, zu denken. Zwei-, dreifach war oft der Himmel vertieft und stellte mit zahlreichen Engelsfiguren oder Darstellungen ans der biblischen Geschichte ein besonderes Kunstwerk des heimischen Malers dar, bet dem diesen oft naive Anachro nismen unterlaufen sind, so zeigt ein Bettschirm in dem